Altersdiskriminierung in Stellenanzeigen durch Suche nach „Digital Native“

In einer bemerkenswerten Entscheidung hat sich das Heilbronn (8 Ca 191/23) mit der Frage der Altersdiskriminierung in Stellenanzeigen auseinandergesetzt. Im Fokus stand die Verwendung des Begriffs „Digital Native“ und dessen Implikationen für ältere Bewerber.

Sachverhalt: Worum ging es?

Ein im Jahr 1972 geborener Diplomwirtschaftsjurist klagte gegen ein international tätiges Sportartikelunternehmen wegen Altersdiskriminierung. Er bewarb sich auf eine ausgeschriebene Stelle, wurde jedoch abgelehnt. Die Stellenanzeige enthielt den Ausdruck „Digital Native“, was der Kläger als Hinweis auf eine bevorzugte jüngere Zielgruppe interpretierte.

Was bedeutet Diskriminierung allgemein – und konkret?

bezeichnet eine Benachteiligung oder Bevorzugung von Personen basierend auf bestimmten Merkmalen wie Alter, Geschlecht oder Herkunft. Im vorliegenden Fall ging es um Altersdiskriminierung, wobei angenommen wurde, dass die Formulierung „Digital Native“ implizit jüngere Bewerber bevorzugt und ältere diskriminiert.

Juristisch ist hier auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hinzuweisen. Ziel dieses Gesetzes ist es, Benachteiligungen unter anderem wegen des Geschlechts oder des Alters zu verhindern oder zu beseitigen. Bei einem Verstoß gegen dieses Verbot kann der Benachteiligte Schadenersatz oder eine angemessene Entschädigung verlangen. Wird ein Stellenbewerber unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot abgelehnt, kann eine Entschädigung in Höhe von bis zu drei Monatsgehältern durch das Gericht zugesprochen werden. Das gilt auch, wenn der abgelehnte Bewerber nicht der am besten Qualifizierteste war:

Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 GG ist der Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Beschäftigte gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Diese darf jedoch bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG – Arbeitsgericht Bonn, 5 Ca 1201/19

Für eine Diskriminierung kann es dabei schon reichen, wenn man gar nicht erst zu einem Gespräch eingeladen wird: Der Bewerber wird auch – dadurch, dass er nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen und nicht eingestellt wird – unmittelbar iSv. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt, denn er hat eine ungünstigere Behandlung erfahren als der oder die letztlich eingestellten Person/en (vgl. dazu BAG 16. Mai 2019 – 8 AZR 315/18 – Rn. 15).

Achtung:  § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (BAG 25. Oktober 2018 – 8 AZR 501/14 – Rn. 51). Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Dabei sind alle Umstände des Rechtsstreits in einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (BAG 16. Mai 2019 – 8 AZR 315/18 – Rn. 15). Selbst ein Nicht-Melden auf eine Bewerbung kann ein solches Indiz sein!


Wie hat das Gericht entschieden

Das Arbeitsgericht Heilbronn entschied zugunsten des Klägers und verurteilte das Unternehmen zu einer Entschädigung von 7.500 Euro. Das Gericht sah in der Verwendung des Begriffs „Digital Native“ ein Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters. Es wurde argumentiert, dass dieser Ausdruck eine generationenbezogene Konnotation aufweist und somit ältere Bewerber ausschließt.

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Auswirkungen für Unternehmen und Stellenanzeigen

Dieses Urteil hat bedeutende Implikationen für die Gestaltung von Stellenanzeigen. Unternehmen müssen bei der Formulierung von Stellenanzeigen sorgfältig auf die Formulierungen achten, um jegliche Art von Diskriminierung zu vermeiden. Begriffe, die direkt oder indirekt auf das Alter abzielen, könnten als diskriminierend angesehen werden und zu rechtlichen Konsequenzen führen. Es empfiehlt sich, Stellenanzeigen neutral und inklusiv zu gestalten, um Bewerber aller Altersgruppen anzusprechen und Diskriminierungsrisiken zu minimieren. Das hier betroffene Beispiel macht deutlich, dass selbst allgemein gebräuchliche Begriffe ohne unmittelbaren Altersbezug zu einer angenommenen Diskriminierung führen können.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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