Schätzung hinterzogener Steuern bei Steuerhinterziehung

Die Strafvorschrift der (§ 370 AO) wird materiell-rechtlich durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften ausgefüllt, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Steuerart zu einer geführt hat. Auch hierzu bedarf es hinreichender tatsächlicher Feststellungen, die eine Nachprüfung durch das Revisionsgericht ermöglichen.

Dazu gehören insbesondere diejenigen Parameter, die für die Bemessung der Steuer maßgeblich sind (Besteuerungsgrundlagen). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen deshalb die Urteilsgründe bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung regelmäßig nicht nur die Summe der jeweils verkürzten Steuern, sondern für jede Steuerart und jeden Steuerabschnitt gesondert auch die Berechnung der verkürzten Steuern im Einzelnen angeben (BGH, 1 StR 229/22 und 1 StR 159/19 Rn. 8).

Im Steuerstrafverfahren ist die zulässig, wenn zwar feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand verwirklicht hat, der Umfang der verwirklichten Besteuerungsgrundlagen aber ungewiss ist (ständige Rechtsprechung; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2014 – 1 StR 561/13 Rn. 19; vom 20. Dezember 2016 – 1 StR 505/16 Rn. 14; vom 29. August 2018 – 1 StR 374/18 Rn. 7; vom 5. September 2019 – 1 StR 12/19 Rn. 26 und vom 11. März 2021 – 1 StR 521/20 Rn. 11; jeweils mwN). Bei der Wahl der Schätzungsmethode steht dem Tatgericht ein Beurteilungsspielraum zu; es muss jedoch nachvollziehbar darlegen, warum es sich der gewählten Schätzungsmethode bedient hat und warum diese im konkreten Fall zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen geeignet ist (st. Rspr. z.B. BGH, Beschlüsse vom 10. November 2009 – 1 StR 283/09, BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung 4 Rn. 12 ff; vom 14. Juni 2011 – 1 StR 90/11 Rn. 10; vom 8. August 2019 – 1 StR 87/19 Rn. 7 und vom 5. September 2019 – 1 StR 12/19 Rn. 26 f.; jeweils mwN).

Bei seiner Überzeugungsbildung hat das Tatgericht die vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafprozessualen Grundsätze (§ 261 StPO) zu beachten (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 1 StR 176/17 Rn. 6). Die Schätzungsgrundlagen sind in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar mitzuteilen (ständige Rechtsprechung; vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. November 2009 – 1 StR 283/09, BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung 4 Rn. 12 und vom 24. Mai 2017 – 1 StR 176/17 Rn. 6; zum Ganzen BGH, Beschluss vom 10. Februar 2022 – 1 StR 484/21 Rn. 5).

Ein Berechnungsvortrag ist ausnahmsweise nur dann insgesamt entbehrlich, wenn ein sachkundiger Angeklagter, der die hinterzogenen Steuern berechnen kann, ein Geständnis abgelegt hat (st. Rspr.; z.B. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2017 – 1 StR 176/17 Rn. 6 mwN).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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