Arbeitsrecht: Zur Wirksamkeit einer Vertragsstrafeklausel in einem Arbeitsvertrag

Vertragsstrafen sind in einem Arbeitsvertrag gar nicht so ungewöhnlich – es gibt viele Gründe, warum man auch gegenüber Arbeitnehmern so etwas vorsehen sollte. Die Vereinbarung von Vertragsstrafen ist im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument so verbreitet, dass ihre Aufnahme in Formularverträge regelmäßig nicht überraschend ist (BAG, 8 AZR 645/09 und 8 AZR 332/21). Das bedeutet, die Wirksamkeit einer Klausel über eine in einem Arbeitsvertrag hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Äußere Gestaltung

Schon das äußere Erscheinungsbild des Arbeitsvertrages kann für oder gegen einen Überraschungseffekt sprechen. Ist unter der Überschrift „Vertragsdauer, Kündigung“ eine Vertragsstrafenklausel vorgesehen, die unter bestimmten Umständen einer Kündigung des Arbeitnehmers verwirkt werden soll, steht dies der Wirksamkeit nicht entgegen (BAG, 8 AZR 332/21).

Vertragsstrafe im Arbeitsvertrag und § 309 Nr. 6 BGB

Die Regelung einer Vertragsstrafe in einem Arbeitsvertrag ist auch nicht gemäß § 309 Nr. 6 BGB unwirksam. Zwar sind nach dieser Vorschrift Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder der Kündigung des Vertrages durch den anderen Teil die Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird.

Nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB ist jedoch bei der Anwendung auf Arbeitsverträge den Besonderheiten des Arbeitsrechts angemessen Rechnung zu tragen. Dies hat zur Folge, dass § 309 Nr. 6 BGB auf arbeitsvertragliche Vertragsstrafenabreden nicht anwendbar ist und sich eine Unwirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung nur aus § 307 BGB ergeben kann, wobei allerdings zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. BAG, 8 AZR 196/03 und 8 AZR 332/21).

Verstoß gegen das Transparenzgebot

Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar, verständlich und durchschaubar darzustellen. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Das Transparenzgebot soll der Gefahr vorbeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Die Voraussetzungen und der Umfang der Leistungspflicht müssen daher so bestimmt oder zumindest so bestimmbar sein, dass der Vertragspartner des Verwenders bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was auf ihn zukommt (BAG, 8 AZR 378/16 und 6 AZR 671/15).

Für die gebotene Transparenz ist es im Übrigen unschädlich, dass nicht ausdrücklich geregelt ist, dass die Vertragsstrafe nur dann verwirkt ist, wenn die Vertragsverletzung auf einem Verschulden des Arbeitnehmers beruht. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Regelung der juristische Fachbegriff „Vertragsstrafe“ zugrunde liegt (BAG, 8 AZR 645/09). Zudem ist eine Vertragsstrafenregelung in allgemeinen Geschäftsbedingungen nur transparent i.S.d.. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn die Höhe der im Falle eines Verstoßes zu zahlenden Vertragsstrafe eindeutig bestimmt ist (vgl. BAG, 8 AZR 65/05).

Fazit: Eine Vertragsstrafenregelung in allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nur transparent iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn das die Vertragsstrafe auslösende Fehlverhalten des Arbeitnehmers präzise beschrieben ist (vgl. BAG, 8 AZR 130/13).

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Beispiel zur Vertragsstrafe im Arbeitsvertrag beim LAG Mainz

Früher hatte sich etwa das Landesarbeitsgericht Mainz (5 Sa 531/14) zur Wirksamkeit einer Vertragsstrafeklausel in einem Arbeitsvertrag mit einem geäußert. Es stellte beispielhaft dar, woe eine Vertragsstrafe, die per AGB in einem Arbeitsvertrag vorgesehen ist, nicht per se unzulässig ist: Aus der Entscheidung:

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Berufungskammer folgt, sind Vertragsstrafenabreden in formularmäßigen Arbeitsverträgen grundsätzlich zulässig. Dabei ist zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BAG 23.01.2014 – 8 AZR 130/13 – Rn. 21 mwN, NZA 2014, 777; BAG 19.08.2010 – 8 AZR 645/09 – Rn. 38 ff mwN, AP BGB § 307 Nr. 49).

Die Vertragsstrafenabrede ist nicht unwirksam, weil sie der „bloßen Schöpfung von Geldquellen“ dient, wie der Beklagte behauptet. Er verkennt, dass Vertragsstrafenabreden den Arbeitnehmer nicht schon generell unangemessen benachteiligen. Die Vertragsstrafe sichert das berechtigte Bedürfnis des Arbeitgebers, eine arbeitsvertragswidrige und schuldhafte Nichtaufnahme oder Beendigung der Arbeitstätigkeit seitens des Arbeitnehmers zu vermeiden. Ebenso soll die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes (§ 626 BGB) verhindert werden.

Das Interesse des Arbeitgebers an einer Vertragsstrafenregelung ist anerkennenswert. Der Arbeitnehmer wird auch nicht unangemessen benachteiligt, weil es an ihm liegt, seine Hauptpflichten zu erbringen. Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse an der Einhaltung der arbeitsvertraglichen Hauptpflicht, während der Arbeitnehmer in der Regel weder ein Recht noch ein schützenswertes Interesse daran hat, den Arbeitsvertrag zu brechen (vgl. BAG 19.08.2010 – 8 AZR 645/09 – Rn. 42, aaO; BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – Rn. 50 mwN, AP BGB § 309 Nr. 4).

Die Vertragsstrafenabrede in § 12 des Arbeitsvertrags ist gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auch nicht deshalb unwirksam, weil sie eine unangemessene Benachteiligung des Beklagten darstellt. Die Regelung ist hinreichend bestimmt und lässt den Arbeitnehmer erkennen, unter welchen Voraussetzungen die Vertragsstrafe verwirkt ist. Aus der Vertragsklausel ergibt sich, dass eine Vertragsstrafe in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalts zu zahlen ist, wenn der Arbeitnehmer die Tätigkeit schuldhaft nicht aufnimmt. Dieser Inhalt der Klausel ist für den Arbeitnehmer erkennbar.

Der Beklagte hat diesbezüglich auch keine Bedenken geltend gemacht. Die vorgesehene Vertragsstrafe ist auch nicht unangemessen hoch. Eine Vertragsstrafe in Höhe der Arbeitnehmerbezüge bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für den Fall des Nichtantritts der Arbeit ist grundsätzlich angemessen (vgl. BAG 19.08.2010 – 8 AZR 645/09 – Rn. 43, 44 aaO; BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08 – Rn. 54 mwN, aaO). Im Streitfall übersteigt die Vertragsstrafe die Vergütung für die in der Probezeit geltende Kündigungsfrist von zwei Wochen nicht. Damit entspricht das in der Vertragsstrafenabrede zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Interesse der Klägerin der durch die Kündigungsfrist konkretisierten Bindung der Parteien aneinander.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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