Stromklau am Arbeitsplatz ist kein neues Thema – mit dem Aufkommen elektrischer Fahrzeuge gewinnt es aber neue Brisanz.
Vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (8 Sa 244/23) ging es nun um einen Arbeitnehmer, der als Rezeptionist in einem Beherbergungsbetrieb tätig war und regelmäßig in der Spätschicht eingesetzt wurde. Er hatte sein Hybridfahrzeug, einen weißen Golf, vor dem Beherbergungsbetrieb geparkt und über ein Ladekabel an einer 220-Volt-Steckdose im Flur des Seminartraktes aufgeladen. Als die beklagte Arbeitgeberin dies entdeckte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis fristlos. Diese Kündigung war Gegenstand eines Rechtsstreits.
Vergleich – die Kammer hatte Bedenken
In der mündlichen Verhandlung wies die Kammer darauf hin, dass das unerlaubte Aufladen des Privatfahrzeugs auf Kosten des Arbeitgebers an sich einen Kündigungsgrund darstelle. Dies gelte erst recht, wenn das Laden an einer 220-Volt-Steckdose und nicht an einer Wallbox oder einer dafür vorgesehenen Ladestation erfolgt. Allerdings hatte die Kammer bereits Zweifel, ob von einem unerlaubten Aufladen auszugehen ist. Hierzu hätte gegebenenfalls die erstinstanzliche Beweisaufnahme zur Frage der dem Kläger erteilten Erlaubnis wiederholt werden müssen.
Hintergrund ist, dass es eine Rolle spielen muss, ob privat mitgebrachte elektronische Geräte im Betrieb der Beklagten betrieben wurden und dies (geduldet) wurde. Typische Beispiele sind Kaffeemaschinen, Radios und Mikrowellengeräte. Darüber hinaus werden in vielen Betrieben auch Mobiltelefone aufgeladen. Ein Ladeverbot für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestand auch hier nicht: Die Hausordnung, die dies vorsah, richtete sich ausdrücklich nur an Gäste. Das Laden anderer elektronischer Geräte, wie z.B. Handys, durch Mitarbeitende wurde geduldet. Auch wenn es sich hierbei um eine andere Wertung handelt als beim Laden eines Hybridautos, hätte im konkreten Fall auch angesichts der bis dahin beanstandungsfreien Beschäftigungszeit wohl eine Abmahnung ausgereicht.
Zwar kann die Duldung der Stromentnahme in diesen Zusammenhängen nicht dazu führen, die Rechtswidrigkeit des Verhaltens zu verneinen. Im Rahmen der Interessenabwägung ist diese Praxis jedoch zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Denn sie lässt den Grad des Verschuldens als gering erscheinen. So hatte schon früher das Landesarbeitsgericht Hamm, 16 Sa 260/10 bei einem Roller entschieden.
Vorliegend wurde übrigens ein Vergleich getroffen, mit dem eine Abfindung gezahlt und das Arbeitsverhältnis beendet wurde.
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Geringer Schaden!
Auch der üblicherweise geringe Schaden spielt eine Rolle: Die Kosten für den Ladevorgang betrugen hier nur 0,4076 Euro. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund dabei ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine zweistufige Prüfung vorzunehmen:
- Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen Kündigungsgrund darzustellen.
- Liegt ein solcher Sachverhalt vor, ist weiter zu prüfen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist.
Auch wenn mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts selbst bei kleinen Beträgen eine Kündigung im Raum steht, ist gerade in diesen Fällen des „Stromklaus“ eher von einer Lappalie auszugehen, die in der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegen eine ausserordentliche Kündigung spricht (so schon Landesarbeitsgericht Köln, 3 Sa 408/11 zum Aufladen eines Rasierers am Arbeitsplatz). Aber es wird auf den Einzelfall ankommen, wer dies regelmäßig tut, wird schlechtere Karten haben als bei einem einmaligen Vorgang.
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