Arbeitszeitkonto

Arbeitszeitkonto: Immer wieder gibt es Fragen zum Arbeitszeitkonto. Dabei hat das Bundesarbeitsgericht (5 AZR 676/11) in einer grundlegenden Entscheidung viele wesentlichen Fragen zum Arbeitszeitkonto klar gestellt. Auch im Übrigen ist das Arbeitszeitkonto immer wieder Gegenstand von Diskussionen, die häufigen Fragen rund um das Arbeitszeitkonto werden im Folgenden dargestellt.

Was ist ein Arbeitszeitkonto

Im Kern ist es einfach: Mit einem Arbeitszeitkonto werden die tatsächlich erbrachten Stunden des Arbeitnehmers, ausgehend von einer vereinbarten Stundenzahl, saldiert. Hierbei kann der sowohl Plusstunden als auch Minusstunden sammeln:

Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands (zB § 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 1 BUrlG, § 37 Abs. 2 BetrVG) nicht erbringen musste.

BAG, 5 AZR 676/11

Ein Arbeitszeitkonto muss zwingend Arbeitsvertraglich oder durch einen Tarifvertrag vereinbart sein, die einseitige Vorgabe durch den Arbeitgeber ist nicht möglich.

Nachträgliche Gutschrift auf Arbeitszeitkonto

Die nachträgliche Gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto setzt voraus, dass der Arbeitnehmer Arbeitsstunden erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste und diese bisher nicht vergütet und nicht in das Arbeitszeitkonto eingestellt wurden (dazu nur BAG, 7 AZR 224/15 und 5 AZR 617/15):

Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für Angaben, die ein durch Befreiung von der Arbeitspflicht auszugleichendes Zeitguthaben ausweisen. Auch hinsichtlich dieser Daten hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos und kann bei fehlerhaften Angaben eine Berichtigung verlangen (BAG 15. Februar 2012 – 7 AZR 774/10 – Rn. 20).

BAG, 7 AZR 829/16

Veränderungen am Arbeitszeitkonto durch den Arbeitgeber

Damit der Arbeitgeber Veränderungen vornehmen kann am Arbeitszeitkonto, muss in der zu Grunde liegenden Vereinbarung eine entsprechende Ermächtigung vorhanden sein, die dann durch weitere rechtliche Grundlagen die Möglichkeit zur Veränderung eröffnen:

Wegen dieser Dokumentationsfunktion darf der Arbeitgeber nicht ohne Befugnis korrigierend in ein Arbeitszeitkonto eingreifen und dort eingestellte Stunden streichen.

Neben der materiellrechtlichen Rechtfertigung muss die der Führung des Arbeitszeitkontos zugrunde liegende Vereinbarung (Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag) dem Arbeitgeber überhaupt die Möglichkeit eröffnen, in das Arbeitszeitkonto eingestellte und damit grundsätzlich streitlos gestellte (vgl. dazu BAG 28. Juli 2010 – 5 AZR 521/09 – Rn. 19, BAGE 135, 197) Arbeitsstunden wieder zu streichen.

BAG, 5 AZR 676/11

Was kann man tun wenn der Arbeitgeber zu Unrecht am Arbeitszeitkonto manipuliert?

Kürzt oder streicht der Arbeitgeber zu Unrecht ein Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf (Wieder-)Gutschrift der auf dem Arbeitszeitkonto gestrichenen Stunden:

Das Bundesarbeitsgericht hat bislang einen Anspruch des Arbeitnehmers auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos bejaht bzw. in Betracht gezogen, wenn das Arbeitszeitkonto nach der zugrunde liegenden Abrede der Vertragsparteien den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt (vgl. BAG 19. März 2008 – 5 AZR 328/07 – Rn. 10 mwN, AP BGB § 611 Feiertagsvergütung Nr. 1; 10. November 2010 – 5 AZR 766/09 – Rn. 16, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 17. November 2011 – 5 AZR 681/09 -). Doch muss ein Arbeitszeitkonto nicht stets einen Vergütungsanspruch verbindlich bestimmen, es kann auch – wie hier – für die Höhe eines Anspruchs auf Freizeitausgleich oder die Höhe eines Vorschusses maßgebend sein.

Unabhängig davon, ob ein Arbeitszeitkonto den Vergütungsanspruch oder sonstige Ansprüche maßgeblich bestimmt, kann der Arbeitnehmer stets verlangen, dass der Arbeitgeber, der aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag ein Arbeitszeitkonto für den Arbeitnehmer unterhält, dieses den vereinbarten Vorgaben entsprechend führt. Andernfalls vermag das Arbeitszeitkonto seinen Zweck, den zeitlichen Umfang der vom Arbeitnehmer erbrachten Hauptleistungspflicht zu dokumentieren, nicht zu erfüllen. Greift der Arbeitgeber zu Unrecht in den Saldo eines Arbeitszeitkontos ein, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Wiederherstellung des Status quo ante und damit auf (Wieder-)Gutschrift der aus dem Saldo seines Arbeitszeitkontos gestrichenen Stunden.

BAG, 5 AZR 676/11

Notwendiger Antrag beim Arbeitsgericht

Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“ bzw. in ein Arbeitszeitkonto Stunden „einzustellen“, ist mit dem BAG hinreichend bestimmt, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können und das Leistungsbegehren konkretisiert, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll (dazu BAG, 7 AZR 248/14 und 5 AZR 617/15). Der arbeitsgerichtliche Antrag ist also auf Gutschrift gerichtet:

Das Bundesarbeitsgericht hat bereits mehrfach entschieden, der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, sei hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können. Gleichermaßen könne der Arbeitnehmer die Korrektur eines oder mehrerer auf seinem Arbeitszeitkonto ausgewiesener Salden beantragen (BAG 10. November 2010 – 5 AZR 766/09 – Rn. 11 mwN, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 17. November 2011 – 5 AZR 681/09 -; BAG 6. Juli 2011 – 4 AZR 424/09 – Rn. 27, NZA 2012, 281). Allerdings ist dafür eine Konkretisierung des Leistungsbegehrens erforderlich, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll.

BAG, 5 AZR 676/11

Weist das Arbeitszeitkonto geleistete Mehr- oder Überarbeit aus oder solche Zeiten, die durch Freistellung von der Arbeitspflicht bei Fortzahlung der Vergütung auszugleichen sind, ist der iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt, wenn sich der Antrag auf eine Gutschrift von solchen Zeiten in einem genau angegebenen Umfang bezieht (BAG, 7 AZR 774/10).

Arbeitnehmer muss Minusstunden bei Kündigung finanziell ausgleichen

Das Bundesarbeitsgericht (5 AZR 334/99) hatte entschieden, dass ein negatives Guthaben auf einem Arbeitszeitkonto („Minusstunden“) einen Lohn- oder Gehaltsvorschuß des Arbeitgebers darstellt. Kann dann alleine der Arbeitnehmer darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang ein negatives Guthaben entsteht, hat er es im Falle der Vertragsbeendigung bei nicht rechtzeitigem Zeitausgleich finanziell auszugleichen, was dazu führt, dass der Arbeitgeber eine Verrechnung mit Vergütungsansprüchen vornehmen darf:

Bei einem negativen Zeitguthaben des Arbeitnehmers handelt es sich der Sache nach um einen Lohn- oder Gehaltsvorschuß des Arbeitgebers. Eine Zahlung durch den Arbeitgeber ist dann ein Vorschuß, wenn sich beide Seiten bei der Auszahlung darüber einig waren, daß es sich um eine Vorwegleistung handelt, die bei Fälligkeit der Forderung verrechnet wird (BAG 11. Juli 1961 – 3 AZR 216/60BAGE 11, 188 mwN). Dies ist hier der Fall. Mit der Vereinbarung der Parteien, das Arbeitszeitkonto der Klägerin dürfe auch einen negativen Stand bis zu 111 Stunden erreichen, hat die Klägerin konkludent ihre Einwilligung dazu erteilt, daß im Falle eines negativen Kontostandes die darin liegende Vorwegleistung der Beklagten mit späteren Vergütungsforderungen verrechnet wird. Dies stand offensichtlich auch für die Klägerin selbst so lange außer Frage, wie lediglich Mehrarbeitsstunden zum Ausgleich eines Negativguthabens benutzt wurden und sich eine Verrechnung finanziell nicht auswirkte, sondern nur einen Saldierungsvorgang darstellte.

Die einvernehmliche Einrichtung eines Arbeitszeitkontos enthält weiter die konkludente Abrede, daß das Konto spätestens mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszugleichen ist. Alles andere hätte einer ausdrücklichen Erklärung bedurft. Gelingt es nicht, ein negatives Guthaben rechtzeitig durch entsprechende Mehrarbeit auszugleichen, besteht vielmehr bei Vertragsende ein Negativsaldo, so hat der Arbeitnehmer das negative Guthaben finanziell auszugleichen. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers folgt eben daraus, daß es sich insoweit um eine Vorschußleistung des Arbeitgebers handelt. Der Arbeitnehmer kann mangels anderslautender Vereinbarung nicht davon ausgehen, der Arbeitgeber wolle auf eine finanzielle Erstattung verzichten, wenn der Ausgleich eines negativen Zeitguthabens durch Mehrarbeit nicht mehr möglich ist. Da allein der Arbeitnehmer über die Entstehung und den Ausgleich des Negativkontos zu entscheiden hatte, widerspräche dies den berechtigten Interessen des Arbeitgebers.

BAG, 5 AZR 676/11

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (3 Sa 493/11) konnte aber feststellen, dass der der Arbeitgeber nicht zur Verrechnung von „Minusstunden“ berechtigt ist, die aufgrund einer Unterschreitung der vereinbarten Wochenarbeitszeit aus betrieblichen Gründen entstanden sind, wenn er mit dem Arbeitnehmer keine wirksame Vereinbarung über ein Arbeitszeitkonto mit der Möglichkeit eines negativen Kontostands getroffen hat:

Die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos, insbesondere die Möglichkeit eines negativen Kontostandes, bedarf einer entsprechenden Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien. Ein Arbeitszeitkonto gibt den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und kann abhängig von der näheren Ausgestaltung in anderer Form den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ausdrücken. Die Belastung eines Arbeitszeitkontos mit Minusstunden setzt folglich voraus, dass der Arbeitgeber diese Stunden im Rahmen einer verstetigten Vergütung entlohnt hat und der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist, weil er die in Minusstunden ausgedrückte vorschussweise vergütet erhalten hat (BAG 26. Januar 2011 – 5 AZR 819/09 – Rn. 13, NZA 2011, 640). Eine Zahlung durch den Arbeitgeber ist dann ein Vorschuss, wenn sich beide Seiten bei der Auszahlung darüber einig waren, dass es sich um eine Vorwegleistung handelt, die bei Fälligkeit der Forderung verrechnet wird (BAG 13. Dezember 2000 – 5 AZR 334/99 – Rn. 36, NZA 2002, 390). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer allein darüber entscheiden kann, ob eine Zeitschuld entsteht und er damit einen Vorschuss erhält. Hingegen kommt es zu keinem Vergütungsvorschuss, wenn sich der das Risiko der Einsatzmöglichkeit bzw. des Arbeitsausfalls tragende Arbeitgeber nach § 615 Satz 1 und 3 BGB im Annahmeverzug befunden hat (BAG 26. Januar 2011 – 5 AZR 819/09 – Rn. 13, NZA 2011, 640).

BAG, 5 AZR 676/11
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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