Wann liegt eine strafbare üble Nachrede vor? Die üble Nachrede besteht in der Behauptung oder Verbreitung ehrenrühriger nichterweislicher Tatsachen gegenüber einem Dritten, die geeignet sind, fremde Missachtung zu begründen.
Ein „Behaupten“ liegt dabei im Erklären einer ehrenrührigen Tatsache als nach eigener Überzeugung wahr. Unerheblich ist, ob dies als Ergebnis eigener oder fremder Wahrnehmung oder Schlussfolgerung dargestellt wird. Zur Abgrenzung von Tatsachen und Meinungsäußerungen siehe hier bei uns.
Behaupten von nichterweislichen Tatsachen
Ob eine ehrverletzende Behauptung nichterweislicher Tatsachen vorliegt, ist durch Auslegung des objektiven Sinngehaltes der Äußerung ausgehend von ihrem Wortlaut unter Berücksichtigung ihres Kontextes und der gesamten Begleitumstände zu ermitteln, wobei es darauf ankommt, wie ein alle maßgeblichen tatprägenden Umstände kennender unbefangener verständiger Dritter die Äußerung versteht:
Auf die subjektive Sicht und Bewertung des Adressaten sowie auf nach außen nicht hervorgetretene Vorstellungen, Absichten und Motive des sich Äußernden kommt es nicht an (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.11.2019 – 2 Rv 34 Ss 714/19 –, Rn. 10, juris unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss des 1. Senats vom 10.10.1995 – 1 BvR 1476/91 u.a., juris Rn. 125, BVerfGE 93, 266; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.09.2015 – 1 (8) Ss 654/14, juris Rn. 6).
Ist eine Äußerung mehrdeutig, darf der Tatrichter nur dann von einer zur Verurteilung führenden Deutung ausgehen, wenn er alle anderen, nicht strafbaren Auslegungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen hat (Valerius, in: Beck´scherOK, a.a.O., § 185 StGB Rn. 31 unter Hinweis auf BVerfGE 93, 266 (295 f.); NJW 2003, 660 (661); 2006, 207 (209); 2014, 3357 (3358); BayObLG NStZ-RR 2002, 210 (211); OLG Karlsruhe BeckRS 2019, 27662 Rn. 6 ff.).
Oberlandesgericht Hamm, 5 RVs 99/22
Angriff auf die Ehre
Die Feststellung, ob eine Erklärung einen Angriff auf die Ehre einer anderen Person enthält, ist hierbei grundsätzlich Sache des Tatrichters:
Dieser muss nicht nur den Wortlaut, sondern auch den Sinn einer Äußerung im Wege der Auslegung feststellen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.11.2019 – 2 Rv 34 Ss 714/19 –, Rn. 11, juris unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 15.03.1994 – 1 StR 179/93, juris Rn. 19, BGHSt 40, 97; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.03.2003 – III 2b Ss 224/02-2/03, juris Rn. 11, NStZ-RR 2003, 295).
Die Auslegung unterliegt wie die Beweiswürdigung nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Kontrolle. Das Revisionsgericht darf nur überprüfen, ob die Auslegung gegen Sprach- und Denkgesetze, Erfahrungssätze und allgemeine Auslegungsregeln verstößt (BGH, Urteil vom 15.11.1967 – 3 StR 4/67, juris Rn. 7, BGHSt 21, 371; KG Berlin, Beschluss vom 11.05.1998 – (4) 1 Ss 26/98 (18/98), juris Rn. 3; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.03.2003 – III 2b Ss 224/02-2/03, juris Rn. 11, NStZ-RR 2003, 295; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 01.06.2004 – 1 Ss 46/04, juris Rn. 4, NStZ 2005, 158).
Oberlandesgericht Hamm, 5 RVs 99/22
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