Zur Berücksichtigung von Presseberichterstattung bei der Strafzumessung

Die Medienberichterstattung kann sich bei der zugunsten des Angeklagten auswirken, muss es aber nicht. Dabei ist zu beachten, dass die Berichterstattung in den Medien über eine Straftat und die Person des Angeklagten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig kein maßgeblicher Strafzumessungsgrund ist (selbst wenn sie „aggressiv und vorverurteilend“ ist – BGH, 3 StR 149/18).

Hintergrund ist, dass nachteilige, typische und vorhersehbare Folgen für den Täter nach der Rechtsprechung des BGH nicht per se strafmildernd sind: Wer bei seiner Tat bestimmte Nachteile für sich (nicht gewollt, aber) bewusst in Kauf genommen hat, verdient mit dem BGH in der Regel keine strafmildernde Berücksichtigung solcher Folgen (BGH, 1 StR 164/07).

Allerdings kann das Gericht eine Medienberichterstattung strafmildernd berücksichtigen, wenn sie weit über das übliche Maß hinausgeht, das jeder Straftäter hinnehmen muss, und sich deshalb für den Angeklagten besonders nachteilig ausgewirkt hat (BGH, 6 StR 299/22 und 3 StR 149/18).

Zusammenfassend bedeutet dies, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Beeinträchtigungen des Angeklagten durch eine öffentliche Berichterstattung – auch wenn diese einen „aggressiven und vorverurteilenden“ Charakter hat – im Rahmen der Strafzumessung nur dann mildernd zu berücksichtigen sind, wenn der Druck erheblich über das hinausgeht, was jeder Straftäter erdulden muss (BGH, 6 StR 299/22). Dies kann bei einer tendenziösen, zur Emotionalisierung des Tatgeschehens und zur Vorverurteilung neigenden Urteilsfindung anzunehmen sein, die zu einer erheblichen psychischen Belastung des Angeklagten geführt hat (BGH, 1 StR 164/07).

Darüber hinaus scheidet eine strafmildernde Berücksichtigung der öffentlichen Berichterstattung regelmäßig aus, wenn eine Person des öffentlichen in Ausübung ihres Amtes Straftaten begeht; denn diese Person muss – so der – im Falle eines Strafverfahrens mit einem besonderen öffentlichen Interesse an ihrer Person und ihrer Amtsführung rechnen! Dieser Aspekt gilt umso mehr, wenn ein Beschuldigter an exponierter Stelle, gerade in Ausübung seines Amtes, Straftaten von öffentlichem Interesse (wie im Bereich der Korruption) begeht. Denn hier muss er gerade mit einem besonderen Interesse an seiner Person und seiner Amtsführung auch für den Fall der Durchführung eines Strafverfahrens rechnen (BGH, 1 StR 83/08).

Letztlich ist auch hier die Verteidigung gefragt: Eine mit der Berichterstattung einhergehende psychische Belastung des Beschuldigten kann – wie oben dargestellt – unter Umständen das Maß des staatlichen Strafanspruchs beeinflussen (BGH, 1 StR 56/15). Es reicht also nicht aus, wie ich es oft erlebe, als Verteidiger dem Gericht Presseberichte vorzuhalten und sich in Monologen darüber zu verlieren, warum die Presse schlecht ist. Neben dem objektiven Moment kommt, wenn es sich nicht um einen besonders krassen Fall handelt, immer auch ein subjektives Moment hinzu, nämlich die eigene psychische Belastung. Diese herauszuarbeiten und dem Gericht vorzutragen, sollte daher in geeigneten Fällen ein wesentlicher Teil der Verteidigung sein!

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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