Inzwischen gibt es Rechtsprechung zur Haftung des Betreibers eines Content Delivery Network sowie eines DNS-Resolver-Dienstes als Täter für Urheberrechtsverletzungen (dazu Landgericht Köln, 14 O 29/21 und Landgericht Leipzig, 05 O 807/22).
Update: Achtung, beide zuständige Oberlandesgerichte haben sich inzwischen anders postiert!
Anwendbarkeit deutschen Rechts
Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche waren in beiden Fällen nach deutschem Recht zu beurteilen. Nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II-VO) ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse, die aus einer Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums entstanden sind, das Recht des Staates anzuwenden, für den der Schutz beansprucht wird. Nach diesem Recht sind insbesondere das Bestehen des Rechts, die Rechtsinhaberschaft des Verletzers, Inhalt und Umfang des Schutzes sowie die Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen der Verletzung zu beurteilen.
Da es vorliegend ausschließlich um Ansprüche wegen einer Verletzung des Tonträgerherstellerrechts nach § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG geht, für die die Klägerin Schutz im Inland beansprucht, war in den Streitfällen deutsches Urheberrecht anzuwenden; insoweit verweisen beide Landgerichte auf BGH, I ZR 135/18.
Haftung des CDN-Anbieters
Öffentliche Zugänglichmachung durch CDN
Die Entscheidung des Landgerichts kommt zu dem Ergebnis, dass der CDN-Anbieter (es ging wohl um Cloudflare) in das ausschließliche Verwertungsrecht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) eingegriffen hat. Denn: Im Rahmen der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe, wie er in § 15 Abs. 2 und 3 UrhG definiert ist, ist mit dem LG Köln davon auszugehen, dass auch die Betreiber des CDN das urheberrechtlich geschützte Werk im Sinne der §§ 85 Abs. 1, 15 Abs. 3, 19 a UrhG öffentlich zugänglich gemacht haben.
Zur Begründung führt das Gericht aus, dass der Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe gemäß § 15 Abs. 3 UrhG in Umsetzung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.05.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft in das Urheberrechtsgesetz eingefügt wurde. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 sehen die Mitgliedstaaten vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
Ausgehend vom Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung ist der Begriff der öffentlichen Wiedergabe in § 15 Abs. 3 UrhG nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu bestimmen. Dabei ist es zunächst unerheblich, dass der deutsche Gesetzgeber in Umsetzung der Richtlinie 2001/29 – abweichend von der Richtlinie selbst – in § 15 UrhG eine nähere Bestimmung der öffentlichen Wiedergabe und insbesondere der Öffentlichkeit vorgenommen hat. Denn die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts und der Gleichheitsgrundsatz verlangen, dass die Begriffe einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Gemeinschaft autonom und einheitlich auszulegen sind. Es ist daher nicht Sache der Mitgliedstaaten und damit auch nicht des deutschen Gesetzgebers, den in der Richtlinie 2001/29 verwendeten, dort aber nicht definierten Begriff der „Öffentlichkeit“ zu definieren.
Unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des EuGH sind daher Bedeutung und Tragweite dieses Begriffs unter Berücksichtigung der mit der Richtlinie verfolgten Ziele und des Zusammenhangs, in dem die auszulegende Vorschrift steht, zu bestimmen. Dabei ist zunächst in Anbetracht des Hauptziels der Richtlinie 2001/29, ein hohes Schutzniveau für die Urheber zu erreichen und ihnen dadurch die Möglichkeit zu geben, für die Nutzung ihrer Werke u. a. im Rahmen einer öffentlichen Wiedergabe eine angemessene Vergütung zu erhalten, von einem weiten Verständnis des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe auszugehen.
Ausgehend von den Erwägungsgründen 9 und 10 der Richtlinie 2001/29, deren Hauptziel darin besteht, ein hohes Schutzniveau für die Urheber zu erreichen und diesen damit die Möglichkeit zu geben, für die Nutzung ihrer Werke u. a. im Rahmen einer öffentlichen Wiedergabe eine angemessene Vergütung zu erhalten, ist der Begriff der öffentlichen Wiedergabe weit zu verstehen. Aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 ergibt sich, dass der Begriff der öffentlichen Wiedergabe zwei kumulative Tatbestandsmerkmale umfasst, nämlich die Handlung der Wiedergabe eines Werks und die Öffentlichkeit der Wiedergabe. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Nutzer eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe vornimmt, sind eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die voneinander abhängig und miteinander verflochten sind. Dabei ist der Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Einzelfall zu beurteilen. Bei der Anwendung dieser Kriterien hat der Gerichtshof zunächst die zentrale Rolle des Nutzers und die Absichtlichkeit seines Handelns hervorgehoben. Zum Begriff der Öffentlichkeit hat er weiter ausgeführt, dass diese eine bestimmte Anzahl potenzieller Rezipienten umfasst und aus einer erheblichen Anzahl von Personen bestehen muss. Eine öffentliche Wiedergabe setzt ferner voraus, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines anderen technischen Verfahrens als dem bisher verwendeten oder auf andere Weise für ein neues Publikum wiedergegeben wird, an das die Rechtsinhaber nicht gedacht haben, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten. Schließlich betonte das Gericht, dass es nicht unerheblich sei, ob eine Wiedergabe zu Erwerbszwecken erfolgt.
Das Landgericht weist sodann darauf hin, dass der EuGH in Anwendung dieser Grundsätze für einen vergleichbaren Dienst entschieden habe, dass die dort vorgenommene Bereitstellung und der Betrieb einer Online-Filesharing-Plattform eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG der über diese Plattform zugänglichen Werke darstelle und daher das Urheberrecht verletzen könne (es wird verwiesen auf EuGH, Urteil vom 14.06.2017, C-610/15 – Stichting Brein/ZiggoBV u.a., juris Rn. 47).
Der EuGH führt darin aus, dass die Handlung der Wiedergabe darin liege, dass die Betreiber der dort betroffenen Online-Filesharing-Plattform ihren Nutzern durch die Bereitstellung und den Betrieb der Plattform nicht nur Zugang zu den betreffenden Werken verschafften, sondern eine zentrale Rolle bei der Zugänglichmachung der abrufbaren Werke spielten. Die Plattform indexiere die U-Dateien und erleichtere durch die Einteilung der Werke in Kategorien die Nutzung der Filesharing-Plattform erheblich, zudem überwache die Plattform die Aktualität und Vollständigkeit der U-Datei. Die fraglichen geschützten Werke würden auch tatsächlich öffentlich wiedergegeben, da die Plattform von einer erheblichen Anzahl von Personen (mehr als 10 Millionen Peers) genutzt werde. Es liege auch eine Wiedergabe an ein „neues Publikum“ vor, da die Betreiber der Online-Filesharing-Plattform „The Pirate Bay“ in vollem Bewusstsein gehandelt hätten, dass ein sehr großer Teil der Torrent-Dateien auf Werke verweise, die ohne Zustimmung der Rechteinhaber veröffentlicht worden seien. Schließlich werde die Plattform mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben.
Diese Grundsätze sind nach Auffassung des Landgerichts auf den vorliegenden Fall übertragbar, da nach dem durch die Vorlage von Screenshots des Internetauftritts der Klägerin belegten Vortrag der Klägerin davon auszugehen sei, dass es sich bei dem Dienst Url entf. zwar nicht um eine Filesharing-Plattform in dem Sinne handele, dass unmittelbar Inhalte bereitgehalten würden, der Dienst aber „wie eine Spinne im Netz“ die Angebote verschiedener Filesharing-Plattformen koordiniere, kategorisiere und die verschiedenen im Netz verfügbaren Angebote für die Nutzer in Form von Linksammlungen übersichtlich zusammenstelle und damit leichter zugänglich mache. Die Betreiber des Dienstes nehmen damit eine Vervielfältigungshandlung vor und spielen zugleich eine zentrale Rolle bei der Zugänglichmachung der im Internet abrufbaren Werke im Sinne der Rechtsprechung des EuGH. Die Leistungen des Dienstes werden auch mit Gewinnerzielungsabsicht erbracht, da die Nutzer durch den Abschluss kostenpflichtiger Premium-Accounts Wartezeiten umgehen und schnellere Downloads durchführen können. Schließlich liege auch eine Wiedergabe an ein neues Publikum vor, weil die Betreiber der Website Url entf. in vollem Bewusstsein handelten, dass die auf ihrer Website vorgehaltenen Links auf Werke verwiesen, die ohne Zustimmung der Rechteinhaber veröffentlicht worden seien; die Betreiber der Website werben gerade damit, „die aktuellste Warez-Seite für Musik im deutschsprachigen Raum, mit einem Download-Archiv für Filmmusik aller Genres“ zu sein.
Da die Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes im Hinblick auf die im Urheberrecht bestehende Vollharmonisierung des Begriffs der „öffentlichen Wiedergabe“ richtlinienkonform auszulegen sind, ist im Streitfall davon auszugehen, dass die Betreiber des Dienstes auch das streitgegenständliche Musikalbum im Sinne von § 15 Abs. 2, 3 UrhG und Art. 3 Abs. 1 RL 2001/29/EG in Form der öffentlichen Zugänglichmachung nach §§ 85 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 2, 3, 19 a UrhG öffentlich wiedergegeben haben.
Täterschaftliches Handeln des CDN?
Der CDN-Dienst haftet auch als Täter: Zwar ist das Geschäftsmodell des CDN-Betreibers nicht von vornherein darauf angelegt, Urheberrechtsverletzungen zu unterstützen. Die Anonymisierung bzw. Ersetzung der IP-Adressen durch solche der CDN-Betreiberin ist nach dem für das Gericht nachvollziehbaren Vortrag der CDN-Betreiberin eine zwangsläufige Folge der Einbindung des CDN und als solche nicht in der Absicht installiert, Rechtsverletzungen zu fördern. Die CDN-Betreiberin trifft als Anbieterin von Internetdienstleistungen mit einem anerkannten Geschäftsmodell keine allgemeine Prüfungs- und Überwachungspflicht hinsichtlich der Inhalte der Domains, für die sie als Betreiberin des CDN tätig ist.
Gleichwohl haftet die CDN-Betreiberin nach Auffassung des Landgerichts im vorliegenden Fall als Täter. Denn sie hat aus Sicht des Gerichts durch die Bereitstellung ihrer Dienste eine zentrale Rolle bei der Herbeiführung der Zugänglichkeit der potentiell rechtsverletzenden Inhalte gespielt. Denn ohne die Bereitstellung und Verwaltung solcher Dienste, die insbesondere die Anonymisierung und Beschleunigung des Datenverkehrs bewirken, wie sie die CDN-Betreiberin für ihre Kunden vornimmt, wäre es nach Auffassung des Gerichts zumindest erschwert, diese Inhalte frei im Internet zu teilen. Nicht zuletzt durch die Anonymisierung im vorgenannten Sinne wird es einem Dienst erheblich erleichtert, die Download-Angebote für das streitgegenständliche Musikalbum ohne Zustimmung der Rechteinhaberin (und auch für alle anderen Werke anderer Rechteinhaber) in der beschriebenen Weise anzubieten, ohne befürchten zu müssen, von den Rechteinhabern wie der Klägerin ausfindig gemacht und wegen der Rechtsverletzung in Anspruch genommen zu werden. Dies gilt in tatsächlicher Hinsicht auch vor dem Hintergrund, dass das Gericht, wie oben ausgeführt, nicht davon ausgeht, dass es dem CDN-Betreiber grundsätzlich darum geht, derartige Rechtsverletzungen zu fördern, sondern dass dies eine technische Folge der Einbindung in das CDN der Beklagten ist.
Für eine täterschaftliche Haftung der Beklagten kommt es nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darauf an, ob die Beklagte als Täterin oder Teilnehmerin haftet. Dies setzt voraus, dass die Beklagte die beanstandete Rechtsverletzung selbst begangen hat oder an ihr – etwa als Gehilfin – beteiligt war. Dies wiederum entspricht den Anforderungen, die der Europäische Gerichtshof insoweit an die täterschaftliche Haftung stellt, nämlich die zentrale Rolle des Diensteanbieters und die Vorsätzlichkeit seines Handelns.
Der bloße Umstand, dass die von der CDN-Betreiberin erbrachten Dienste den Abruf des Werkes durch die Öffentlichkeit lediglich erleichtern, reicht für eine Täterschaft nicht aus. Denn dann wäre bereits jede „Zurverfügungstellung von Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken“, eine solche Handlung, was jedoch nach der 27. Begründungserwägung der Urheberrechtsrichtlinie, die im Wesentlichen die Vereinbarte Erklärung zu Art. 8 WCT wiedergibt, ausdrücklich ausgeschlossen ist.
Allerdings, so der Gerichtshof, kann insbesondere eine Handlung, die in voller Kenntnis der Folgen des betreffenden Verhaltens und mit dem Ziel vorgenommen wird, der Öffentlichkeit Zugang zu geschützten Werken zu verschaffen, dazu führen, dass diese Handlung als „Handlung der Wiedergabe“ qualifiziert wird. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die die fragliche Situation kennzeichnen und die direkt oder indirekt Rückschlüsse darauf zulassen, ob der CDN-Betreiber bei der unerlaubten Wiedergabe dieser Inhalte vorsätzlich handelt oder nicht.
In Bezug auf den Betreiber einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform hat der EuGH ausgeführt, dass zu den insoweit maßgeblichen Gesichtspunkten insbesondere der Umstand gehört, dass ein solcher Betreiber, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass über seine Plattform geschützte Inhalte von den Nutzern dieser Plattform im Allgemeinen rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, nicht die geeigneten technischen Maßnahmen ergreift, die von einem mit der üblichen Sorgfalt handelnden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Lage erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen.
Dabei muss es sich um proaktive technische Vorkehrungen handeln, d.h. um solche, die geeignet sind, rechtsverletzende Inhalte unabhängig von einem Hinweis des Rechteinhabers zu verhindern. Lediglich reaktive Maßnahmen, die es Rechteinhabern erleichtern, bereits hochgeladene rechtsverletzende Inhalte zu finden oder dem Plattformbetreiber entsprechende Hinweise zu geben – wie etwa die Bereitstellung eines „Melde-Buttons“ – reichen nicht aus, um als Maßnahme zur glaubwürdigen und effektiven Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen qualifiziert zu werden.
Zwar reicht der bloße Umstand, dass der Betreiber allgemein Kenntnis von der rechtsverletzenden Verfügbarkeit geschützter Inhalte auf seiner Plattform hat, nicht aus, um ein Handeln in der Absicht anzunehmen, Internetnutzern den Zugang zu diesen Inhalten zu ermöglichen. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Betreiber trotz eines Hinweises des Rechteinhabers auf die rechtswidrige öffentliche Zugänglichmachung eines geschützten Inhalts über seine Plattform nicht unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Zugang zu diesem Inhalt zu sperren.
Diese Grundsätze sind nach Auffassung des Landgerichts Köln auf die Betreiberin des CDN und die von ihr angebotenen Dienste übertragbar. Denn die Inanspruchnahme der Dienste der CDN-Betreiberin im Rahmen ihres CDN führt dazu, dass man beim Aufruf nicht auf dem Webserver des Diensteanbieters bzw. dessen Hostproviders landet, sondern auf einem solchen der CDN-Betreiberin, sodass nur eine IP-Adresse der CDN-Betreiberin, nicht aber die des eigentlichen Hostproviders ermittelt werden kann.
Kurze Anmerkung: Aus hiesiger Sicht wieder einmal eine äußerst schwierige Entscheidung der 14. Kammer des LG Köln, die vollkommen zu Recht im Rechtsmittel beim OLG Köln (6 U 149/22) anhängig ist. Schon der Vergleich eines CDN mit einer Filesharing-Plattform wirft die Frage auf, ob man überhaupt die Funktionsweise dieser Technologie verstanden hat. Da man partout zur Täterschaft gelangen wollte, aus hiesiger Sicht, wurde dann damit die ausdrücklich für diesen Fall vorgesehene Privilegierung des §9 TMG „ausgehebelt“. Ich rechne mit einer krachenden Ohrfeige für das LG beim OLG.
Haftung des DNS-Resolvers
Das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 01.03.2023 betrifft eine Klage wegen Urheberrechtsverletzung im IT- und Medienrecht. Die Beklagte wurde verurteilt, es zu unterlassen, ein Musikalbum öffentlich zugänglich zu machen. Die Klägerin hatte die Beklagte zuvor erfolglos aufgefordert, die Verbreitung des Albums zu unterlassen. Die Beklagte argumentierte, dass sie als DNS-Resolver-Dienst nur begrenzte Möglichkeiten habe, den Zugang zu bestimmten Inhalten zu sperren. Das Gericht entschied jedoch, dass die Beklagte in der Lage sei, die Verbreitung des Albums zu verhindern, indem sie den Zugang zu den betreffenden Domains sperre. Die Beklagte wurde daher verurteilt, die Verbreitung des Albums zu unterlassen und ein Ordnungsgeld in Höhe von 50.000 Euro zu zahlen.
Das Gericht begründete die Sperrung damit, dass die Beklagte als DNS-Resolver-Dienst in der Lage sei, den Zugang zu bestimmten Inhalten zu sperren. Auch wenn DNS-Dienste nur eine binäre Wahlmöglichkeit hätten, nämlich die Erreichbarkeit eines Domainnamens insgesamt zu verhindern oder nicht, sei die Beklagte in der Lage, die Verbreitung des Albums zu verhindern, indem sie den Zugang zu den betreffenden Domains sperre. Das Gericht stellte auch fest, dass die Umsetzung der DNS-Sperre erhebliche Auswirkungen auf die Systemarchitektur der Beklagten und deren Leistungsfähigkeit hat, ordnete aber dennoch eine Sperrung an, da die Beklagte als Störerin und Täterin einer Urheberrechtsverletzung haftet.
Der DNS-Dienst sei nach den Vorschriften des TMG nicht privilegiert, da er keinen engeren Bezug zu der rechtswidrigen Handlung habe als ein Access-Provider. Das Gericht stellte fest, dass ein Access-Provider nach der Regelung des § 7 Abs. 4 Satz 1 TMG nur subsidiär gegenüber dem Betreiber der Internetseite und dem Host-Provider haftet. Da ein DNS-Resolver keinen engeren Bezug zu dem rechtswidrigen Geschehen hat als ein Access-Provider, ist er dessen Position in der Subsidiaritätskette gleichzustellen. Das bedeutet, dass der DNS-Dienst nur dann haftet, wenn der Betreiber der Internetseite und der Host-Provider nicht haften oder nicht ermittelt werden können.
Auch diese Entscheidung ist im Rechtsmittel (OLG Dresden, 14 U 503/23). Inhaltlich ist sie durchaus überraschend, insbesondere wenn der DNS-Resolver als täterschaftliche Begehung eingestuft wird. Es bleibt abzuwarten, was hier herauskommt, ich bin etwas zurückhaltender als beim LG Köln, sehe aber hier eher die Privilegierung des §8 TMG angemessen. Das Landgericht Leipzig scheint mir aus den Augen verloren zu haben, dass fremde Informationen nicht nur die Inhalte an sich sind, sondern hierunter gerade auch sonstige Inhalte zählen – wie etwa die Zuordnung IP-Adresse zu Domain.
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