Ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§114 StGB) liegt vor, wenn jemand einen Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift. Doch wann liegt ein solcher tätlicher Angriff überhaupt vor?
Neuer Tatbestand des Angriffs auf Vollstreckungsbeamte seit 2017
Mit dem 52. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften – vom 23. Mai 2017 (BGBl. I, S. 1226) wurde die Begehungsweise des tätlichen Angriffs aus § 113 Abs. 1 StGB herausgelöst und in § 114 StGB als selbständigen Straftatbestand mit erhöhtem Strafrahmen ausgestaltet.
Der neu geschaffene Straftatbestand verzichtet auf den Bezug zur Vollstreckungshandlung und soll auch schon tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte erfassen, die lediglich allgemeine Diensthandlungen wie Streifenfahrten oder -gänge, Befragungen von Straßenpassanten, Radarüberwachungen, Reifenkontrollen, Unfallaufnahmen, Beschuldigtenvernehmungen und andere bloße Ermittlungstätigkeiten vornehmen (BT-Drucks. 18/11161, S. 12). Eine Änderung der seit über 140 Jahren von der Rechtsprechung in ständiger Übung praktizierten Auslegung dieses Merkmals hat der Gesetzgeber damit für den Bundesgerichtshof aber eindeutig nicht beabsichtigt, sondern er wollte lediglich die bislang in § 113 Abs. 1 StGB geregelte Begehungsform dort „herauslösen“ und in den neuen § 114 Abs. 1 StGB transferieren (BGH 5 StR 157/20 unter Verweis auf BT-Drucks. 18/11161, S. 9).
Wann liegt ein tätlicher Angriff vor?
Unter einem tätlichen Angriff jede mit feindseligem Willen unmittelbar auf den Körper des Beamten zielende Einwirkung, unabhängig von ihrem Erfolg. Ziel der Handlung muss dabei zwar die Einwirkung auf den Körper des Vollstreckungsbeamten sein. Der Vorsatz muss sich aber noch nicht einmal auf eine Körperverletzung beziehen, sondern der Angriff kann etwa auch auf eine Freiheitsberaubung abzielen.
Wichtig ist dabei, dass der tätliche Angriff im Sinne von § 114 Abs. 1 StGB eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper zielende Einwirkung voraussetzt – dies wird aber extensiv gehandhabt. Da zudem nicht einmal eine erfolgreiche Einwirkung auf den Körper notwendig ist, genügen bereits Handlungen, bei denen man vielleicht gar nicht sofort an den §114 StGB denkt:
- Mit erhobenen Händen brüllend auf Beamten zurennen
- Versuch durch körperliche Bewegung zu verletzen
- Verursachen von Auffahrunfall mit Streifenwagen (siehe dazu BGH, 4 StR 607/19)
Der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte ist mitunter sehr früh anzunehmen und wegen der Mindestfreiheitsstrafe von 3 Monaten sehr ernst zu nehmen. Hinzu kommt die Praxis, dass viele Staatsanwaltschaften bei diesem Vorwurf auch zu keiner Einstellung selbst bei einem Ersttäter bereit sind.
Jens Ferner
Strafverteidiger- Klage im Arbeitsprozess muss klar formuliert sein - 27. April 2024
- Data Culture: Bedeutung der Datenkultur in Unternehmen - 27. April 2024
- Die ökonomischen Auswirkungen der generativen KI - 27. April 2024