Das Bundesarbeitsgericht (8 AZR 199/22 und 8 AZR 120/22) hat klargestellt, dass Geschäftsführer einer Gesellschaft als Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht persönlich für die Nichtzahlung des Mindestlohns – und auch nicht für ein entsprechendes BuÃgeld – haften.
Das Bundesarbeitsgericht führt aus, dass nach der gesetzlichen Wertung die Haftung von Geschäftsführern einer GmbH grundsätzlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft beschränkt ist (§ 43 Abs. 2 GmbHG). Gegenüber auÃenstehenden Dritten haften Geschäftsführer grundsätzlich nicht persönlich. Vielmehr ist die AuÃenhaftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft gemäà § 13 Abs. 2 GmbHG auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Zwar umfasst die Pflicht zur ordnungsgemäÃen Geschäftsführung, die den Geschäftsführern einer GmbH nach § 43 Abs. 1 GmbHG aufgrund ihrer Organstellung obliegt, auch die Pflicht, dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäÃig verhält und ihre gesetzlichen Pflichten erfüllt (sog. Legalitätspflicht).
Wie das Bundesarbeitsgericht klarstellt, besteht diese Pflicht jedoch grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft und nicht auch im Verhältnis zu auÃenstehenden Dritten. § 43 Abs. 1 GmbHG regelt ausschlieÃlich die Pflichten des Geschäftsführers aus seinem durch die Bestellung begründeten Rechtsverhältnis zur Gesellschaft. Diese Pflichten dienen nicht dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger vor den Folgen einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung. Aus der Regelung des § 43 Abs. 2 GmbHG ergibt sich, dass eine Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäÃen Geschäftsführung nur Schadensersatzansprüche der Gesellschaft, nicht aber der Gesellschaftsgläubiger auslöst (BGH, Urteil vom 20. Juli 2012 – VI ZR 341/10 – Rn. 22 f. mwN, BGHZ 194, 26).
Der Geschäftsführer einer GmbH haftet daher nur bei Vorliegen eines besonderen Haftungsgrundes persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Der Geschäftsführer haftet dem Arbeitnehmer jedoch nicht nach den Vorschriften des § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 9, § 20 MiLoG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG auf Schadensersatz. Die BuÃgeldtatbestände des § 21 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 20 MiLoG stellen – ungeachtet der sich im Einzelfall aus § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG ergebenden buÃgeldrechtlichen Verantwortlichkeit der Geschäftsführer einer GmbH für VerstöÃe gegen die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns – kein Schutzgesetz zugunsten der Arbeitnehmer der Gesellschaft im Verhältnis zu den Geschäftsführern der Gesellschaft, hier den Beklagten, i.S.d.. § 823 Abs. 2 BGB.
Die Geschäftsführer sind jedoch (zunächst) taugliche Täter einer Ordnungswidrigkeit nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG, auch wenn sich die Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns aus § 20 MiLoG nicht an sie richtet: Nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 20 MiLoG das dort genannte Entgelt nicht oder nicht rechtzeitig zahlt. Nach § 20 MiLoG sind Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland verpflichtet, ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern spätestens zu dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG genannten Zeitpunkt ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des in § 1 Abs. 2 MiLoG genannten Mindestlohns zu zahlen. Danach kann der BuÃgeldtatbestand – bei Beschäftigung durch eine Gesellschaft als Arbeitgeber – nur von Gesellschaften, nicht aber von Geschäftsführern verwirklicht werden.
Handelt jedoch jemand als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs, so ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Möglichkeit der Ahndung begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale nicht bei ihm, sondern bei dem Vertretenen vorliegen. Da es sich bei der Arbeitgeberstellung gem. § 20 MiLoG um ein besonderes persönliches Merkmal iSv. § 9 Abs. 1 OWiG handelt, erstreckt sich die BuÃgeldbewehrung der nicht oder nicht rechtzeitigen Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns im Anwendungsbereich des § 21 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 20 MiLoG auch auf die handelnden Geschäftsführer einer GmbH.
Das Bundesarbeitsgericht hat ausdrücklich offen gelassen, ob die Erfüllung des objektiven Tatbestands des § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG die Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers im Zeitpunkt der Fälligkeit des Mindestlohnanspruchs voraussetzt und ob die Schuldnerin zum maÃgeblichen Zeitpunkt zahlungsfähig war. Ebenso hat das Gericht offen gelassen, ob der BuÃgeldtatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG auch die Nichtzahlung von Urlaubsentgelt erfasst, das dem Arbeitnehmer auf der Grundlage des Mindestlohns zugestanden hätte (nach wie vor umstritten).
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