Widerspiegeln technischer Wirkungen in Erfindung

Damit sich die technischen Wirkungen einer Erfindung in bestimmten Teilen widerspiegeln und deren Einbau zu einer die Erschöpfungswirkung verdrängenden Neuherstellung führt, müssen diese Teile in besonderer, auf die Erfindung abgestimmter Weise gestaltet sein, um die ihnen zukommende Funktion erfüllen zu können, z.B. durch eine besondere Formgebung. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn die maßgebliche Wirkung der zu beurteilenden Teile allein in ihrer Abnutzung besteht, so der BGH (X ZR 10/20):

Nach der Rechtsprechung des Senats bezieht sich ein Mittel auf ein wesentliches Element der Erfindung, wenn es geeignet ist, mit einem oder mehreren Merkmalen des Patentanspruchs bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken (BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 – X ZR 48/03, BGHZ 159, 76, 85 = GRUR 2004, 758, 761 – Flügelradzähler).

Mittel, die zwar bei der Benutzung der Erfindung verwendet werden können, zur Verwirklichung der Lehre der Erfindung aber nichts beitragen, werden von diesem Kriterium nicht erfasst. Leistet ein Mittel dagegen einen solchen Beitrag, kommt es grundsätzlich nicht darauf an, mit welchem Merkmal oder welchen Merkmalen des Patentanspruchs das Mittel zusammenwirkt. Was Bestandteil des Patentanspruchs ist, ist regelmäßig bereits deshalb auch wesentliches Element der Erfindung (BGH, Urteil vom 27. Februar 2007 – X ZR 38/06, BGHZ 171, 167 Rn. 18 – Pipettensystem) …

Auch bekannte Elemente können einen Beitrag zur Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens leisten (BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 – X ZR 48/03, BGHZ 159, 76 = GRUR 2004, 758, 761 – Flügelradzähler) …

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Ausschließlichkeitsrecht aus einem Patent, das ein Erzeugnis betrifft, hin- sichtlich solcher Exemplare des geschützten Erzeugnisses erschöpft, die vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind. Die rechtmäßigen Erwerber wie auch diesen nachfolgende Dritterwerber – einschließ- lich Wettbewerber des Patentinhabers – sind befugt, diese Exemplare bestim- mungsgemäß zu gebrauchen, an Dritte zu veräußern oder zu einem dieser Zwe- cke Dritten anzubieten (vgl. nur BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 – X ZR 97/11, GRUR 2012, 1118 Rn. 17 – Palettenbehälter II; Urteil vom 27. Februar 2007 – X ZR 38/06, BGHZ 171, 167 Rn. 27 – Pipettensystem).

Zum bestimmungsgemäßen Gebrauch gehören die Erhaltung und Wieder- herstellung der Gebrauchstauglichkeit, wenn die Funktions- oder Leistungsfähig- keit des konkreten Exemplars ganz oder teilweise durch Verschleiß, Beschädi- gung oder aus anderen Gründen beeinträchtigt oder aufgehoben ist.

Vom bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht umfasst sind hingegen alle Maßnahmen, die darauf hinauslaufen, ein patentgemäßes Erzeugnis erneut her- zustellen, denn die ausschließliche Herstellungsbefugnis des Patentinhabers wird mit dem erstmaligen Inverkehrbringen eines Exemplars des patentgemäßen Erzeugnisses nicht erschöpft (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – X ZR 55/16, BGHZ 216, 300 Rn. 35 f. – Trommeleinheit).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Abgrenzung zwischen bestimmungsgemäßem Gebrauch und Neuherstellung grundsätzlich in erster Linie maßgeblich, ob die ergriffenen Maßnahmen die Identität des bereits in Verkehr gebrachten konkreten Exemplars eines patentgemäßen Erzeugnisses wahren oder der Schaffung eines neuen Exemplars des patentgemäßen Erzeugnisses gleichkommen.

Zur Beurteilung dieser Frage bedarf es einer die Eigenart des patentgeschützten Erzeugnisses berücksichtigenden Abwägung der schutzwürdigen Interessen des Patentinhabers an der wirtschaftlichen Verwertung der Erfindung einerseits und des Abnehmers am ungehinderten Gebrauch des in den Verkehr gebrachten konkreten erfindungsgemäßen Erzeugnisses andererseits. Diese ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – X ZR 55/16, BGHZ 216, 300 Rn. 53 f. – Trommeleinheit; Urteil vom 17. Juli 2012 – X ZR 97/11, GRUR 2012, 1118 Rn. 26 – Palettenbehälter II; Urteil vom 27. Februar 2007 – X ZR 38/06, BGHZ 171, 167 Rn. 27 – Pipettensystem; Urteil vom 4. Mai 2004 – X ZR 48/03, BGHZ 159, 76, 91 – Flügelradzähler).

Soweit eine Verkehrsauffassung festgestellt werden kann und die in Rede stehende Maßnahme danach als Neuherstellung anzusehen ist, kommt dem in der Regel ausschlaggebende Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – X ZR 55/16, BGHZ 216, 300 Rn. 54 ff. – Trommeleinheit).

Eine Maßnahme, die nicht schon nach der Verkehrsauffassung als Neuherstellung anzusehen ist, kann patentrechtlich dennoch als solche zu bewerten sein, wenn sich die technischen Wirkungen der Erfindung gerade in den ausgetauschten Teilen widerspiegeln (vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – X ZR 55/16, BGHZ 216, 300 Rn. 54 – Trommeleinheit). Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang, wenn ein ausgetauschtes Teil zwar mit anderen Teilen zusammenwirkt, insoweit aber nur bloßes Objekt einer erfindungsgemäßen Wirkung ist, die ihre gegenständliche Verkörperung allein in den anderen Teilen findet (BGH, Urteil vom 27. Februar 2007 – X ZR 38/06, BGHZ 171, 167 Rn. 31 – Pipettensystem; Urteil vom 24. Oktober 2017 – X ZR 55/16, BGHZ 216, 300 Rn. 70 – Trommeleinheit).

(…)


Selbst wenn die angegriffenen Verschleißteile zu den Teilen gehören, in denen sich diese erfindungsgemäßen Wirkungen widerspiegeln, führt ihr Austausch jedoch nicht zu einer Neuherstellung.

Die technische Wirkung der angegriffenen Verschleißteile besteht allein darin, dass sie verschleißen und damit einem Verschleiß des fest angeschweißten Bremsträgers entgegenwirken. Diese Wirkung reicht nicht aus, um eine Neuherstellung zu bejahen.

(1) Durch den Austausch eines bestimmungsgemäß als Verschleißteil ausgebildeten und auf diese Funktion beschränkten Bauteils wird dem davon betroffenen Erzeugnis keine technische Funktion hinzugefügt. Vielmehr werden lediglich erneut die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das Erzeugnis die angestrebte lange Lebensdauer erreichen kann. Die Erhaltung der angestrebten Lebensdauer gehört aber zu denjenigen Handlungen, zu denen ein rechtmäßiger Erwerber und dessen Nachfolger grundsätzlich befugt sind.

Diese Befugnis kann zwar eingeschränkt sein, soweit der Austausch eines Verschleißteils dazu führt, dass technische Wirkungen der Erfindung, die aufgrund des Verschleißes verloren gegangen oder eingeschränkt worden sind, erneut herbeigeführt oder ermöglicht werden. Diese Ausnahme kann aber nicht gelten, wenn die technische Wirkung des ausgetauschten Teils allein darin besteht, durch Ausbildung als Verschleißteil die Nutzbarkeit des Erzeugnisses insgesamt zu erhalten.

Dies gilt auch dann, wenn die Verlängerung der Lebensdauer des Erzeugnisses insgesamt zu den objektiven Vorteilen der geschützten Erfindung gehört. Auch in solchen Fällen kann dem Nutzer eines mit Zustimmung des Berechtigten in Verkehr gebrachten Exemplars nicht die Befugnis abgesprochen werden, die Möglichkeit der Nutzung über die gesamte angestrebte Lebensdauer hinweg durch Vornahme der hierzu vorgesehenen Wartungsmaßnahmen zu gewährleisten. Eine abweichende Beurteilung kommt nur dann in Betracht, wenn die Erfindung weitergehende Wirkungen hat und sich zumindest eine dieser Wirkungen ebenfalls in dem ausgetauschten Teil widerspiegelt. Bliebe dem Patentinhaber demgegenüber auch der Austausch eines bloßen Verschleißteils vorbehalten, würde das aufgezeigte Regel-/Ausnahme-Verhältnis in sein Gegenteil verkehrt.

Dies führte zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der berechtigten Interessen der rechtmäßigen Abnehmer.

Die Abgrenzung anhand der Frage, ob sich die technischen Wirkungen der Erfindung in dem ausgetauschten Teil widerspiegeln, erfordert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine wertende Betrachtung anhand patentrechtlicher Überlegungen. Ziel der Abgrenzung ist ein angemessener Ausgleich zwischen den schutzwürdigen Interessen des Patentinhabers an der wirtschaftlichen Verwertung der Erfindung und den schutzwürdigen Interessen des Abnehmers am ungehinderten Gebrauch des in den Verkehr gebrachten Erzeugnisses (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – X ZR 55/16, BGHZ 216, 300 Rn. 62 – Trommeleinheit). Ein solcher Ausgleich würde nicht erreicht, wenn einem Nutzer der Austausch eines Verschleißteils schon deshalb verwehrt wäre, weil der Verschleiß dieses Teils zu den erfindungsgemäßen Wirkungen gehört.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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