Das Bundesverfassungsgericht (2 BvR 252/19) konnte hervorheben, dass ein Weisungsverstoß (§ 56f Abs 1 S 1 Nr 2 StGB), also das nicht-befolgen von Weisungen im Rahmen laufender Bewährung, nicht ohne weiteres eine negative Kriminalprognose indiziert. Dabei stellt das BVerfG klar, dass ein Bewährungswiderruf wegen eines schlichten Weisungsverstosses sehr genau geprüft werden will, gar eine Abmahnung zwar nicht zwingend, aber naheliegend ist:
Ein gröblicher Verstoß ist die schuldhafte, nach objektivem Gewicht und Vorwerfbarkeit schwerwiegende Zuwiderhandlung gegen eine zulässige, dem Täter bekanntgemachte, hinreichend bestimmte Weisung. Für die Beharrlichkeit ist eine wiederholte Zuwiderhandlung in ablehnender Haltung gegen den Zweck der Weisung erforderlich; eine Abmahnung ist nicht unbedingt notwendig, aber die Beharrlichkeit ist ohne sie in der Regel nicht beweisbar (…). Lediglich wenn besondere Umstände wie beispielsweise ein Sich-Verbergen oder Flucht vorliegen, kann aus einem wiederholten Handeln ohne Weiteres auf eine endgültige Weigerung, die Weisung zu befolgen, geschlossen werden (…).
BVerfG, 2 BvR 252/19
Der Widerruf von Bewährungen und der Kampf um Bewährungen gehört zu unserem strafprozessualen Alltag – und wir sind hier sehr erfolgreich, denn: nach unserer Erfahrung steckt hier viel verborgenes Potenzial – das wegen der kurzen Beschwerdefrist oft untergeht! Gerade Amtsgerichte unterschätzen die besonderen Umstände und nehmen gerne vorschnell, etwa bei nur mangelndem Kontakt mit dem Bewährungshelfer, einen Widerrufsgrund an. Beachten Sie dazu unseren zusammenfassenden Beitrag zum Thema Bewährungswiderruf sowie den Beitrag zur mehrfachen Bewährung.
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Klassiker: Urinkontrollen bzw. Drogenscreenings
Ein absoluter Klassiker in dem zusammengang – neben der mangelnden Kontakthaltung zum Bewährungshelfer – sind die unterbliebenen Drogenscreenings, die das Gericht angeordnet hatte. Alleine weil diese aber nicht abgegeben wurden, steht ein Bewährungswiderruf nicht ohne weiteres im Raum:
Die Feststellungen in den angegriffenen Beschlüssen tragen die Schlussfolgerung nicht, aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers bestehe die Besorgnis, er werde neue Straftaten begehen. Das Amtsgericht hat lediglich darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer keinen der festgesetzten, insgesamt fünf Termine zur Abgabe einer Urinprobe wahrgenommen habe und sich im Übrigen in bloßer Wiederholung des Gesetzeswortlautes darauf beschränkt, festzustellen, dass dies Anlass zur Besorgnis der Begehung neuer Straftaten gebe (…) Der behauptete Verstoß gegen die Weisung zur Abgabe einer Urinprobe auf Aufforderung des Gerichts lässt aber nicht ohne Weiteres Rückschlüsse auf eine kriminelle Prognose zu (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Juni 2007 – 2 BvR 1046/07 -, Rn. 21 m.w.N.). Die Terminverschiebungen als solche sind noch kein ausreichendes Indiz dafür, dass erneut Drogendelikte zu besorgen sind. Dies gilt umso mehr, als im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer eine separate Weisung erhalten hat, keine illegalen Drogen mehr zu konsumieren. Einen Verstoß gegen diese Weisung macht das Amtsgericht aber weder geltend, noch verhält es sich überhaupt hierzu. Insbesondere benennt es weder objektive Anhaltspunkte für einen vermuteten neuen Drogenkonsum, noch trägt es Indizien für den Besitz von oder den Handel mit Drogen vor (…)
Abgesehen davon setzen die Gerichte sich nicht hinreichend mit der Möglichkeit eines Absehens vom Bewährungswiderruf nach § 56f Abs. 2 StGB auseinander. Das Amtsgericht behauptet lediglich, dass eine Verlängerung der Bewährungszeit oder eine Erweiterung der Auflagen nicht ausreiche, und ein Widerruf der Bewährung auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche. Eine inhaltliche Prüfung des § 56f Abs. 2 StGB erfolgt nicht, obwohl der Beschwerdeführer in seiner sofortigen Beschwerde ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass als milderes Mittel eine Verlängerung der Bewährungszeit in Frage käme.
BVerfG, 2 BvR 252/19
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