Vermögensarrest und strafrechtliche Einziehung im Kontext von Schwarzarbeit

Die Bekämpfung von und Sozialversicherungsbetrug stellt eine zentrale Herausforderung für die Justiz dar. Besonders häufig geraten Unternehmen ins Visier der Strafverfolgungsbehörden, die systematisch beschäftigen, ohne Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß abzuführen.

Ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts Brandenburg (Az.: 1 Ws 141/24) befasst sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein gegen einen Unternehmer verhängt werden kann, der sich mutmaßlich des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) schuldig gemacht hat.

Sachverhalt

Im Zentrum des Falls steht ein Gastronom, der zwei indische Restaurants betrieb und über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren mindestens 16 Personen beschäftigte. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautete, dass der Unternehmer in insgesamt 25 Fällen Sozialversicherungsbeiträge nicht ordnungsgemäß abgeführt habe. Die Ermittler kamen ihm auf die Spur, als eine betriebswirtschaftliche Plausibilitätsprüfung ergab, dass die Anzahl der offiziell gemeldeten Mitarbeiter nicht ausreichte, um den laufenden Betrieb in den regulären Öffnungszeiten aufrechtzuerhalten. Aussagen von Angestellten stützten diesen Verdacht, da sie berichteten, Stundenlohnzettel unterschrieben zu haben, auf denen weniger Stunden vermerkt waren, als sie tatsächlich gearbeitet hatten. Teilweise sollen die Unterschriften sogar von Dritten gefälscht worden sein.

Das Amtsgericht Potsdam verurteilte den Gastronom zunächst zu einer von 180 Tagessätzen und ordnete die eines Geldbetrags in Höhe von 47.927,18 € an. Um die spätere Vollstreckung dieser Einziehung zu sichern, beantragte die Staatsanwaltschaft Potsdam beim Landgericht einen Vermögensarrest gegen den Angeklagten. Diesem Antrag wurde in erster Instanz nicht stattgegeben, da das Gericht keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine drohende Vereitelung der Vollstreckung sah. Nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft hob das OLG Brandenburg diese Entscheidung auf und ordnete den Vermögensarrest an.

Rechtliche Analyse

Die Entscheidung des OLG Brandenburg ist von erheblicher Bedeutung, da sie sich intensiv mit den Voraussetzungen eines Vermögensarrests auseinandersetzt und die Bedeutung der strafrechtlichen Einziehung nach §§ 73 ff. StGB hervorhebt.

1. Voraussetzungen des Vermögensarrests

Ein Vermögensarrest gemäß § 111e dient der Sicherung der Einziehung von Taterträgen. Er setzt voraus, dass ein hinreichender Tatverdacht besteht, dass der Betroffene durch eine Straftat wirtschaftliche Vorteile erlangt hat. Zudem muss die Maßnahme erforderlich sein, um die spätere Vollstreckung der Einziehung nicht zu gefährden.

Das OLG Brandenburg kam zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen für die Anordnung eines Vermögensarrests gegeben waren. Zum einen lag ein dringender Tatverdacht vor, da bereits in erster Instanz festgestellt wurde, dass der Gastronom über einen längeren Zeitraum hinweg systematisch Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten hatte. Zum anderen bestand ein Sicherungsbedürfnis, weil sich Anhaltspunkte ergaben, dass der Beschuldigte sein Vermögen beiseiteschaffen könnte. So ergaben die Ermittlungen, dass auf den Geschäftskonten des Angeklagten nahezu ausschließlich Zahlungseingänge über Lieferdienst-Plattformen registriert wurden, während Barumsätze, die in der Gastronomie üblich sind, kaum nachvollziehbar waren. Dies ließ darauf schließen, dass Bargeld bewusst dem Zugriff der Behörden entzogen wurde.

2. Verhältnismäßigkeit des Arrests

Eine zentrale Frage war die Verhältnismäßigkeit des Vermögensarrests. Nach der Rechtsprechung darf ein solcher nur angeordnet werden, wenn er zur Sicherung der späteren Einziehung erforderlich ist und der Eingriff in das Eigentum des Betroffenen nicht übermäßig erscheint. Das Gericht argumentierte, dass die Maßnahme insbesondere deshalb gerechtfertigt sei, weil sich der Angeklagte nicht nur einer Straftat schuldig gemacht habe, sondern auch konkrete Anhaltspunkte für eine drohende Vermögensverschiebung bestünden. So hatte er im Rahmen seiner Vernehmung angegeben, seine Restaurants nach Ablauf des Mietvertrags aufgeben zu wollen, was den Verdacht nahelegte, dass er Vermögenswerte dem Zugriff der Justiz entziehen könnte.

3. Bedeutung der Einziehung nach § 73 StGB

Die Entscheidung unterstreicht die zunehmende Bedeutung der strafrechtlichen Einziehung als Mittel zur Abschöpfung von rechtswidrig erlangten Vermögenswerten. In Fällen wie diesem, in denen Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge bewusst nicht abführen, wird die Einziehung des erlangten Betrags angeordnet, um den wirtschaftlichen Vorteil der Tat zu neutralisieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Gelder noch konkret vorhanden sind oder bereits ausgegeben wurden – entscheidend ist allein, dass der Täter durch die Straftat einen finanziellen Vorteil erzielt hat.

Ein entscheidender Aspekt ist dabei die sogenannte Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB. Da die ursprünglich erlangten Gelder nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustand vorhanden waren, wurde stattdessen ein gleichwertiger Geldbetrag zur Einziehung bestimmt. Dies stellt sicher, dass sich Straftaten wirtschaftlich nicht lohnen und unrechtmäßige Gewinne konsequent abgeschöpft werden.

Bewertung der Entscheidung

Der Beschluss des OLG Brandenburg verdeutlicht die wachsende Bedeutung des Vermögensarrests in wirtschaftsstrafrechtlichen Verfahren. Unternehmen, die Sozialversicherungsbeiträge hinterziehen, müssen nicht nur mit strafrechtlichen Sanktionen, sondern auch mit erheblichen finanziellen Konsequenzen rechnen. Die Entscheidung zeigt, dass die Gerichte zunehmend dazu übergehen, Vermögenswerte frühzeitig zu sichern, um eine spätere Vollstreckung nicht zu gefährden.

Vermögensarrest und strafrechtliche Einziehung im Kontext von Schwarzarbeit - Rechtsanwalt Ferner

Für Unternehmer bedeutet dies, dass sie bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern höchste Sorgfalt walten lassen müssen. Die bewusste Falschdeklaration von Arbeitszeiten oder das Unterschlagen von Sozialabgaben kann nicht nur zu empfindlichen Geldstrafen, sondern auch zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen führen. Auch für Gläubiger und Sozialversicherungsträger ist die Entscheidung bedeutsam, da sie zeigt, dass die Justiz bereit ist, entschlossen gegen die unrechtmäßige Bereicherung durch Schwarzarbeit vorzugehen.

Fazit

Der Beschluss des OLG Brandenburg bestätigt die strenge Linie der Gerichte bei der Bekämpfung von Sozialversicherungsbetrug. Die Anordnung eines Vermögensarrests setzt keinen dringenden Tatverdacht, sondern lediglich einen einfachen Tatverdacht voraus, sofern hinreichende Anhaltspunkte für eine drohende Vermögensverschiebung bestehen. Die Entscheidung unterstreicht, dass die strafrechtliche Einziehung ein effektives Instrument zur Abschöpfung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte ist und Schwarzarbeit für Täter zunehmend unattraktiv macht. Wer sich als Arbeitgeber gesetzeswidrig verhält, riskiert nicht nur strafrechtliche Sanktionen, sondern auch massive finanzielle Konsequenzen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft. Ich bin Softwareentwickler, in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

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