Strafrecht trifft Kryptomarkt: Im Schatten des Strafverfahrens zum Streamingportal movie2k.to hat sich in Sachsen ein Vorgang abgespielt, der sowohl juristisch als auch wirtschaftlich bemerkenswert ist: Fast 50.000 Bitcoins wurden zwischen Juni und Juli 2024 im Wege einer sogenannten Notveräußerung zu Geld gemacht. Der Freistaat Sachsen sicherte damit rund 2,64 Milliarden Euro – ein Vorgang von bislang einzigartiger Dimension in der deutschen Rechtsgeschichte.
Hintergrund: Raubkopien und digitale Gewinne
Der Fall movie2k gehört zu den spektakuläreren Komplexen der jüngeren deutschen Cybercrime-Geschichte. Über Jahre hinweg betrieben die Verantwortlichen eine Streamingplattform, auf der massenhaft urheberrechtlich geschützte Werke ohne Erlaubnis angeboten wurden. Die Erlöse aus Werbung und Abonnements flossen in Kryptowährungen – insbesondere in Bitcoin. Anfang 2024 übergab ein Beschuldigter der Ermittlungsbehörde rund 49.858 Bitcoins, ein Vermögen, das zu diesem Zeitpunkt etwa zwei Milliarden Euro wert war.
Die rechtliche Grundlage: § 111p StPO
Vor dem Hintergrund der hohen Volatilität des Bitcoinkurses entschied sich die Generalstaatsanwaltschaft Dresden zu einer Notveräußerung nach § 111p StPO. Danach können sichergestellte oder gepfändete Gegenstände auch vor rechtskräftigem Verfahrensabschluss veräußert werden, wenn deren Verderb oder ein erheblicher Wertverlust droht. Diese gesetzliche Regelung wurde hier auf das digitale Asset Bitcoin angewendet – und zwar nicht vorschnell oder fahrlässig, sondern im Rahmen eines strukturierten, marktschonenden Prozesses.
Entscheidend dabei: Die Staatsanwaltschaft durfte nicht auf Kurssteigerungen hoffen oder spekulative Überlegungen anstellen. Ziel war es, den Vermögenswert vor Verlust zu schützen, nicht ihn zu maximieren. Die Verkäufe erfolgten daher in kleinen Tranchen über etwa dreieinhalb Wochen hinweg, fast ausschließlich außerbörslich. Damit wurde ein marktgerechter Preis erzielt, ohne den Markt signifikant zu beeinflussen.
Wer bekommt das Geld?
Auch wenn nun rund 2,64 Milliarden Euro auf einem staatlichen Konto liegen, handelt es sich keineswegs um verfügbares Haushaltsgeld. Die Erlöse sind als verwahrte Hinterlegung gebunden, bis das Landgericht Leipzig eine rechtskräftige Einziehungsentscheidung trifft. Erst dann wird sich klären, ob das Geld tatsächlich dem Staat zufällt oder Ansprüche Dritter – etwa von Filmproduzenten oder Rechteinhabern – berücksichtigt werden müssen.
Eine besondere Rolle spielen dabei auch die Zinserträge, die sich aus dem Milliardenbetrag ergeben. Sachsen musste unlängst bekanntgeben, dass auch diese Erträge bis zur endgültigen Entscheidung nicht genutzt werden dürfen – was nicht zuletzt haushaltspolitische Sprengkraft besitzt, da man offenbar bereits mit deren Verwendung kalkuliert hatte.
Eine neue Realität für Ermittlungsbehörden
Der Vorgang markiert einen Meilenstein im Umgang deutscher Strafverfolgungsbehörden mit virtuellen Werten. Die Existenz der “Zentralstelle zur Sicherung, Verwahrung und Verwertung von Kryptowährungen” zeigt, wie weit sich Strafverfolgung und Vollstreckung auf digitale Vermögensformen eingestellt haben. Es ist davon auszugehen, dass solche Verfahren künftig häufiger werden, insbesondere in komplexen Wirtschafts- und Cyberstrafverfahren.
Der Fall movie2k zeigt eindrucksvoll, wie sich die Strafjustiz auf die Realität digitaler Vermögenswerte einstellt – und welche Herausforderungen im Zusammenspiel von Strafverfolgung, Finanzwirtschaft und Haushaltsdisziplin noch bevorstehen. Die Milliarden sind gesichert, doch über ihre endgültige Verwendung wird das Recht – und nicht der Kurs – entscheiden.
Dass sich ausgerechnet ein urheberrechtlich geprägter Kriminalfall zur Blaupause für eine staatlich durchgeführte Massenveräußerung von Kryptowerten entwickelt, ist eine ironische Fußnote der digitalen Gegenwart: Hier trifft die Grauzone der digitalen Unterhaltungsindustrie auf das nüchterne Instrumentarium der Strafprozessordnung – mit Milliardenwerten als Spielball zwischen Rechtsstaat, Markt und öffentlichem Interesse.
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