Auch im Rahmen der Geschäftsführerhaftung nach § 15a InsO (früher § 64 Satz 1 GmbHG) ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet – so das Oberlandesgericht Düsseldorf, 12 U 46/22.
Das OLG macht insoweit deutlich, dass in dem Moment, in dem eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO) die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet, die Beweislast nicht mehr beim Anspruchsteller (dem Insolvenzverwalter) liegt; inspweit führt das OLG zum ehemaligen §64 GmbhG aus:
Nach § 64 S. 2 GmbHG aF wird das Verschulden des Geschäftsführers vermutet, wenn er trotz objektiv bestehender Insolvenzreife Zahlungen leistet (BGH, Urt. v. 27.10.2020, a.a.O., S. 96 Rn. 53). Der Beklagte hat dabei auch die gegen ihn streitende Vermutung der Erkennbarkeit der Insolvenzreife zu widerlegen (BGH, Beschl. v. 24.09.2019 – II ZR 248/17, BeckRS 2019, 31312 Rn. 20). Hierzu hat er nichts vorgetragen, er hat vielmehr eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin abgestritten.
Im Falle einer Zahlungseinstellung bleibt dem Beklagten zwar die Möglichkeit, die nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO bestehende Vermutung der Zahlungsunfähigkeit zu widerlegen, indem er konkret vorträgt und ggf. beweist, dass eine Liquiditätsbilanz im maßgebenden Zeitraum für die Schuldnerin eine Deckungslücke von weniger als 10 % ausweist. Das bloße Bestreiten genügt insoweit nicht. Der Beklagte ist als Geschäftsführer, der mit den finanziellen Verhältnissen der insolvent gewordenen GmbH aufgrund seiner Tätigkeit vertraut ist, vielmehr gehalten, zu einer Liquiditätsbilanz, die Zahlungsfähigkeit belegen soll, konkret vorzutragen (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.2017 – II ZR 88/16, ZInsO 2018, 381, 388 Rn. 66). Auch die Berufungsbegründung enthält keinen Vortrag hierzu.
Wann liegt eine Zahlungseinstellung vor?
Zahlungseinstellung ist das nach außen in Erscheinung tretende Verhalten des Schuldners, das typischerweise zum Ausdruck bringt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Für die beteiligten Verkehrskreise muss sich zumindest der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.
Entscheidend für die Feststellung der Zahlungseinstellung ist die am Beweismaß des § 286 ZPO zu messende, aus einer umfassenden und widerspruchsfreien Würdigung des Prozessstoffes zu gewinnende Überzeugung, dass der Schuldner mangels liquider Zahlungsmittel nicht zahlen kann. Die Zahlungseinstellung kann aus einem einzigen Indiz abgeleitet werden, wenn dieses Indiz hinreichend aussagekräftig ist. Fehlt ein hinreichend aussagekräftiges Einzelindiz, kommt der Schluss auf eine Zahlungseinstellung nur in Betracht, wenn die Gesamtheit der Indizien die nach dem Beweismaß des § 286 ZPO begründete Überzeugung rechtfertigt.
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