Recht am eigenen Bild vs. Beweisverbot

Wenn eine (unzumutbare) Beweisnot besteht, dürfen Aufnahmen von Personen gefertigt werden, um dieser Beweisnot zu begegnen – dieser Gedanke ist durchaus auf Anhieb zugänglich, wurde vom KG (16 WF 27/21) aber nochmals hervorgehoben.

Hier ging es um jemanden, der Verstöße gegen eine Gewaltschutzanordnung dokumentieren wollte, dann aber darum streiten musste, ob man nicht besser die Polizei gerufen hätte, was das KG – zu Recht – abgelehnt hat:

Dass die Antragstellerin sich zur Rechtfertigung ihres Verhaltens auf ein berechtigtes Interesse berufen kann, ergibt sich aus einer Abwägung der widerstreitenden Interessen: Die Antragstellerin befand sich offensichtlich in einer Beweisnot; aufgrund der gegebenen, konkreten Situation ist keine andere, ihr vernünftigerweise zumutbare Handlungsalternative ersichtlich. Ein Herbeitelefonieren der Polizei war in der konkreten Situation – entgegen der Annahme des Familiengerichts – offensichtlich nicht erfolgversprechend, weil der Antragsgegner, der die Örtlichkeit aufgrund seiner früheren Beziehung zur Antragstellerin genau kannte, bis zum Eintreffen der Polizei längst entkommen wäre; der Hof ist nämlich auf mehreren Seiten hin offen. Dass die Antragstellerin in der Lage gewesen wäre, den Antragsgegner mit körperlicher Gewalt am Weglaufen zu hindern, ist nicht nur lebensfremd, sondern hätte zu einer weiteren Eskalation der Situation geführt.

Die vorausgegangene Entscheidung des Familiengerichts hinterlässt im Übrigen Fassungslos: Wie man bei einem Stalker, der bereits Gewaltschutzanordnungen hatte, hiergegen nachweislich verstossen hatte, der strafrechtlich wegen eben dieses Verhaltes zu einer verurteilt wurde und eine abgegeben hatte … wie man hier ein gestalktes Opfer plötzlich in eine wechselseitig wirksame Annhäherungsverbots-verfügung seitens des Gerichts pressen konnte (und damit dem Stalker Macht quasi schenkte), ist nicht mehr nachvollziehbar. Überhaupt nicht mehr nachvollziehbar ist dann auch noch, wie das KG vollkommen zu Recht dem Familiengericht um die Ohren schlägt, dass man wieder einmal dem Opfer erzählt: „Du kannst ja die Polizei rufen“. Solche Arroganz kann man sich nur in wohlgewärmten Gerichtssälen ohne hinreichende eigene Erfahrung als Opfer von Straftaten leisten. Dass man leider auch bei Familiengerichten damit rechnen muss, untermauert der vorliegende lesenswerte Fall sehr deutlich.

Recht am eigenen Bild vs. Beweisverbot - Rechtsanwalt Ferner

Jens Ferner

Rechtsanwalt

Es läuft damit auf die übliche Abwägung hinaus, die auf keinen Fall Rechtsbrücke decken darf sondern vielmehr in einer Beweisnot helfen muss:

In dieser Situation müssen die Rechte des Antragsgegners, etwa sein Recht am eigenen Bild oder sein , hinter den schutzwürdigen Belangen der Antragstellerin zurücktreten: Denn einmal hielt er sich nicht in einem besonders geschützten Raum, etwa der eigenen Wohnung oder dem eigenen Anwesen auf, sondern in einem allgemein zugänglichen, von Anwohnern und Kunden als Parkplatz genutzten Hinterhof, der öffentlich einsehbar war. Dafür, dass der Antragsgegner im Kernbereich seiner Persönlichkeitsrechte betroffen wäre, ist daher nichts ersichtlich. Hinzukommt, dass es sich bei den gefertigten Aufnahmen nicht um eine anlasslose, permanente Bildaufzeichnung handelt, sondern die Antragstellerin hat in einer konkreten Situation nur einzelne Bilder vom Antragsgegner angefertigt. 

Im Ergebnis verbleibt es dabei: Eine Aufnahme anderer Personen ist weder per se unzulässig noch muss man sich in Beweisnot wegen pauschaler Beweisverwertungsverbote begeben. Gute Argumentation und Lebensnähe sind die ausschlaggebenden Faktoren – dass man nicht bei jedem Richter damit rechnen darf hat das Familiengericht (Amtsgericht Schöneberg) allzu peinlich untermauert.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.