Kündigung wegen Aufladen von Rasierer am Arbeitsplatz?

Das Aufladen eines privaten Elektrorasierers am Arbeitsplatz stellt keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar, stellte das Landesarbeitsgericht Köln, 3 Sa 408/11, klar (Vorinstanz: Aachen, 5 Ca 1826/10 d). Das Gericht machte deutlich, dass selbst ein lächerlich geringer Schaden nicht ausreiche, um über eine Kündigung nachzudenken:

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine zweistufige Prüfung durchzuführen.

Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen Kündigungsgrund zu bilden. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (vgl. beispielsweise BAG, Urteil vom 17.04.2006 – 2 AZR 415/05 -, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 17; BAG, Urteil vom 28.08.2008 – 2 AZR 15/07 -, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 22; BAG, Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 -, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; Urteil vom 09.06.2011 – 2 AZR 381/10 -, NZA 2011, 1027 jeweils mit weiteren Nachw.).

Der Beklagte begründet die Kündigung damit, dass der Kläger am 15.04.2010 unberechtigterweise im Büro seinen privaten Rasierapparat aufgeladen und am darauffolgenden Tag, dem 16.04.2010, mehr als eine Stunde vor Dienstschluss die Kanzleiräume verlassen habe, ohne dies mit dem Beklagten oder der Bürovorsteherin abgeklärt zu haben.

Beide Gründe sind bereits „an sich“ ungeeignet, einen Grund für eine außerordentliche Kündigung zu begründen. Der erste Umstand der „Stromunterschlagung“ stellt angesichts der mit dem Ladevorgang für den Beklagten verbundenen äußerst geringfügigen wirtschaftlichen Belastung offensichtlich eine Lappalie dar. Selbst wenn man die Voraussetzungen der ersten Prüfungsstufe bejahen würde, wäre die Reaktion des Beklagten jedenfalls offensichtlich unverhältnismäßig.

Auch der zweite Vorwurf, der Kläger habe unberechtigterweise mehr als eine Stunde vor Dienstschluss seinen Arbeitsplatz verlassen, vermag die Anforderungen, die an einen „an sich“ zur Kündigung berechtigenden Grund zu stellen sind, nicht zu erfüllen. Auch hier hätte es zunächst eines klärenden Personalgesprächs bzw. des Ausspruchs einer deutlichen bedurft. Das gilt umso mehr, als nach dem eigenen Vortrag des Beklagten das Verhalten des Klägers nicht zu nachteiligen betrieblichen Auswirkungen geführt hat. Auch hier hat der Beklagte mit dem Ausspruch der außerordentlichen, fristlosen Kündigung deutlich überreagiert.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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