Lange Zeit war es früher fraglich ob es ein „virtuelles Hausrecht“ überhaupt gibt und falls ja, wie es ausgestaltet ist. Dazu gibt es inzwischen eine recht umfassende Rechtsprechung. Der Klassiker schlechthin ist die Entscheidung des OLG Köln aus dem Jahr 2000 (AZ 19 U 2/00):
Ebenso wie das Landgericht ist der Senat der Ansicht, daß dem Verfügungskläger grundsätzlich ein „virtuelles Hausrecht“ zusteht. Ab welcher Intensität einer Störung eines allgemein zugänglichen Dienstes ohne besondere Zugangskontrollen und verbindlich formulierte Nutzungsbedingungen von diesem „Hausrecht“ Gebrauch gemacht werden darf, bedarf im Rahmen der nur summarischen Prüfung der Rechtslage bei der Entscheidung gemäß § 91 a ZPO keiner abschließenden Entscheidung
Vorangegangen war ein Urteil des LG Bonn (AZ 10 O 457/99), in dem jedenfalls festgehalten wurde, dass nicht willkürlich ein solches Hausverbot verhängt werden darf. Bestätigt wurde das inhaltlich zwischenzeitlich vom LG München I (AZ 30 O 11973/05).
Das OLG Hamm hat sich nun mit der Frage auseinandergesetzt (AZ 4 U 37/08) und dabei eine etwas andere Konstellation vorgefunden: Im Kern ging es nicht um einen „Störenfried“ sondern um jemanden, der exzessiv eine Seite nutzte und von einem Sicherheitssystem automatisiert gesperrt wurde. Interessant ist dabei, dass das OLG Hamm als erstes deutsches Gericht die Frage analysiert hat, was ein „normales Nutzerverhalten“ auf einer Webseite ist. Dazu führt das OLG aus:
Dabei mag ihr zuzugeben sein, dass allein die große Anzahl aufgerufener Seiten es für sich gesehen nicht rechtfertigt, ihr ein anormales Nachfrageverhalten vorzuwerfen.
Die Abfragesystematik insgesamt aber hat es dann doch so gedeutet, dabei steht zwischen den Zeilen eindeutig die Aussage, dass man im bereich eines Crawlers gesehen wird:
Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt allerdings darin, dass zur Überprüfung des gesamten Angebots der Beklagten 652 Aufrufe innerhalb von ca. zwei Stunden und damit mit einer durchschnittlichen Frequenz von 11 Sekunden erfolgt sind und hierbei lediglich die Produktlisten ohne detaillierte Produktinformationen mit Bilddaten angefordert und die Seiten innerhalb der Baumstruktur von unten nach oben abgefragt wurden.
Ein solches Vorgehen, d.h. die immense Anzahl von Seitenaufrufen innerhalb einer so kurzen Aufruffrequenz über einen derart langen Zeitraum in Verbindung mit einer derart atypischen Aufrufstruktur, verlässt ersichtlich den Bereich des normalen Kundenverhaltens.
Kein gewöhnlicher Abnehmer, der sich über das Internetangebot eines Unternehmens informieren möchte, wird, wie der Senat auch aus eigener Sachkunde beurteilen kann, in einer derartigen Art und Weise für die Dauer von zwei Stunden auf dessen Homepage zugreifen.
Hinzu kommt, dass kein normaler Kunde, der sich gewöhnlich nur für bestimmte Artikel interessiert, das gesamte Sortiment des Anbieters beobachtet und überprüft. […]
Sie verhält sich eben auch nicht wie ein normaler Kunde, der die Seiten anders als sie nutzt. Er ruft regelmäßig Einzelinformationen und auch Bilddateien auf, was im Regelfall auch länger dauert als das atypische Aufrufen der Seiten durch die Klägerin
Für ein „Hausverbot“ reicht sodann, dass das Verhalten schon die Gefahr einer Betriebsgefährdung beinhaltet, keinesfalls muss sich die Gefahr konkretisiert haben, so das OLG:
Der Seitenanbieter, hier die Beklagten, hat grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an dem Schutz seiner Internetpräsenz vor sicherheitsrelevanten Störungen und Angriffen.
Ihm kann es nicht verwehrt werden, geeignete Sicherheitssoftware hiergegen zu installieren. Dabei ist es ihm nicht zumutbar, es bei einem „verdächtigen“ Zugriff erst zu einer tatsächlichen Störung kommen zu lassen. Dann wäre sein Sicherheitssystem obsolet. Es muss vielmehr ausreichen, dass sich für das System das Verhalten des Testers so darstellt wie ein Verhalten, das gerade zum Einsatz des Sicherheitssystems geführt hat.
Auch wenn bei dem Verdacht eines störenden Zugriffs noch nicht feststeht, ob er dann eine nicht nur unerhebliche Störung verursachen würde, muss es in diesem Zusammenhang ausreichen, dass potentiell eine erhebliche Betriebsstörung droht bzw. dies zu einer Störung des zu kontrollierenden Betriebs führen kann
Letztlich ist in einer Gesamtschau zum Hausrecht festzuhalten, dass ein bereits vorbehaltenes „virtuelles Hausrecht“ am Ende meistens nichts anderes ist, als eine durch AGB geregelte Nutzungserlaubnis. Diese wird umrahmt von den Prinzipien des Wettbewerbsrechts sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Es ist insofern klug, grundsätzlich durch Nutzungsbedingungen festzuhalten, welche Art der Nutzung gestattet sein soll. Um dem Vorwurf eines willkürlichen Hausverbots zu begegnen, sollte man möglichst konkret definieren, wann ein „Hausverbot“ in Betracht kommt und ggfs. ein Verwarnungssystem einsetzen – moderne Systeme wie das Invision-Board oder phpBB bieten das von Haus aus. Die Regeln sollten konkretisiert sein. Ich selbst sehe einen grundsätzlichen Vorbehalt, dass man bei kostenloser Nutzung jederzeit ohne Gründe einzelne Nutzungsverträge kündigen kann sehr kritisch, das AG Karlsruhe sieht das wohl anders (hier bei uns).
Wer dann später ein Hausverbot ausspricht, muss unterscheiden:
- Wenn man sich auf das vorbehaltene Hausrecht beruft, muss das was man da vereinbart haben will, einer AGB-Prüfung stand halten. Wenn dem so ist, muss im nächsten Schritt geprüft werden, ob das Hausverbot von dem „virtuellen Hausrecht“ auch getragen ist.
- Letztlich verbleibt ansonsten nur die Möglichkeit, eine Kündigung des vorliegenden Nutzungsvertrags jedenfalls nach §314 BGB in Frage, womit ein anerkannter wichtiger Grund vorliegen muss (zu einer Mailliste siehe dieses Urteil)
Virtuelles Hausrecht im Metaverse?
Das Konzept des Hausrechts, das traditionell das Recht einer Person bezeichnet, über den Zugang zu und den Aufenthalt in ihren Räumlichkeiten zu bestimmen, könnte im Kontext des Metaverse eine neue Dimension erhalten. Im Metaverse, das aus virtuellen Räumen und Umgebungen besteht, könnte ein analoges Konzept des virtuellen Hausrechts Anwendung finden. Insbesondere die in diesem Beitrag dargestellte Rechtslage könnte entsprechend Anwendung finden! Dies würde bedeuten, dass die Betreiber bzw. Eigentümer von virtuellen Räumen das Recht haben, über den Zugang und das Verhalten innerhalb dieser Räume zu entscheiden.
Ein solches Recht könnte z.B. die Möglichkeit beinhalten, Nutzer vom Zugang zu bestimmten virtuellen Räumen auszuschließen oder Regeln für das Verhalten innerhalb dieser Räume aufzustellen. Die Durchsetzung eines solchen virtuellen Hausrechts würde jedoch Herausforderungen mit sich bringen, insbesondere im Hinblick auf die Identifizierung und das Verhalten der Nutzer sowie die technischen Möglichkeiten, Regelverstöße zu erkennen und darauf zu reagieren.
Rechtliche Fragen könnten in diesem Zusammenhang den Datenschutz, die Identifizierung von Nutzern, die Definition von Verhaltensregeln im virtuellen Raum und die Abgrenzung von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zwischen den Betreibern des Metaverse und seinen Nutzern betreffen. Angesichts des sich ständig weiterentwickelnden Charakters des Metaverse und der damit verbundenen Technologien ist es wahrscheinlich, dass sich die rechtliche Landschaft in Bezug auf das virtuelle Hausrecht und damit zusammenhängende Fragen weiterentwickeln und präzisieren wird.
Sonstiges
Neben den – evt. nicht ausdrücklich vorhandenen – Nutzungsbedingungen (etwa in einem Forum) kommt immer das Wettbewerbsrecht und allgemeine Persönlichkeitsrecht in Frage, um Grundlagen eines „virtuellen Hausverbots“ zu erarbeiten. Wenn etwa ein Konkurrent ein geschäftlich betriebenes Support-Forum aktiv stört, etwa mit Massen von Fake-Anfragen, wird immer die gezielte wettbewerbswidrige Behinderung in Betracht zu ziehen sein (§4 Nr.10 UWG), aus der sich ein Hausverbot herleiten lässt. Neben der Störung kommen auch andere Behinderungen wie das „Screen Scraping“ (dazu Härting, Rn.1128) in Betracht, um aus dem Wettbewerbsrecht ein Hausverbot abzuleiten, da man in einem solchen Vorgehen eine gezielte Behinderung im Sinne des UWG erkennen kann, sofern das Scraping in den Webseiten-Nutzungsbedingungen ausdrücklich untersagt war (so das OLG Hamburg, 3 U 191/08, anders aber später das LG Hamburg, 308 O 162/09 sowie das OLG Frankfurt, 6 U 221/08).
Ähnliche Gedanken beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht, wenn ein Neider aus dem privaten Umfeld ein hobbymäßig betriebenes Forum zu stören versucht – oder gar Stalking betrieben wird. Hier wird man auch ohne vorher formulierte Nutzungsbedingungen im Einzelfall ein Hausverbot aussprechen können.
Aus technischer Sicht begegnet das Hausverbot allerdings erheblichen Bedenken: Eine Sperre eines User-Accounts ist keine brauchbare Maßnahme, da jeder mit 5 Minuten Aufwand sich eine weitere Mail-Adresse besorgen und damit einen neuen Account einrichten kann. IP-Sperren sind auch nur sinnvoll, wenn der entsprechende Nutzer immer die gleiche Adresse bzw. den gleichen Adressraum nutzt. Wirklich effektiv kann man wohl nur vorgehen, wenn man den Nutzer eindeutig identifizieren kann – hier kann dann durchaus gehandelt werden. Die allseits bekannte Abmahnung ist dabei schon ein sehr probates Mittel, das mit einer einstweiligen Verfügung wirkungsvoll unterstrichen werden kann. Auch hier ist nochmals zu betonen, dass das keinesfalls willkürlich geht, man braucht schon handfeste Vorfälle, wie etwa Beleidigungen oder ernsthafte Störungen des Betriebs der Webseite. Aber auch das alles wird nicht weiterhelfen, wenn sich der Störenfried hinter einer guten Proxy oder einem Zweibelnetzwerk versteckt.
Am Ende bleibt daher die Erkenntnis, dass man darauf achten muss, nicht zu viel Energie in das Thema zu stecken. Jedenfalls wenn man eine wirklich aktive Community beherbergt, sind einige gut ausgewählte Moderatoren mehr wert und vertreiben jeden Störenfried effektiver, als so manches Hausverbot und die damit verbundenen juristischen Möglichkeiten. Hinzu kommt, dass zu jedem blühendem Forum bzw. jeder aktiven Community das „Foren-Unikat“ ebenso gehört, wie der „Haustroll“, ohne die schlicht etwas fehlen würde. Im Internet ist die juristische Lösung daher sicher kein stumpfes Schwert, aber soziale Kontrolle und aktives Ignorieren kann mitunter das etwas schärfere Schwert sein.
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