Wann gilt Hauptverhandlung als fortgesetzt (§229 IV StPO)?

Eine gilt im Sinne des § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO als fortgesetzt – und muss demgemäß nicht ausgesetzt werden – wenn in einem Fortsetzungstermin zur Sache verhandelt wird.

Das ist mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Fall, wenn Prozesshandlungen vorgenommen werden oder Erörterungen zu Sach- oder Verfahrensfragen stattfinden, die geeignet sind, das Verfahren inhaltlich auf den Urteilsspruch hin zu fördern und die Sache ihrem Abschluss substanziell näherzubringen.

Unterbrechung nach §229 StPO

Insoweit gilt, dass die in § 229 StPO normierten Unterbrechungsfristen im Hinblick auf die der Vorschrift zugrundeliegende Konzentrationsmaxime nur dann gewahrt sind, wenn in dem zur Fortsetzung der Hauptverhandlung anberaumten Termin zur Sache verhandelt, das Verfahren mithin inhaltlich auf den abschließenden Urteilsspruch gefördert wird. Das ist mit dem BGH immer der Fall, wenn es zu Verfahrensvorgängen kommt, welche die zur Urteilsfindung führende Sachverhaltsaufklärung betreffen.

Auch kann auch in der Befassung lediglich mit Verfahrensfragen eine Förderung des Verfahrens in der Sache liegen, wenn deren Ziel die Klärung ist, durch welche Untersuchungshandlungen der Aufklärung des Sachverhalts Fortgang gegeben werden kann:

Dies gilt insbesondere dann, wenn die für den Fortsetzungstermin in Aussicht genommene sonstige Förderung des Verfahrens infolge unvorhersehbarer Ereignisse nicht stattfinden kann. Denn es sind regelmäßig Situationen vorstellbar, in denen eine Hauptverhandlung aufgrund solcher Geschehnisse nur in wesentlich geringerem Umfang als geplant, möglicherweise sogar nur durch eine Entscheidung über die des Verfahrens nach § 228 StPO gefördert werden kann

BGH, 5 StR 47/22 – Zu alledem ausserdem: BGH, 3 StR 262/17, 4 StR 370/13 und 5 StR 496/20.

Blick auf Fristen schadet nicht

Der BGH schafft auch etwas Luft: Unter obigen Voraussetzungen ist die Dauer des Termins ebenso wenig von Bedeutung wie die Frage, ob dieser noch für weitere verfahrensfördernde Handlungen hätte genutzt werden können; gleichermaßen unschädlich ist es, wenn der Termin zugleich der Einhaltung der Unterbrechungsfrist dient, solange dies nicht das einzige Ziel ist (hierzu BGH, 3 StR 199/06). Aber: Wenn die Verfahrenshandlungen nur zum Schein vorgenommen werden, kann dies schaden – und der BGH prüft hier inhaltlich, was das Gericht gemacht hat!

Verstoß gegen §229 StPO in der Revision

Fraglich ist nicht selten das Beruhen auf dem Verstoß. Mit dem BGH kann schon im Regelfall nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf dem Verstoß gegen § 229 StPO beruht. Ein besonders gelagerter Ausnahmefall läge vor, wenn die Fristüberschreitung ersichtlich weder den Eindruck von der Hauptverhandlung abgeschwächt noch die Zuverlässigkeit der Erinnerung beeinträchtigt hat (dazu BGH, 4 StR 503/21 und 6 StR 95/22)

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
Benutzerbild von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.