Bußgeld wegen unerlaubter Telefonwerbung für Callcenter: Das Amtsgericht Bonn, 715 OWI 5/19, hat den Fall einer Ordnungswidrigkeit wegen fahrlässiger Aufsichtspflichtverletzung im Betrieb zu verhandeln gehabt. Verhängt wurde dabei, vor dem Hintergrund von Verstößen gegen §7 UWG, eine Geldbuße in Höhe von 17.500,00 €.
Fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung
Für Betriebsinhaber immer wieder überraschend ist die Erkenntnis, dass es die fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung entsprechend §130 OWIG gibt:
Wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterläßt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, handelt ordnungswidrig, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre.
Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen gehören auch die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen.
§130 Abs.1 OWIG
Die Voraussetzungen des § 130 OWiG liegen vor, wenn ein Betrieb Adressat von aus einem Gesetz folgenden Pflichten ist, die sich als betriebsbezogene darstellen. Betriebsbezogen ist eine Tat dabei dann, wenn sie einen inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Begehungstäters oder mit der Art des Betriebes aufweist (BGH, 4 StR 71/11). Dabei ist es dem Betriebsinhaber verwehrt, problematische Bereiche des Betriebes auf Externe zu übertragen und sich so einer Haftung zu entziehen.
Auch wenn es hier „nur“ um eine Ordnungswidrigkeit geht, muss gesehen werden, dass das Bußgeld gestaffelt ist:
- Die Ordnungswidrigkeit kann, wenn die Pflichtverletzung mit Strafe bedroht ist, mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro geahndet werden.
- Ist die Pflichtverletzung mit Geldbuße bedroht, so bestimmt sich das Höchstmaß der Geldbuße wegen der Aufsichtspflichtverletzung nach dem für die Pflichtverletzung angedrohten Höchstmaß der Geldbuße.
Verstoß gegen §7 UWG
Im vorliegenden Fall ging es um das Verbot von Werbung ohne vorherige Einwilligung entsprechend §7 UWG, wozu das Gericht dann ausführt:
Der Geschäftsführung waren die aus § 7 UWG folgenden Pflichten bekannt. Dies folgt bereits daraus, dass nach den Angaben des Geschäftsführers der persönlich haftenden Gesellschafterin der Nebenbetroffenen im Hauptverhandlungstermin die Adresslisten insoweit auf„opt-ins“ überprüft wurden, als die neuen Listen mit den bei der Nebenbetroffenen vorhandenen abgeglichen wurden und diejenigen Adressen aussortiert wurden, bei denen ein fehlendes Einverständnis bereits bekannt war. Dahingehendes positives Wissen folgt auch aus § 3 des mit der Fa. N am 21.05.2015 abgeschlossenen Vertrages, der gerade die Einholung eines „Anrufeinverständnisses“ seitens des Callcenters normiert.
Der Geschäftsführung hätte auch bekannt sein können, dass sich aus den Adresslisten, auf deren Grundlage die hier gegenständlichen Anrufe erfolgten, nicht mit möglichster Sicherheit das Vorliegen einer jeweiligen Einwilligung in konkrete Werbeanrufe ergab. Vielmehr unterließ sie geeignete Maßnahmen, um das Risiko fehlender Einwilligungserklärungen auszuschließen oder wesentlich zu vermindern. Ihr war erkennbar, dass schon keine Gewähr dafür bestand, dass die gelieferten Adressen überhaupt mit Opt-ins versehen waren. Die Geschäftsführung sah vielmehr von einer ausreichenden Kontrolle vorliegender Opt-ins ab (…) Die Verletzung der Aufsichtspflicht ist auch ursächlich für die erfolgten Zuwiderhandlungen. Es ist dabei nicht erforderlich, dass die Zuwiderhandlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unterblieben wäre. Vielmehr ist ausreichend, dass die Zuwiderhandlung bei der Wahrnehmung der Aufsichtspflicht erschwert worden wäre (Gürtler in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 22 f.). So liegt es hier. Denn sowohl eine seitens der Nebenbetroffenen veranlasste oder durchgeführte engmaschigere Überprüfung der neu gelieferten Adressen auf korrekte Einwilligungserklärungen als auch die entsprechende Schulung sowie eine Kontrolle der Mitarbeiter der Callcenter hätte bereits zu einer wesentlichen Verminderung einer Zuwiderhandlungsgefahr beigetragen. Ein bewusstes Sich-Hinwegsetzen über die jeweiligen Pflichten durch die einzelnen Callcenter-Mitarbeiter hätte, wenn es überhaupt vorlag, ebenfalls durch entsprechende Beaufsichtigung und Kontrolle erfolgen können. Dies geschah indes nicht.
Amtsgericht Bonn, 715 OWI 5/19
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