Herausgabe eines Gutachtens in einem selbständigen Beweisverfahren

Gegen eine Entscheidung, durch die dem Antragsteller des Beweisverfahrens die Herausgabe eines Gutachtens angeordnet wird, das in einem selbständigen Beweisverfahren auf Grund einer nach § 140c Abs. 3 PatG oder § 24c Abs. 3 GebrMG angeordneten Besichtigung erstattet worden ist, ist die sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft. Dies gilt nicht nur dann, wenn der Antrag auf Herausgabe abgelehnt wird, sondern auch dann, wenn das Prozessgericht die Herausgabe anordnet, obwohl der Antragsgegner dem unter Berufung auf Geheimhaltungsinteressen widersprochen hat (BGH, X ZB 9/21).

Für die Entscheidung über die Herausgabe des Gutachtens ist die Frage, wie wahrscheinlich das Bestehen von Ansprüchen wegen Verletzung des Schutzrechts ist, nur dann von Bedeutung, wenn der Antragsgegner berechtigte Geheimhaltungsinteressen dargelegt hat. Ein im selbständigen Beweisverfahren erstelltes Gutachten wird den Parteien bzw. ihren Verfahrensbevollmächtigten in der Regel uneingeschränkt übermittelt. Ein Gutachten, das im selbständigen Beweisverfahren im Anschluss an eine auf der Grundlage von § 140c Abs. 3 PatG angeordnete Besichtigung erstellt worden ist, darf dem Antragsteller jedoch nur insoweit zur eigenen Kenntnisnahme überlassen werden, als berechtigte Geheimhaltungsinteressen des Antragsgegners dem nicht entgegenstehen:

Grund hierfür ist die in § 140c Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 PatG normierte Pflicht des Gerichts, bei Entscheidungen über die Verpflichtung zur Vorlage einer oder zur Duldung der Besichtigung einer Sache die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den Schutz vertraulicher Informationen zu gewährleisten (BGH, Beschluss vom 16. November 2009 – X ZB 37/08, BGHZ 183, 153 = GRUR 2010, 318 Rn. 15 – Lichtbogenschnürung).

Diese Pflicht greift nicht nur bei der Entscheidung über den Anspruch auf Vorlage oder Besichtigung. Berechtigte Geheimhaltungsinteressen des Antragsgegners sind vielmehr auch in einem selbständigen Beweisverfahren zu berücksichtigen, in dem auf der Grundlage einer angeordneten Vorlage oder Besichtigung ein Sachverständigengutachten erstellt worden ist. Abweichend von den herkömmlichen Regeln eines selbständigen Beweisverfahrens darf ein solches Gutachten den Beteiligten nicht vorbehaltlos übermittelt werden. Begehrt der Antragsteller Aushändigung des Gutachtens an sich selbst, ist vielmehr zu entscheiden, inwieweit schützenswerte Interessen des Antragsgegners betroffen sind und das Geheimhaltungsinteresse überwiegt (aaO Rn. 35).

Will der Antragsgegner aus Gründen des Schutzes von Geschäfts- oder Privatgeheimnissen oder sonstigen schützenswerten Geheiminteressen verhindern, dass das Gutachten der gegnerischen Partei vollständig zur Kenntnis gebracht wird, hat er nach allgemeinen Darlegungs- und Beweislastgrundsätzen die tatsächlichen Voraussetzungen dafür darzutun. Die zur Wahrung der Geheiminteressen gebotenen Anordnungen sind dann auf Grund einer einzelfallbezogenen, umfassend alle beiderseitigen möglicherweise beeinträchtigten Interessen berücksichtigenden Würdigung zu treffen (aaO Rn. 37 f.).

Nach diesen Grundsätzen, die auch in einem Besichtigungsverfahren auf der Grundlage von § 24c GebrMG gelten, darf das Gericht über eine Herausgabe des Gutachtens mithin nur dann entscheiden, wenn der Antragsteller dies beantragt. Ablehnen darf es einen solchen Antrag nur dann, wenn der Antragsgegner Geheimhaltungsinteressen geltend macht. In beiden Konstellationen ist eine Entscheidung von Amts wegen folglich ausgeschlossen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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