DSGVO: Speicherung von Informationen über Erteilung von Restschuldbefreiung

Die Verarbeitung eines Eintrags einer Auskunftei ist insbesondere auf der Grundlage der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO zulässig, wenn ein überwiegendes berechtigtes Interesse der Beklagten und ihrer Vertragspartner besteht. Das Kammergericht (KG, 27 U 51/21) hat sich dem Oberlandesgericht Oldenburg (Urteil vom 23.11.2021 – 13 U 63/21) angeschlossen und klargestellt, dass eine Wirtschaftsauskunftei sowie ihre Vertragspartner ein berechtigtes Interesse i.S.v. Art. 6 Abs. 1 Buchst. f an der für einen bestimmten Zeitraum erfolgenden Speicherung und Weitergabe von Informationen über die Erteilung der Restschuldbefreiung haben.

Das KG zitiert insoweit das OLG Oldenburg und schließt sich vollumfänglich an und zitiert diesen Passus:

Bei der Erhebung, Speicherung und Weitergabe der genannten Informationen über den Kläger handelt es sich um eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Beklagte gemäß Art. 4 DS-GVO. Sie ist Verantwortliche im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO. Ihr Handeln ist nur rechtmäßig im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. d), Art. 6 DS-GVO, wenn der Betroffene eingewilligt hat – was nicht der Fall ist – oder hierfür eine gesetzliche Grundlage besteht. Diese ist in Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO zu sehen.

Nach dieser Vorschrift ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Als berechtigtes Interesse kommt dabei jedes rechtliche, tatsächliche, wirtschaftliche oder ideelle Interesse in Betracht (OLG Schleswig, Urteil vom 02.07.2021, Az. 17 U 15/21, S.10 m.w.N.). Ein solches Interesse hat die Beklagte dargelegt.

Die Beklagte erteilt ihren Vertragspartnern Auskunft über kreditrelevante Umstände potentieller Kunden. Diese Auskünfte sind erforderlich, um die Informationsdisparität zwischen Kreditgebern und Kreditnehmern auszugleichen. Andernfalls wären die Kreditgeber ausschließlich auf die Eigenangaben potentieller Kreditnehmer angewiesen. Die Verarbeitung der Daten dient dazu, Kreditgebern eine zutreffende und objektive Einschätzung der Bonität eines potentiellen Vertragspartners zu ermöglichen. Damit bestehen berechtigte Interessen Dritter und der Beklagten gleichermaßen.

Der Senat teilt insoweit nicht die Auffassung des 17. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts, wonach die Belange der Vertragspartner der Beklagten eine Datenverarbeitung nicht zu rechtfertigen vermögen. Zur Begründung führt das Gericht aus, die Prüfung eines berechtigten Interesses Dritter sei nicht möglich, solange nicht feststehe, ob und gegebenenfalls wer konkrete vertragliche oder vorvertragliche Beziehungen zum Kläger eingehe (OLG Schleswig, Urteil v. 02.07.2021, Az. 17 U 15/21, S. 14/15). Allein die abstrakte Möglichkeit, dass die Information der Restschuldbefreiung zukünftig für jemanden von Interesse sei, begründe ein aktuelles berechtigtes Interesse nicht (a.a.O., S. 15).

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts handelt es sich bei der dargelegten Interessenlage allerdings um eine typische, im Fall der Kreditgewährung regelmäßig auftretende. Auch ohne, dass ein zukünftiger Vertragspartner des Klägers namentlich feststünde und der Inhalt eines konkret abzuschließenden Vertrages bekannt wäre, ist daher das berechtigte Interesse eines Kreditgebers an der Erteilung der Informationen bereits derzeit hinreichend sicher feststellbar. Ob dieses bei Anbahnung eines konkreten Geschäfts im Einzelfall vorliegt, wäre sodann bei der Frage zu prüfen, ob die Weitergabe der Daten durch die Beklagte zu Recht erfolgt. Da die Beklagte die Daten nach ihrer unbestrittenen Darstellung ausschließlich einem fest definierten Kreis von Vertragspartnern auf konkrete Nachfrage und nach Geltendmachung eines solchen berechtigten Interesses zur Verfügung stellt, rechtfertigt das typische Interesse eines bestimmbaren Personenkreises in der Situation einer Kreditgewährung das Vorhalten der Informationen, auch wenn das konkrete Interesse eines namentlich bekannten Geschäftspartners der Beklagten noch nicht absehbar ist.

Zugleich hat die Beklagte ein eigenes Interesse an der Speicherung der personenbezogenen Daten des Klägers. Bei der Information über die Restschuldbefreiung wie bei den Angaben über die Verbindlichkeit bei der Kreissparkasse Grafschaft Diepholz handelt es sich um Daten, die die Beklagte nach ihrem Geschäftszweck verarbeitet. Dieser besteht darin, bonitätsrelevante Informationen über Personen zu sammeln, zu speichern und zu verarbeiten. Die Datenverarbeitung dient sodann dazu, ihren Kunden die Informationen im Vorfeld von Vertragsverhandlungen oder bei Abschluss von Verträgen zur Verfügung zu stellen, damit diese einschätzen können, ob es bei den Vertragspartnern möglicherweise zu Zahlungsschwierigkeiten kommt. Die Verarbeitung der Informationen hat mithin einen wirtschaftlichen Wert für die Beklagte (vergl. OLG Schleswig, Urteil vom 02.07.2021, Az. 17 U 15/21, Seite 11).

Entgegen der Auffassung des Klägers ist das berechtigte Interesse an der Datenverarbeitung nicht deshalb zu verneinen, weil den gespeicherten Informationen keine Aussagekraft für seine Bonität zukomme. Zur Begründung führt er aus, es fehle an belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen, die belegten, dass Schuldner nach einer Restschuldbefreiung häufiger erneut in die Überschuldung gerieten als andere Schuldner. Da die Informationen folglich nicht geeignet seien, Aussagen zur Kreditwürdigkeit zu treffen, sei ihre Speicherung zu diesem Zweck auch nicht erforderlich. Dem hat die Beklagte allerdings zutreffend entgegengehalten, dass die Restschuldbefreiung schon deshalb ein relevantes Datum darstelle, weil der Schuldner zu diesem Zeitpunkt vermögenslos sei. Das Fehlen weiteren einsetzbaren Vermögens stellt einen für die Kreditwürdigkeit maßgeblichen Gesichtspunkt dar. Durch die Restschuldbefreiung wird zudem belegt, dass der Schuldner fällige Forderungen in einem Zeitraum von 6 Jahren nicht begleichen konnte, obwohl er verpflichtet war, alles Mögliche zu unternehmen, um seine Schulden in der Wohlverhaltensphase gemäß §§ 287b, 295 InsO abzuzahlen. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger über Jahre trotz aller Bemühungen nicht in der Lage war, die Forderung der Kreissparkasse auszugleichen und diese erst durch die Restschuldbefreiung ihre Erledigung gefunden hat. Unabhängig von den Ausführungen der Beklagten zu einem erhöhten Ausfallrisiko nach einer erteilten Restschuldbefreiung mit Schriftsatz vom 25.10.2021 besteht daher ein berechtigtes Interesse an der Verarbeitung der fraglichen Daten, um den Kunden der Beklagten eine zuverlässige Beurteilung der Kapitaldienstfähigkeit potentieller Kreditnehmer zu ermöglichen (so auch OLG Schleswig, Urt. v. 02.07.2021, Az. 17 U 15/21, S. 11).

Dass es sich hierbei um schutzwürdige Belange handelt, wird im Übrigen zur Überzeugung des Senats belegt durch den gemäß Artikel 40 DS-GVO erstellten Verhaltenskodex des Verbandes der Wirtschaftsauskunfteien e.V., der durch die zuständige Landesbeauftragte für den und Informationsfreiheit des Landes Nordrhein-Westfalen genehmigt worden ist. Zwar kann ein Rückgriff auf diesen Verhaltenskodex die Interessenabwägung gemäß § 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO nicht ersetzen. Er stellt allerdings einen für den Regelfall beachtlichen Interessenausgleich zwischen den Beteiligten für eine datenschutzkonforme, weil erforderlichkeitsorientierte Speicherung von Informationen her. Ausdrücklich erkennt der Verhaltenskodex Informationen über den Ausgleich von Forderungen wie über eine Restschuldbefreiung als für die Kreditwirtschaft relevantes Datum an. Letztlich belegt das vom Kläger selbst wiederholt herangezogene Gesetzgebungsverfahren, dass auch der Gesetzgeber das Interesse der Kreditwirtschaft an diesen Informationen anerkennt.

Das Interesse der Beklagten und ihrer Geschäftspartner an der Datenverarbeitung wird auch nicht unberechtigt, weil diese einer grundsätzlichen gesetzgeberischen Wertung zuwiderliefe. Eine solche Wertung ist namentlich nicht § 3 Abs. 1 InsoBekV zu entnehmen, wonach Eintragungen über die Erteilung der Restschuldbefreiung nach sechs Monaten aus dem Internet zu löschen sind.

Die Regelung des § 3 InsoBekV ist auf die Eintragungen in der Datenbank der Beklagten nicht unmittelbar anwendbar. Die in der Vorschrift angeordnete Speicherfrist betrifft zunächst allein öffentliche Bekanntmachungen im Insolvenzverfahren. Es fehlt darüber hinaus auch an den Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Vorschrift, noch kommt in ihr eine grundsätzliche gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck.

Die Erstreckung der Speicherfrist des § 3 InsoBekV auf die Tätigkeit der Beklagten im Wege der Analogie setzt eine vergleichbare Interessenlage (vergl. BGH, Urt. v. 29.04.2010, Az. I ZR3/09, Rn. 32, zitiert nach juris) und eine planwidrige Regelungslücke voraus (vergl. BSG, Urteil vom 13.11.2012, Az. B 2 U 26/11, Rn. 25). Beides vermag der Senat nicht festzustellen.

Bei der Veröffentlichung von Daten auf dem Portal für Insolvenzbekanntmachungen handelt es sich um einen staatlichen Eingriff. Die Angaben sind ohne Zugangshürden für jedermann und ohne Nachweis eines anerkennenswerten Interesses über das Portal www.insolvenzbekanntmachungen.de einsehbar. Demgegenüber stellt die Beklagte die von ihr vorgehaltenen Informationen Dritten nur nach Darlegung eines berechtigten Interesses und gegen Entgelt zur Verfügung. Auch wenn diese Auskunftserteilung für die Betroffenen weitreichende wirtschaftliche Folgen haben kann, fehlt es gleichwohl bereits an einer vergleichbaren Interessenlage. Den wesentlichen Unterschied sieht das Gericht darin, dass in einem Fall ein Abruf der Daten allein zur Befriedigung der Neugier möglich ist, während im anderen Fall ein anerkennenswertes Interesse in jedem Einzelfall dargelegt werden muss. Die unterschiedlichen Interessenlagen gebieten daher keine Gleichbehandlung, sondern legen nach Auffassung des Senats eher eine differenzierte Behandlung nahe.

Darüber hinaus fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, die im Wege der Analogie geschlossen werden müsste. Der Kläger selbst hat wiederholt auf Diskussionen im Gesetzgebungsverfahren zur Verkürzung der Speicherfrist bezüglich der Restschuldbefreiung auf ein Jahr hingewiesen. Diese Diskussion zeigt nach Auffassung des Senats, dass der Gesetzgeber eine Regelungsbedürftigkeit erwogen hat.

Wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 09.07.2021 angemerkt hat, hat er gleichwohl von einer Regelung abgesehen und stattdessen eine Evaluierungsklausel in Art. 107a EG-InsO aufgenommen. Ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs ist namentlich eine Begrenzung der Speicherung von insolvenzbezogenen Informationen durch Auskunfteien bewusst nicht angeordnet worden.

Aus den gleichen Erwägungen vermag der Senat in der Speicherfrist des § 3 InsoBekV auch keine verallgemeinerungsfähige gesetzgeberische Wertung zu erkennen, die die Speicherung der hier fraglichen Daten über einen Zeitraum von 6 Monaten hinaus grundsätzlich verbietet.

Die dargelegten Interessen der Beklagten und ihrer Kunden werden weiter nicht durch die Interessen, Grundrechte oder Grundfreiheiten des Klägers überwogen, Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO.

Insoweit greift der Senat im Ausgangspunkt auf die für den Regelfall anwendbare Abwägung, wie sie im Verhaltenskodex der Wirtschaftsauskunfteien Niederschlag gefunden hat, zurück. Umstände, die im konkreten Einzelfall eine andere Bewertung erfordern, sind nicht ersichtlich.

Insoweit nimmt der Kläger für sich in Anspruch er müsse hinsichtlich des Merkmals der Restschuldbefreiung anders behandelt werden, als ein klassischer Schuldner. Seine sei nicht auf ein typisches Schuldnerverhalten zurückzuführen. In der Wohlverhaltensperiode habe er sich zudem rechtstreu und vorbildlich verhalten. Er habe dadurch gezeigt, dass er sich einschränken könne. Auch verfüge er über ein ausreichendes Gehalt, so dass er tatsächlich kreditwürdig sei. Durch die Speicherung der Restschuldbefreiung durch die Beklagte werde er demgegenüber unzutreffend mit Personen gleichgestellt, die sich in den letzten Jahren nicht rechtstreu verhalten hätten. Dies führe zu einer unrichtigen Bonitätsbewertung durch mögliche Kreditgeber.

Dieser Vortrag gebietet keine abweichende Bewertung. Er ist zum einen unbestimmt. So bleibt offen, was der Kläger mit einem typischen Schuldnerverhalten meint und warum die Insolvenz in seinem Fall schon hinsichtlich ihres Eintritts anders zu bewerten sein soll. Auch was mit einem vorbildlichen Verhalten während des laufenden Insolvenzverfahrens gemeint ist, erläutert der Kläger nicht näher.

Dass er sich nach Kräften um einen Ausgleich der offenen Verbindlichkeiten bemüht hat, ist dabei kein Umstand, der ihn von anderen Insolvenzschuldnern abhebt, denen die Restschuldbefreiung erteilt wird, sondern gemäß § 290 InsO Voraussetzung für diese. Darüber hinaus wird die Bonität des Klägers durch die Eintragungen in der Datenbank der Beklagten auch nicht unzutreffend dargestellt. Der Eintrag beschränkt sich auf die Erteilung der Restschuldbefreiung nach Ablauf der Wohlverhaltensphase und den Umstand, dass die Forderung der Kreissparkasse dadurch ihre endgültige Erledigung gefunden hat. Diese Darstellung ist zutreffend. Eine darüber hinaus gehende negative Bewertung der Kreditwürdigkeit des Klägers enthalten die Eintragungen nicht.

Das Interesse des Klägers an der Löschung der Einträge überwiegt die Belange der Beklagten und ihrer Kunden an der weiteren Datenverarbeitung auch nicht deshalb, weil dem Kläger die berufliche Existenzgrundlage entzogen würde oder er keine angemessene Wohnung zu finden vermöchte (dazu sogleich).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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