Gerichtliche Fehler und beschränkte Berufung im Strafprozess

Wie ist zu verfahren, wenn eine Berufung dahingehend beschränkt wurde, dass das Gericht nur noch über die Rechtsfolgen zu entscheiden hat, gleichzeitig aber in der ersten Instanz ein Fehler bei der rechtlichen Würdigung vorlag? Das , 1 ORs 97/23, hat hierzu in einer Entscheidung ausgeführt, dass Subsumtionsfehler der Wirksamkeit einer erklärten Rechtsmittelbeschränkung nicht grundsätzlich entgegenstehen. Im Rahmen der ist jedoch der tatsächliche Schuldgehalt der Tat so weit wie möglich zu berücksichtigen. Das Berufungsgericht ist insoweit an die Feststellungen des Amtsgerichts zum Schuldumfang gebunden. Gleichwohl getroffene Feststellungen, die den Schuldumfang erweitern, dürfen der Strafzumessung jedenfalls nicht zugrunde gelegt werden, so das OLG.

Das OLG führt aus, warum die Wirksamkeit einer Beschränkung durch einen Subsumtionsfehler, also einen Fehler bei der rechtlichen Beurteilung, nicht berührt wird:

Zwar kann für den Fall, dass sich nach den getroffenen Feststellungen nur eine mindere Form der Strafbarkeit ergibt, der Rechtsmittelbeschränkung die Wirksamkeit zu versagen sein. Dies gilt namentlich dann, wenn der fehlerhafte Schuldspruch im Rahmen der Strafbemessung zu Lasten des Angeklagten einen höheren Strafrahmen vorgibt, als er nach der festgestellten Tat bei zutreffender rechtlicher Wertung zur Anwendung kommt (…). Darüber hinaus kann im Falle einer tateinheitlichen Verurteilung der Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung auch entgegenstehen, dass die Feststellungen die Annahme eines tateinheitlich verübten Deliktes nicht ausfüllen und der Angeklagte – wäre der Vorwurf alleine zur gelangt – insoweit freizusprechen wäre, auch wenn die Strafe dem tateinheitlich verwirklichten Tatbestand entnommen worden ist, dessen Vorliegen die Feststellungen belegen (SenE. v. 12.08.2022 – III-1 RBs 101/22 – juris).

Wie man damit bei der Strafzumessung in der Berufungsinstanz umgeht, macht das OLG auch deutlich:

Bei einer wirksamen Rechtsmittelbeschränkung erstreckt sich die Rechtskraftwirkung des erstinstanzlichen Urteils zunächst auf die Anwendbarkeit der Strafnorm und die normausfüllenden tatsächlichen Feststellungen (BGHSt 30, 340 [342] = NJW 1982, 1295; SenE v. 14.10.1988 – Ss 581/88 – = NStZ 1989, 90 = MDR 1989, 284; SenE v. 13.10.2000 – Ss 401/00 -).

Die Bindungswirkung erstreckt sich darüber hinaus aber auch auf Tatsachen, die (nur) den Schuldumfang betreffen (BGHSt 28, 119 [121]; BGHSt 30, 340 [343] = NJW 1982, 1295; SenE v. 10.02.1989 – Ss 41-42/89 – = OLGSt § 318 Nr. 7 = NStZ 1989, 339; SenE v. 28.12.2000 – Ss 536/00 – = VRS 100, 64 [66 f.]; SenE v. 16.07.2004 – Ss 301/04 -).

Das gilt namentlich für Feststellungen über das tatauslösende Moment und die Beweggründe für die Tatbegehung (Senat a.a.O.) sowie dazu, ob und in welchem Umfang die Vorteile aus einer Straftat dem Täter zugeflossen sind (SenE v. 19.04.2002 – Ss 154-155/02 -). Innerprozessuale Bindungswirkung entfalten demnach nicht nur Feststellungen zu den Tatbestandsmerkmalen, sondern auch jene Teile der Sachverhaltsdarstellung, die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben (vgl. BGHSt 30, 340; BayObLG BayObLGSt 1999, 83 = NStZ-RR 1999, 275 = NStZ 2000, 275 m. Anm. Kudlich = NStZ-RR 2000, 76 [K/R]; SenE v. 31.03.2000 – Ss 132/00 -; SenE v. 28.12.2000 – Ss 536/00 – = VRS 100, 64 [66 f.]; SenE v. 06.11.2001 – Ss 359/01 -; SenE v. 19.04.2002 – Ss 154-155/02 -).

Das Berufungsgericht hat die eingetretene Teilrechtskraft der Feststellungen zu beachten. Von ihm getroffene Feststellungen zum Schuldumfang dürfen zu den diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichts nicht in Widerspruch stehen (vgl. BGHSt 28, 119 = NJW 1979, 54BGHSt 30, 340 = NJW 1982, 1295; BGH, NStZ-RR 1996, 203, 204; Senat, NStZ-RR 1996, 309, 310, jeweils m.w.N.). Gleichwohl getroffene, den Feststellungen des Erstgerichts zuwiderlaufende Feststellungen des Berufungsgerichts dürfen jedenfalls seiner Strafzumessung nicht zugrunde gelegt werden (BGH, NStZ-RR 1996, 203, 204; Senat, a.a.O.; Paul in Karlsruher Kommentar, a.a.O., § 318 Rn. 9 m.w.N.).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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