BGH zu einer möglichen Sekundärübertragung von DNA

Im Fall des Bundesgerichtshofs (5 StR 434/22) ging es darum, dass das Landgericht in der Vorinstanz den Beweiswert einer DNA-Spur der Angeklagten in einer Mischspur am Verpackungsmaterial der Betäubungsmittel nicht ausreichend berücksichtigt hatte.

Der BGH weist darauf hin, dass bei einer DNA-Mischspur dargelegt werden muss, wie viele DNA-Systeme untersucht wurden, ob und in welchem Umfang Übereinstimmungen mit den DNA-Merkmalen der Angeklagten festgestellt wurden und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer anderen Person zu erwarten ist. Diese Angaben wurden in den Urteilsgründen nicht hinreichend mitgeteilt.

Sekundärübertragung?

Eine Sekundärübertragung von DNA bezieht sich auf das Phänomen, bei dem DNA-Material von einem Individuum oder einer Quelle indirekt auf ein anderes Objekt oder Individuum übertragen wird. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn DNA von einer Person zunächst auf einen Gegenstand wie ein Kleidungsstück oder eine übertragen wird und von dort auf eine andere Person oder in einen anderen Zusammenhang gelangt.

Im forensischen Kontext ist diese Art der Übertragung besonders relevant, da sie die Interpretation von DNA-Beweisen erschweren kann. Beispielsweise kann die DNA einer Person am Tatort gefunden werden, obwohl diese Person nie dort war, weil ihre DNA über einen Zwischengegenstand oder eine dritte Person dorthin gelangt ist. Das Verständnis und die Identifizierung sekundärer Übertragungen sind daher von entscheidender Bedeutung, um Fehlinterpretationen zu vermeiden und sicherzustellen, dass das Beweismaterial richtig gelesen wird.

Weiterhin fehlen dem als Revisionsgericht wichtige Gesichtspunkte zur Überprüfung der Annahme einer sekundären Übertragung, wie z.B. der Zusammenhang zwischen der DNA-Spur des Angeklagten und der Daumenabdruckspur des A. Es wird betont, dass eine sekundäre Übertragung unwahrscheinlich ist, wenn Spuren des vermeintlichen sekundären Übertragers fehlen.

Auch die vom Landgericht angeführte Erwägung, der Angeklagte selbst habe die Untersuchung möglicher DNA-Spuren angeregt, reiche nicht aus, um eine sekundäre Übertragung glaubhaft zu machen:

Weil das Landgericht auch nicht erörtert hat, wie sich der Fundort dieser DNA-Spur zu der ebenfalls festgestellten Daumenabdruckspur des A. verhält, fehlen dem Revisionsgericht wichtige Gesichtspunkte für die Überprüfung der Annahme einer Sekundärübertragung. Dies gilt auch, soweit im Urteil nicht angegeben wird, ob und gegebenenfalls welche weiteren Spuren an den Betäubungsmitteln und dem Verpackungsmaterial festgestellt wurden, und welche Erkenntnisse zu Anzahl und gegebenenfalls Identität der Mitverursacher der DNA-Mischspur vorgelegen haben. Solche Umstände sind aber von entscheidender Bedeutung. Denn eine Sekundärübertragung ist unwahrscheinlich, wenn Spuren des vorgeblichen Sekundärüberträgers völlig fehlen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 – 6 StR 120/21 Rn. 14).

Nichts Anderes kann gelten, wenn zwar eine Spur eines möglichen Sekundärüberträgers vorhanden ist (Daumenabdruck des A. ), zwischen dieser und einer festgestellten DNA-Spur (der Angeklagten) aber kein Zusammenhang erkennbar ist, so wie möglicherweise hier. Demgegenüber schließt die vom Landgericht in diesem Kontext angeführte Überlegung, dass die Angeklagte selbst im die Überprüfung möglicher DNA-Spuren angeregt habe, und es deshalb „fernliegend“ sei, dass sie mit dem Auffinden solcher Spuren gerechnet habe, sie als direkte Verursacherin der Spur nicht aus; eine Sekundärübertragung wird allein hierdurch nicht „plausibel“ (…)

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Sekundärübertragung tatsächlich stattgefunden haben kann, lassen sich den Urteilsgründen indes nicht entnehmen. Das Landgericht hat vielmehr Zweifeln Raum gegeben, die lediglich auf einer abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen. Ein auf Tatsachen beruhendes Geschehen, das Rückschlüsse auf einen möglichen Übertragungsweg zuließe, wird nicht mitgeteilt. 

Damit zeigt sich noch etwas, was die Verteidigung regelmäßig vor erhebliche Probleme stellt: Es soll dem Angeklagten obliegen, die Umstände darzulegen, die für eine Sekundärübertragung sprechen. Gerade in diesem Bereich kommt durch die Hintertüre also genau das, was man verhindern wollte, als die DNA lediglich als Indiz eingestuft wurde, in der Beweisführung: Dass man sich rechtfertigen muss für Körperzellen, die man nicht erklären kann.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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