Ladendiebstahl: Versuchter Diebstahl durch Verstecken von Diebesgut in Selbstbedienungsgeschäft

Das OLG Rostock (20 RR 6/19, 20 RR 6/191 Ss 3/19) hat nochmals hervorgehoben, dass bereits durch ein Verstecken potentieller Beute in einem Geschäft ein versuchter vorliegen kann. Alleine dass noch eine gewisse Zeitspanne zwischen dem Verstecken der Ware und dem „Abholen“ liegen sollte und auch weitere Zwischenschritte wie das erneute Betreten des Ladens, das Ergreifen der Ware und das Verlassen des Ladens erforderlich waren, schadet hier nicht.

Dazu auch bei uns:

Aus der Entscheidung des Gerichts:

Jedoch liegt ein unmittelbares Ansetzen auch dann vor, wenn der Täter Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals unmittelbar vorgelagert sind und im Fall des ungestörten Fortgangs ohne Zwischenakte in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden. Das ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt (BGH, Beschluss vom 11. Juli 2003, Az.: 2 StR 83/03, Rn. 7, juris).

Das danach erforderliche unmittelbare Einmünden in die Tatbestandshandlung ist hier nicht dadurch in Frage gestellt, dass nach den Feststellungen des Landgerichts (Seite 3f. UA) noch eine gewisse Zeitspanne zwischen dem Verstecken der Ware und dem „Abholen“ liegen sollte und auch weitere Zwischenschritte wie das erneute Betreten des Ladens, das Ergreifen der Ware und das Verlassen des Ladens erforderlich waren. Denn die oben genannten abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen stets der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls. Hierbei können neben der Dichte des Tatplans auch der Grad der Rechtsgutgefährdung, der aus Sicht des Täters durch die zu beurteilende Handlung bewirkt wird, für die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium Bedeutung gewinnen (BGH, Urteil vom 9. März 2006, Az.: 3 StR 28/06, Rn. 4; Beschluss vom 11. Juni 2003, Az.: 2 StR 83/03, Rn. 8; Beschluss vom 29. Januar 2014, Az.: 1 StR 654/13, Rn. 8; LG Potsdam, Urteil vom 6. Oktober 2005, Az.: 26 Ns 142/05, Rn. 51; OLG Hamm, Beschluss vom 5. Januar 2009, Az.: 2 Ss 499/08, Rn. 24; LG Mönchengladbach, Urteil vom 3. September 2014, Az.: 32 Ns 18/14, Rn. 35, andere Auffassung Walter, Abgrenzung des versuchten Diebstahls von der straflosen Vorbereitung, NStZ 2008, 156, 157). Eine Abgrenzung allein nach örtlichen und zeitlichen Parametern liefert insbesondere bei Distanzdelikten keine befriedigende Lösung (Schönke/Schröder/Eser/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 22 Rn. 42).

Eine für die Annahme eines Versuchs hinreichende Gefährdung ist anzunehmen, wenn es beim Diebstahl zu einer konkreten Gewahrsamslockerung zum Nachteil des Berechtigten kommt (OLG Hamm, a.a.O., Rn. 14). So liegt es hier, weil der Eigentümer mangels Kenntnis des Verstecks keine Zugriffsmöglichkeit mehr hatte. Entscheidende Bedeutung kommt dem Umstand zu, dass die Angeklagte ihrem vorgefassten Tatplan entsprechend ihre Beute aus dem verhältnismäßig gut durch Kameras gesicherten Bereich entfernte und in einer anderen weniger gut überwachten Abteilung verbarg. So war der Zugriff in der Textilabteilung mit einem wesentlich geringeren Entdeckungsrisiko verbunden, was eine konkrete Gefahr für das Diebesgut begründete (vgl. dazu LG Potsdam, Urteil vom 06.10.2005, Az. 26 Ns 142/05, Rn. 59, juris, vgl. auch Schönke/Schröder/Eser/Bosch, a.a.O., § 22 Rn. 41 unter Hinweis auf BGH, 2 StR 798/78, nicht veröffentlicht, wonach der Versuch eines sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 StGB schon dann vorliegt, wenn das Kind bereits auf dem Weg zum Tatort aus seiner gewohnten geschützten Umgebung herausgelöst wird). Zutreffend merkt die Generalstaatsanwaltschaft an, dass die Beobachtung durch den Detektiv nichts an der konkreten Gefährdung änderte. Denn der Diebstahl ist kein heimliches Delikt (Fischer, a.a.O., § 242 Rn. 21).

Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung. So ist die Schwelle zum strafbaren Versuch des Diebstahls überschritten, wenn ein Mittäter in einem Selbstbedienungsgeschäft Waren in Tüten steckt und diese in einem anderen Bereich des Geschäfts zwischen anderen Waren verbirgt, wo sie absprachegemäß von einem anderen Mittäter mitgenommen werden sollen, auch wenn es nicht zu der geplanten Mitnahme kommt (BGH, Beschluss vom 15. März 2016, Az.: 1 StR 605/15, Rn. 2, juris, a.A. in vorgenannten Sache offenbar die Generalbundesanwaltschaft). Ferner ist von einem unmittelbaren Ansetzen auszugehen, wenn der Täter in einem Baumarkt das Diebesgut auf einem Außengelände versteckt, welches nur durch einen leicht zu überwindenden Gitterzaun gesichert ist (LG Potsdam, a.a.O., Rn. 55; anders soll es zu beurteilen sein, wenn die Begrenzung des Außengeländes 6 m hoch und nur mit großem Aufwand zu überklettern ist, vgl. LG Mönchengladbach, Urteil vom 3. September 2014, Az.: 32 Ns 18/14, Rn. 50, juris). Die Sicherung der Beute war für die Angeklagte nicht mehr mit einem großen Aufwand verbunden. Sie musste nur den Markt erneut aufsuchen, die Flasche erneut ergreifen und noch den Kassenbereich passieren.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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