Zum Missbrauch einer Vertretungsmacht bei einer Zahlungsvorgang

Wie ist zu verfahren, wenn ein Zahlungsvorgänge vornimmt, zu denen er formell berechtigt, im Einzelfall aber nicht ermächtigt ist? Es gilt: Ein Zahlungsvorgang ist nach § 675j Abs. 1 BGB autorisiert und gegenüber dem Zahler wirksam, wenn dieser dem Zahlungsvorgang zugestimmt hat (BGH, XI ZR 294/19).

Zahler ist der verfügungsberechtigte Kontoinhaber oder im Falle der Zulässigkeit der Stellvertretung ein mit entsprechender Vertretungsmacht ausgestatteter Dritter (OLG Schleswig, 5 W 40/13), dem gegebenenfalls – im Falle der Verwendung eines Zahlungsinstruments – ein eigenes personalisiertes Zahlungsinstrument einschließlich gesonderter personalisierter Sicherheitsmerkmale zugeordnet worden ist (BGH, XI ZR 91/14).

Ob die für die Autorisierung des Zahlungsvorgangs erforderliche Erklärung des Zahlers als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung oder als rechtsgeschäftsähnliche Handlung zu qualifizieren ist, kann im Ergebnis dahinstehen, da in beiden Fällen die Regeln über die Stellvertretung gemäß §§ 164 ff. BGB – unmittelbar oder entsprechend – anwendbar sind (OLG Celle, 3 U 191/21).

Genehmigt ein Alleingeschäftsführer im Namen der Gesellschaft Überweisungen zur Veruntreuung von Geldern, so ist er im Außenverhältnis als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer aufgrund seiner organschaftlichen Vertretungsmacht nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG berechtigt, so dass seine Erklärungen der Gesellschaft zuzurechnen sind. Werden Überweisungen durch den Geschäftsführer im Wege des Online-Bankings, also unter Verwendung eines Zahlungsinstruments im Sinne des § 675j Abs. 1 Satz 4 BGB (BGH, XI ZR 91/14), ausgeführt, verfügt er über das für eine wirksame Autorisierung erforderliche personalisierte Zahlungsinstrument einschließlich gesonderter personalisierter Sicherheitsmerkmale.


Die Autorisierung der Überweisungen durch den Geschäftsführer ist dann nicht wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht unwirksam, da der Missbrauch der Beklagten nicht bekannt war und sich ihr nach den Umständen auch nicht aufdrängen musste.

Das Risiko eines Missbrauchs der Vollmacht trägt grundsätzlich der Vertretene (BGH, XI ZR 277/98). Die Missachtung von Regeln und Weisungen, die sich aus dem Innenverhältnis des Vertreters zum Vertretenen ergeben, wirkt sich erst dann im Außenverhältnis aus, wenn die Grenzen des rechtlich Hinnehmbaren überschritten werden. Erst dann spricht man von einem Vollmachtsmissbrauch im Rechtssinne, der sich auf die Wirksamkeit des vom Vertreter abgeschlossenen Rechtsgeschäfts auswirkt.

Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Vertreter und Geschäftsgegner bewusst zum Nachteil des Vertretenen zusammenwirken oder wenn der Missbrauch der Vertretungsmacht dem Geschäftsgegner bekannt ist oder wegen der Offenkundigkeit des Missbrauchs ohne weitere Nachforschungen bekannt sein musste. Das Vertrauen des Geschäftsgegners auf den Bestand des Geschäfts ist nicht schutzwürdig, wenn er weiß oder es sich ihm geradezu aufdrängen muss, dass der Vertreter seine Vertretungsmacht missbraucht. In einem solchen Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht kann der Geschäftsgegner aus dem formell von der Vertretungsmacht gedeckten Geschäft keine vertraglichen Rechte oder Einwendungen herleiten (BGH, IX ZR 212/19). Erforderlich ist ein objektiver Nachweis des Missbrauchs, der massive Verdachtsmomente voraussetzt (BGH, VIII ZR 307/10, XI ZR 18/93 und XI ZR 239/93). Die objektive Evidenz ist insbesondere dann gegeben, wenn sich dem Geschäftsgegner nach den gegebenen Umständen eine Nachfrage bei dem Vertretenen geradezu aufdrängt (BGH, IX ZR 238/15).

Diese Grundsätze gelten auch gegenüber einer Bank im Rahmen der Autorisierung eines Zahlungsvorgangs. Allerdings werden Kreditinstitute im bargeldlosen Zahlungsverkehr nur zum Zwecke der technisch einwandfreien, einfachen und schnellen Abwicklung tätig und müssen sich schon wegen dieses eingeschränkten Geschäftszwecks und der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorfälle grundsätzlich nicht um die betroffenen Interessen ihrer Kunden kümmern. Ausnahmsweise können jedoch Warn- und Hinweispflichten der Kreditinstitute zum Schutz ihrer Kunden vor drohenden Schäden bestehen. Eine solche Pflicht ist im Überweisungsverkehr zu bejahen, wenn die überweisende Bank Kenntnis vom offensichtlich bevorstehenden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Überweisungsempfängers oder der Empfängerbank hat, wenn unklar ist, ob die erteilte Weisung Bestand hat oder wenn sich der Verdacht eines Missbrauchs der Vertretungsmacht aufdrängen muss (BGH, XI ZR 56/07).

Eine Warnpflicht besteht, wenn sich der Bank ohne nähere Prüfung im Rahmen der normalen Abwicklung des Zahlungsverkehrs aufgrund objektiver, auf massiven Verdachtsmomenten beruhender Anhaltspunkte der Verdacht einer Veruntreuung aufdrängt (BGH, XI ZR 96/11). Objektive Anhaltspunkte liegen insbesondere dann vor, wenn sich dem Geschäftsgegner nach den gegebenen Umständen eine Rückfrage bei dem Vertretenen geradezu aufdrängt (BGH, XI ZR 74/14).

Die Darlegungs- und für die fehlende Ermächtigung im Rahmen der Rückforderung und damit auch für den offensichtlichen Missbrauch der Vertretungsmacht trägt der Zahlende, also die Gesellschaft (BGH, IX ZR 212/19).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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