Tatbestandsberichtigungsantrag nach Teilerlass einstweiliger Verfügung ersetzt nicht Parteizustellung

Dass ein Tatbestandsberichtigungsantrag nach Teilerlass einer einstweiligen Verfügung hinsichtlich des erlassenen Verfügungsteils kein Äquivalent für eine Parteizustellung zur Vollziehung einer einstweiligen Verfügung ist, konnte das Oberlandesgericht Düsseldorf, 16 U 263/22, unterstreichen.

Das OLG stellt klar, dass die unterbliebene Vollziehung einer einstweiligen Verfügung durch Parteizustellung auch nicht durch einen Tatbestandsberichtigungsantrag ersetzt werden kann oder durch das eingeleitete Tatbestandsberichtigungsverfahren entbehrlich wird. Die Frage, ob eine fristgerechte Vollziehung erfolgt ist, kann nicht von den Umständen des Einzelfalls oder von einer Ermessensentscheidung abhängig gemacht werden:

Zwar ist denkbar, dass dem Zweck des § 929 Abs. 2 Satz 1 ZPO außer durch Parteizustellung durch den Gläubiger auch in anderer, seinen Vollziehungswillen hinreichend deutlich zum Ausdruck bringender Weise genügt werden kann (siehe OLG Köln, Urteil vom 13. Oktober 2017 – I-6 U 83/17, juris, Rn. 27). Insoweit wird oftmals formuliert, dass außer der Parteizustellung auch andere, ähnlich formalisierte und leicht feststellbare Maßnahmen in Betracht kommen können (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 – IX ZR 36/92, juris, Rn. 41; Mayer, in: BeckOK ZPO, Stand: 01.12.2022, § 936 Rn. 18 m.w.N.). Damit ist aber in erster Linie die Beantragung der Festsetzung von Ordnungsmitteln innerhalb der Vollziehungsfrist angesprochen (siehe BGH, Urteile vom 13. April 1989 – IX ZR 148/88, juris, Rn. 26, vom 25. Oktober 1990 – IX ZR 211/89, juris, Rn. 9, und vom 22. Oktober 1992 – IX ZR 36/92, juris, Rn. 19).

Ein Tatbestandsberichtigungsantrag ist hiermit nicht vergleichbar. Dieser richtet sich nicht gegen den Antragsgegner, sondern gegen die vom Gericht getroffenen tatbestandlichen Feststellungen. Ihm fehlt damit ein vollstreckungsrechtliches Element (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. Oktober 1992 – IX ZR 36/92, juris, Rn. 24). Er ist der Verfügungsbeklagten hier zudem erneut nur vom Gericht zur Kenntnis gebracht worden.

Den Weg einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt hat die Verfügungsklägerin nicht beschritten. Damit kann der Tatbestandsberichtigungsantrag nicht als ein Äquivalent für die Parteizustellung verstanden werden. Die Kundgabe des Willens, von dem erstrittenen Titel Gebrauch zu machen, muss notwendigerweise vom Gläubiger ausgehen und dem Schuldner gegenüber erfolgen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. März 2016 – 6 U 38/16, juris, Rn. 15). Das geschieht bei einem Tatbestandsberichtigungsantrag, der den übrigen Verfahrensbeteiligten von Amts wegen zugestellt wird, nicht.


Durchgreifende Zweifel an der Dringlichkeit des weiterverfolgten Anspruchs ergaben sich für das OLG dann aus dem Umgang mit der anteilig erlassenen einstweiligen Verfügung, deren Vollziehung unterlassen wurde. Ein solches Verhalten nach (Teil-)Erlass einer einstweiligen Verfügung könne bei der Frage der Dringlichkeit berücksichtigt werden:

Durch die unterlassene Vollziehung des vom Landgericht erlassenen Teils der einstweiligen Verfügung hat die Verfügungsklägerin zum Ausdruck gebracht, dass die Sache insgesamt nicht eilig durchgesetzt werden muss. Diese Annahme ist deshalb gerechtfertigt, weil das Kanzleikonto mit den Endnummern 68, auf das sich jener der Verfügungsklägerin günstige Teil des landgerichtlichen Urteils bezieht, dasjenige ist, auf dem die Verfügungsbeklagte das Gros aller Geldbeträge verbucht hat, die zwischen den Parteien im Streit stehen.

Es handelt sich um einen insgesamt siebenstelligen Geldbetrag, nämlich 2.469.895,94 €. Eine nach Schließung des Eingangskontos mit den Endnummern 88 daneben allenfalls noch in Betracht kommende bezüglich des Auszahlungskontos mit den Endnummern 39 hat im Vergleich dazu kaum wirtschaftliches Gewicht. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gab einer der geschäftsführenden Partner der Verfügungsbeklagten für dieses Konto einen Kontostand von 240.078,98 € zum 14. Oktober 2022 an. Es kommt hinzu, dass es die Verfügungsbeklagte in der Hand hat, diesem Konto keine weiteren Gelder mehr zuzuführen, die auf dem Kanzleikonto mit den Endnummern 68 im Zusammenhang mit den einstmals übernommenen Mandaten noch eingehen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
Benutzerbild von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht / Technologierecht - ergänzt um Arbeitsrecht.