Was muss ein Vorstand belegen, um eine Vergütung abzurechnen: Das Oberlandesgericht München hat in einer kürzlich ergangenen Entscheidung (OLG München, Endurteil vom 21.02.2024 – 7 U 3629/22) die Anforderungen an die Belegung und Dokumentation der Arbeitszeit durch Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft thematisiert.
Diese Entscheidung bietet wichtige Einblicke in die Pflichten der Vorstände bezüglich der Nachweisführung ihrer Tätigkeiten, insbesondere wenn es um die Vergütung von Leistungen geht, die über das gewöhnliche Maß hinausgehen. Zugleich zeigt sie, dass die Rechtsprechung – nachdem man aus seinem verbeamteten Blickwinkel hinaus bereits bei Anwälten den Bogen überspannt hat – nun bei einer zunehmenden Zahl von Berufsgruppen das Maß verliert.
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall forderte ein Vorstandsmitglied einer AG zusätzliche Vergütungen für Leistungen, die es außerhalb seiner regulären Vorstandsaufgaben erbracht hatte. Der Vorstand behauptete, dass diese zusätzlichen Aufgaben nicht durch den bestehenden Anstellungsvertrag abgedeckt seien und daher gesondert vergütet werden müssten.
Rechtliche Analyse
Das Gericht stellte hohe Anforderungen an die Beweisführung des Klägers. Es betonte, dass Vorstandsmitglieder nicht nur ihre Aufgaben effektiv erfüllen müssen, sondern auch die Pflicht haben, ihre Arbeitszeit und die Natur ihrer zusätzlichen Aufgaben genau zu dokumentieren.
Die Gerichtsentscheidung macht deutlich, dass die bloße Behauptung, zusätzliche Leistungen erbracht zu haben, ohne eine detaillierte Dokumentation und klare Nachweise, nicht ausreichend ist, um Ansprüche auf zusätzliche Vergütungen zu stützen.
Implikationen für die Vorstandsarbeit?
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts München zur Nachweis- und Belegpflicht der Vorstandsvergütungen für über das normale Maß hinausgehende Tätigkeiten wirft wichtige Fragen bezüglich der Überwachungspflichten und der Compliance im Rahmen der Unternehmensführung auf: So betont sie im Ergebnis die Notwendigkeit für Vorstände, nicht nur ihre eigenen Tätigkeiten zu dokumentieren – sondern auch sicherzustellen, dass die Unternehmensführung insgesamt den regulatorischen Anforderungen und internen Richtlinien entspricht.
Auf keinen Fall sind dabei allgemeine Ausführungen (wie etwa „Vorbereitung Gespräch“) in allzu abstrakter Form geeignet, um einen Zeitaufwand nachvollziehbar zu gestalten:
Darüber hinaus können an die substanziierte Darlegung der geltend gemachten Stunden beim Vorstand einer AG keine geringeren Anforderungen gestellt werden als bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Honorarvereinbarung eines Rechtsanwalts mit seinem Mandanten.
Denn beim ausschließlichen Abstellen auf den Zeitaufwand muss die nahe liegende Gefahr ins Auge gefasst werden, dass dem Aufsichtsrat der tatsächliche Aufwand des Vorstands verborgen bleibt und ein unredlicher Vorstand deshalb ihm nicht zustehende Zahlungen beansprucht. Insoweit ist die Gefahr, der begegnet werden muss, keine andere als im Verhältnis des Anwalts zu seinem Mandanten (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 04.02.2010 – IX ZR 18/09, Rdnr. 77).
Aus diesem Grund erfordert eine schlüssige Darlegung der geltend gemachten Stunden, dass über pauschale Angaben hinaus die während des abgerechneten Zeitintervalls getroffenen Maßnahmen konkret und in nachprüfbarer Weise dargelegt werden. Insoweit ist deshalb anzugeben, in welchen Handlungen die Vorbereitung von Gesprächen mit Interessenten bestand, zu welche Themen sodann mit welchem Gesprächspartner wann eine Besprechung oder eine fernmündliche Unterredung geführt wurde und welche Unterlagen zusammengestellt und/oder präsentiert wurden. Pauschale Angaben wie „Zusammenstellung Unterlagen und eine Präsentation“, „Vorbereitung Gespräch“, „Besprechung bzw. Telko“ reichen nicht aus (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen BGH, Urteil vom 04.02.2010 – IX ZR 18/09, Rdnr 79). Bei den Besprechungen und Gesprächen ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, was darin konkret erörtert wurde. Die Angabe „Aktivitäten Reversed IPO“ ist nicht hinreichend.
Vorstandspflichten
Diese Pflichten umfassen bekanntlich die sorgfältige Kontrolle und Überprüfung aller unternehmensinternen Prozesse und Systeme, um die Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben und internen Richtlinien sicherzustellen Vorstände müssen aktiv Maßnahmen ergreifen, um eine lückenlose Dokumentation und Rechenschaftslegung zu gewährleisten.
Dies beinhaltet einerseits Implementierung sowie Aufrechterhaltung effektiver Kontrollsysteme zur Überwachung der Tätigkeiten innerhalb des Unternehmens — andererseits Schulung und Anleitung von Mitarbeitern bezüglich der Compliance-Anforderungen und der Bedeutung genauer Zeit- und Aufgabenprotokollierung.
Compliance-Anforderungen
Die gerichtliche Entscheidung macht deutlich, dass eine genaue Dokumentation der Vorstandstätigkeiten nicht nur eine Frage der Vergütung, sondern auch ein zentraler Aspekt der Compliance ist. Compliance im Kontext der Vorstandstätigkeiten beinhaltet – dies sollte nichts neues sind
- Die genaue Einhaltung aller relevanten gesetzlichen Bestimmungen, die die Unternehmensführung betreffen.
- Die Sicherstellung, dass alle Entscheidungen und Tätigkeiten des Vorstands den höchsten Standards ethischer Unternehmensführung entsprechen.
Und wozu führt dies nun konkret mit Blick auf die Abrechnung durch Vorstände? Aus der Entscheidung des OLG München ergeben sich wesentliche Implikationen für die Unternehmensführung im Umgang mit Abrechnungen durch Vorstände. Dies sollte man auch besonders ernst nehmen, mit Blick darauf, dass mangelnde Kontrolle schnell zum strafrechtlichen Komplex der Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht führen könnte:
- Stärkere Überwachung: Vorstände müssen möglicherweise ihre Überwachungssysteme stärken, um sicherzustellen, dass alle Bereiche des Unternehmens effektiv überwacht werden und alle Tätigkeiten rund um die Abrechnung von Vorständen adäquat dokumentiert sind.
- Verbesserte Compliance-Strukturen: Unternehmen dürften gezwungen sein, ihre Compliance-Strukturen zu überdenken und zu verbessern, um der Notwendigkeit einer präzisen Dokumentation und Nachweisführung einzelner Vorstände gerecht zu werden.
- Risikomanagement: Das Risikomanagement muss intensiviert werden, um potenzielle Rechtsverletzungen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Dabei wird man berücksichtigen müssen, dass Vorstände die internen Strukturen genau kennen und möglicherweise „Abkürzungen“ in der Struktur zielgerichtet nutzen.
Fazit und Auswirkungen
Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung von Transparenz und sorgfältiger Dokumentation in der Unternehmensführung. Vorstände müssen sicherstellen, dass alle Tätigkeiten, die über die im Anstellungsvertrag festgelegten Pflichten hinausgehen und für die eine zusätzliche Vergütung erwartet wird, klar definiert und dokumentiert sind. Dazu gehört auch eine genaue Erfassung des Zeitaufwands und der konkreten Aufgaben.
Die Entscheidung des OLG München hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Unternehmensführung, da sie die Verantwortung des Vorstands für die ordnungsgemäße Abrechnung und Nachweisführung seiner Tätigkeit betont. Sie mahnt Vorstände und Geschäftsführer zur Vorsicht und dient als Erinnerung daran, dass eine gründliche Dokumentation nicht nur eine rechtliche Notwendigkeit ist, sondern auch eine wesentliche Grundlage für das Vertrauen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat sowie den Aktionären darstellt.
Sie wirkt sich nach hiesiger Auffassung auch unmittelbar auf die Governance-Strukturen aus und verlangt von den Vorständen eine noch aktivere Rolle bei der Überwachung und Sicherstellung der Compliance im Unternehmen. Die Entscheidung ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass eine sorgfältige, transparente und verantwortungsvolle Unternehmensführung unerlässlich ist, um rechtliche und regulatorische Risiken zu minimieren.
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