Übertarifliche Zulagen: Wann ist ein Widerruf im Formulararbeitsvertrag wirksam vorbehalten?
Die Vertragsklausel in einem Formulararbeitsvertrag, nach der dem Arbeitgeber das Recht zustehen soll, „übertarifliche Lohnbestandteile jederzeit unbeschränkt zu widerrufen“, ist unwirksam.
Urteil BAG, 5 AZR 364/04
So entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines Arbeitnehmers, der nach dem Arbeitsvertrag Anspruch auf eine außertarifliche Zulage und Fahrtkostenersatz hatte. In dem Vertrag heißt es, die Firma habe das Recht, „diese übertariflichen Lohnbestandteile jederzeit unbeschränkt zu widerrufen“. Als der Arbeitnehmer unter Bezugnahme auf diesen Widerrufsvorbehalt die genannten übertariflichen Leistungen widerrief, zog der Arbeitnehmer vor Gericht. Hier wollte er den Widerruf für unwirksam erklären lassen.
Das BAG gab dem Arbeitnehmer Recht. Zwar seien die vorliegenden Vergütungsbestandteile, die als übertarifliche Leistungen mit Rechtsanspruch (nicht bloß freiwillige Leistungen i.e.S.) zu bewerten seien, grundsätzlich widerruflich. Der Widerruf sei nur unwirksam, wenn er für den anderen Teil unzumutbar sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da durch den Widerruf der Tariflohn nicht unterschritten werde und der Schutz gegenüber Änderungskündigungen nicht umgangen werde. Die Grenze sei erst erreicht, wenn der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25 bis 30 v.H. liege. Der Widerrufsvorbehalt scheitere nach Auffassung des BAG jedoch daran, dass die Vertragsregelung der Parteien den formellen Anforderungen nicht genüge. Die Bestimmung müsse klar und verständlich sein. Die Bestimmung müsse die Angemessenheit und Zumutbarkeit erkennen lassen. Es müsse sich entsprechend aus der Regelung selbst ergeben, dass der Widerruf nicht ohne Grund erfolgen dürfe. Voraussetzungen und Umfang der vorbehaltenen Änderungen müssten möglichst konkretisiert werden. Die widerrufene Leistung müsse nach Art und Höhe eindeutig sein, damit der Arbeitnehmer erkennen könne, was ggf. „auf ihn zukomme“. Bei den Widerrufsgründen müsse zumindest die Richtung angegeben werden, aus der der Widerruf möglich sein soll (wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers). Da vorliegend der Arbeitsvertrag keine Widerrufsgründe nenne, sondern der Arbeitgeber das Recht haben solle, die übertariflichen Leistungen „jederzeit unbeschränkt“ zu widerrufen, sei die Vertragsklausel unwirksam
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