Im Pflegebereich gibt es durchaus die ein oder andere unsaubere Handhabung formaler Pflichten – etwa die mir häufiger untergekommene Verfahrensweise, dass zwar die notwendige Pflegedienstleitung existiert, diese aber – auf Druck des Arbeitgebers – letztlich Dinge abzeichnet, ohne sauber kontrolliert oder selber durchgeführt zu haben. Ein ähnlicher Problemfall ist nun beim Bundesgerichtshof gelandet: Die Täuschung über qualifizierte Arbeitskräfte.
Täuschung über Qualifikation
Ein Pflegedienst hatte – die nicht unüblichen – vertragliche Vereinbarungen mit Krankenkassen der Patienten getroffen dahin gehend, dass ausschließlich
qualifiziertes Krankenpflegepersonal eingesetzt wird. Definiert war dies so, dass die entsprechend eingesetzten Pflegekräfte über einen in Deutschland
erworbenen oder anerkannten Abschluss verfügen mussten.
Tatsächlich beschäftigte die angeklagte Verantwortliche des Pflegedienstes jedoch in erheblichem Umfang Pflegekräfte, die die notwendige Qualifikation eben (noch) nicht besaßen. Um dies vor den Krankenkassen zu verbergen, setzte sie in die Leistungsnachweise für die bei den Patienten erbrachten Leistungen Handzeichenkürzel anderer Pflegekräfte ein, die über die notwendige Qualifikation verfügten.
Mit der Einreichung der auf der Grundlage der von der Angeklagten verfälschten Abrechnungen über die erbrachten Pflegeleistungen täuschte die Angeklagte die Krankenkassen als Kostenträger darüber, dass die in Rechnung gestellten Leistungen tatsächlich nicht durch qualifizierte Personen erbracht wurden. Hieran knüpft dann die Frage, ob dies strafrechtliche Relevanz als Betrug hat. Ein typisches Argument in dem Bereich ist, dass kein Schaden vorliegen kann, da doch die Pflegeleistung (ohne Bemängelung) erbracht wurde.
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Täuschung
Recht problemlos ist die Täuschung anzunehmen: Durch das Einreichen der Rechnungen nebst Leistungsnachweisen täuschte die Angeklagte die Krankenkassen jedenfalls konkludent über das Vorliegen der den Zahlungsanspruch begründenden Tatsachen. So gab sie wahrheitswidrig vor, Pflegepersonal eingesetzt zu haben, das die vertraglich vereinbarte Qualifikation aufwies. Denn die Krankenkassen hatten den Vertragsabschluss über die Leistung häuslicher Krankenpflege von einer formalen Qualifikation abhängig gemacht, wozu sie mit dem BGH auch berechtigt waren.
Wird aber eine solche Vereinbarung getroffen, bildet sie neben den gesetzlichen Bestimmungen die Grundlage der Leistungsbeziehung und soll sicherstellen, dass sich die Pflege nach den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Damit fehlt es in diesen Fällen an einer vertragsgemäßen Leistung.
Vermögensschaden
Und der Schaden? Mit dem BGH ist es durchaus so, dass dem Abrechnungsdienstleister und den Krankenkassen in Höhe der geleisteten Zahlungen ein Vermögensschaden entstanden ist, obwohl die Pflegeleistungen erbracht worden waren.
Denn es bestand ja keine Verpflichtung zur Zahlung! Die auf diesem Weg eingesetzten und beschäftigten Pflegekräfte verfügen nun einmal nicht über die
in der vertraglichen Vereinbarung mit den Krankenkassen vorausgesetzte Qualifikation. Das Unterschreiten der nach dem Vertrag vereinbarten Qualifikation von Pflegekräften führt nach den insoweit maßgeblichen Grundsätzen des Sozialrechts auch dann zum vollständigen Entfallen des Vergütungsanspruchs, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden (hier gilt mit dem BGH eine streng formale Betrachtungsweise, so schon BGH, 4 StR 21/14, 4 StR 668/19 und 4 StR 280/94 mit Verweis zu III ZR 93/15).
Juristisch stellt die Arbeitsleistung als solche keine gleichwertige Gegenleistung für die Krankenkassen in qualifizierten Fällen dar, wenn unter Berücksichtigung möglicher Notfallsituationen eine hinreichende Versorgung nur durch hierfür qualifizierte Pflegekräfte gewährleistet sein kann (hier: beatmete, intensiv betreuungsbedürftige Patienten)
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