Vernehmungsunfähigkeit des Belastungszeugen bei Verdachtskündigung

Die einer im Eigentum des Arbeitgebers oder seines Auftraggebers stehenden Sache (hier: Sauerstoffgerät im Wert von mindestens 1.500 EUR) stellt ebenso wie der dringende Verdacht einer solchen Tatbegehung an sich einen wichtigen Grund zur frist­ losen (Tat­ bzw. Verdachts­)Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar. Der kündigende Arbeit­geber muss allerdings die Tatbegehung bei der Tatkündigung bzw. die den dringenden Ver­dacht begründenden Tatsachen bei der nachweisen.

Diese grundsätzliche Klarstellung traf das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 19.2.2019, 3 Sa 559/17). Zum Nach­weis des Arbeitgebers wies das Gericht auf die prozessualen Regeln hin. Fehlen im erstinstanzlichen Urteil Ausführungen zur Glaubwürdigkeit des maßgeblichen Belastungszeugen oder sind diese nicht schlüssig begründet worden, sondern wird begründungslos allein mit einem Wort pauschal die Glaubwürdigkeit attestiert, obwohl diese bereits erstinstanzlich ein Kern­streitpunkt der Parteien war und sich aufklärungsbedürftige Zweifel an der Glaubwürdigkeit durch ein naheliegendes Eigeninteresse des Zeugen und durch seine Bekundungen im Rahmen der erstinstanzlichen Vernehmung aufdrängen, entfalten die erstinstanzlichen Tatsachenfest­ stellungen insoweit keine Bindungswirkung. Auf eine entsprechende Rüge im Berufungsverfah­ ren muss das Berufungsgericht die Feststellungen selbst vornehmen, indem es den Zeugen erneut vernimmt.

Kann das Berufungsgericht jedoch keine erneute Feststellung mehr treffen, weil das angebotene Hauptbeweismittel – Vernehmung des Belastungszeugen – aufgrund dauerhafter Verneh­mungsunfähigkeit des Zeugen unerreichbar ist, geht dies zulasten der beweispflichtigen Partei. Es kann dann nicht ersatzweise doch wieder auf die unvollständigen, weil die Frage der Glaub­würdigkeit offenlassenden Feststellungen des Arbeitsgerichts zurückgegriffen werden. Das entsprechende Beweismittel gilt bei über einen Zeitraum von drei Monaten hinaus und auf absehbare Zeit fortdauernd attestierter Vernehmungsunfähigkeit als unerreichbar.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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