Zustimmungspflichtige Nutzung bei Einsatz von Software im Cloud-Computing?

Das OLG Frankfurt (11 U 36/18) hat zu der Frage Stellung genommen, ob eine Vervielfältigung i.S.d. § 69c Nr. 1 UrhG auch dann vorliegt, wenn die Nutzung einer Software im Wege des Cloud Computing zu einer (technischen) Vervielfältigung nicht auf Rechnern im Bereich des Nutzers, sondern auf fremden Servern führt, die sich im Einflussbereich des Nutzungsberechtigten befinden.

Diese Frage ist bislang nicht höchstrichterlich entschieden. In der Literatur wird hierzu teilweise die Auffassung vertreten, dass keine Vervielfältigung durch den Nutzer vorliegt, wenn der zugreifende Client keine Kopie in den Arbeitsspeicher seines Rechners erhält oder eine Vervielfältigung des Programms ausschließlich auf dem Server des Diensteanbieters erfolgt.

Grundsätzlich stellt das Laden eines Programms in den Arbeitsspeicher eines anderen Computers nach allgemeiner Auffassung eine Vervielfältigung im Sinne von § 69c Nr. 1 UrhG dar. Tragender Gedanke ist dabei, dass durch dieses Laden eines Programms in den Arbeitsspeicher eines Computers eine weitere Nutzung des Programms durch weitere Programmkopien ermöglicht wird.

Das OLG ist nun der Auffassung, dass die Beantwortung der Frage, ob beim Cloud Computing eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigungshandlung vorliegt, nicht allein davon abhängig gemacht werden kann, in wessen Einflussbereich sich der Computer befindet, auf dem die Vervielfältigung erfolgt.

Nach § 69c Nr. 1 Satz 2 UrhG ist die Zustimmung des Rechtsinhabers immer dann erforderlich, wenn das „Laden, Anzeigen, Ablaufen, Übertragen oder Speichern“ des Programms eine Vervielfältigung erfordert. Das Vervielfältigungsrecht gehört zu den grundlegenden Verwertungsrechten des Urhebers (§§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG). Eine Vervielfältigung hat grundsätzlich zur Folge, dass das Vervielfältigungsstück in gleicher Weise wie das Werk selbst genutzt (z.B. betrachtet, gelesen, gehört ….) werden kann. Sie ermöglicht also einen zusätzlichen Werkgenuss.

Vor diesem Hintergrund ist auch die ratio des § 69c Nr. 1 UrhG zu sehen: Der bloße „Werkgenuss“ stellt auch bei Computerprogrammen keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung dar. Hat ein Nutzer ein Programm rechtmäßig erworben und stationär auf seinem eigenen PC installiert, so wird kein Urheberrecht verletzt, wenn er einen Dritten auf diesem PC mit diesem Programm arbeiten lässt, ebenso wenig, wenn er einen Dritten dort einen von ihm erworbenen Film ansehen lässt (das OLG verweist insoweit auf BGH, I ZR 139/89). Urheberrechtlich relevant wird die Nutzung durch den Dritten erst dann, wenn diesem durch eine Vervielfältigung des Programms eine weitere Nutzung ermöglicht wird. Dieser Gesetzeszweck greift nach Auffassung des OLG aber unabhängig davon ein, in wessen Sphäre die für die zusätzliche Nutzung erforderliche Vervielfältigung erfolgt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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