Nach dem so genannten „Fotoklau“ kommt im Regelfall irgendwann die Abmahnung. Dabei wird der abmahnende Rechtsanwalt anhand eines genannten Streitwerts die Kosten für seine Inanspruchnahme in Rechnung stellen wollen. Die 4-5stelligen Summen verleiten schnell dazu, davon auszugehen, dass „das kleine Bild“ doch niemals „so viel Wert“ ist.
Eine kurze und kommentierte Streitwert-Übersicht soll hier für Klarheit sorgen, denn: Der Unterlassungsanspruch als solcher ist durchaus etwas Wert.
Zur unberechtigten Nutzung von Bildern („Fotoklau“) ebenfalls bei uns:
- Fotoklau: Welcher Gegenstandswert ist angemessen bei einer Abmahnung?
- Fotoklau: Zur Berechnung des Schadensersatzes bei Bilderklau
- Fotoklau: Schadensberechnung mit MFM-Tabellen?
- Urheberrechtsverletzung: Was ist die Lizenzanalogie?
- Fotoklau: 100% Aufschlag auf den Schadensersatz bei Nichtnennung des Urhebers (Verletzerzuschlag)
Fotoklau: Das Bild ist nicht so viel Wert?
Der Klassiker mit dem Abgemahnte ihre Anwälte als erstes konfrontieren: Der in einer Abmahnung angesetzte Gegenstandswert ist doch „vollkommen überhöht“. Das Bild „ist doch niemals so viel Wert“. Hier liegt die Krux: Es geht weniger um das Bild an sich, als vielmehr um das „Unterlassungsinteresse“ des Betroffenen, also das wertmäßige Interesse daran, dass sich dieser Vorfall nicht wiederholt. Ob das Bild wertvoll oder besonders anspruchsvoll ist, hat hiermit bestenfalls am Rande etwas zu tun. Die frühere Rechtsprechung ging hier mitunter von 5stelligen Gegenstandswerten aus, das hat sich in den letzten Jahren aber spürbar relativiert.
Grundsätzlich gilt: Bei urheberrechtlichen Unterlassungsklagen orientiert sich der Streitwert an dem Interesse des Klägers, künftige Verletzungen seines Urheberrechts zu verhindern. Dieses Interesse ist pauschalierend unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu bewerten (BGH, I ZR 153/20 und I ZR 1/15):
Dieses Interesse ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bei Lichtbildern nicht schematisch mit einer bestimmten Summe je verwendeten Bild zu bemessen. Vielmehr hat das Gericht eine Schätzung vorzunehmen (§ 3 ZPO) auf Grundlage des Werts des Schutzrechts und des sog. Angriffsfaktors.
Letzterem bemisst sich anhand der Intensität und des Umfang der drohenden weiteren Verletzungshandlungen, der Stellung von Verletzer und Verletzten, der Qualität der Urheberrechtsverletzung, der Art der Begehung des Rechtsverstoßes und einer hierdurch etwa begründeten Gefahr der Nachahmung durch Dritte sowie anhand von subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers, wie dem Verschuldensgrad sowie dessen Verhalten nach der Abmahnung (BGH, Urteil vom 12.05.2016 – I ZR 1/15 Rn. 34; Senat, Beschluss vom 22.08.2013 – 6 W 31/13; OLG Celle, Beschluss vom 11.06.2014 – 13 W 340/13; zit. nach juris).
Einer ev. Streitwertangabe des Klägers kommt Indizwirkung zu, sie ist für das Gericht aber nicht bindend. Geht es um Fotos und sind diese allein zu dem Zweck angefertigt worden, diese zu vermarkten durch Vertragsschluss mit im Internet geschäftlich handelnden Personen kann es sachgerecht sein, für die Streitwertemessung an einen etwaig vom Urheber aufgezeigten drohenden Lizenzschaden anzuknüpfen (Senat, a.a.O.).
OLG Brandenburg, 6 W 48/22
Rechtsprechung zum Streitwert bei unberechtigter Bildnutzung
Es gab in der Vergangenheit vor allem zwei bemerkenswerte Änderungen – einmal eine fest zementierte Rechtsprechung aus Köln, die auch bundesweit Beachtung gefunden hat – und dann eine Reform des Abmahnwesens, die bei Verbrauchern Auswirkungen hat. Dies lässt sich in den Auswirkungen wie folgt zusammenfassen: Es gibt eine Unterscheidung je nachdem, wie der Rechtsverletzer bzw. die Rechtsverletzung einzustufen ist:
Gewerbliche Rechtsverletzung
Es ist inzwischen gefestigte Rechtsprechung in Köln, dass von einem Gegenstandswert von 6.000 Euro auszugehen ist (OLG Köln, 6 W 265/14 & 6 W 123/14; LG Köln, 14 O 188/14). Hieran wird sich aller Voraussicht nach auch nichts ändern. Entsprechend vertritt das Landgericht Köln bei Rechtsverletzungen durch Unternehmen weiterhin die Auffassung, dass problemlos 6.000 Euro angemessen sind, unter 5.000 Euro wird man jedenfalls mit der OLG-Rechtsprechung nicht annehmen können. Diese OLG-Rechtsprechung wurde vom BGH inzwischen inhaltlich bestätigt (BGH, I ZR 187/17).
Kleingewerbliche Rechtsverletzung und Produktfotos
Im Falle einer kleingewerblichen Rechtsverletzung ist man vielleicht zu einer Absenkung auf 3.000 Euro bereit. In jedem Fall ist dies anzunehmen OLG Köln (6 W 256/11), wenn es um den Streitwert bei Lichtbildern geht und keine Lichtbildwerke betroffen sind (zur Unterscheidung siehe hier), wie es etwa bei Produktfotos der Fall sein wird.
Rechtsverletzung durch Privatperson
Bei Verbrauchern ist der „neue“ § 97a Abs. 3 UrhG zu beachten: Bei einer Rechtsverletzung einer „natürlichen Person“, die nicht gewerblich gehandelt hat und die bisher von dem Rechteinhaber noch nicht abgemahnt wurde, ist zwingend ein Gegenstandswert in Höhe von 1.000 Euro anzusetzen.
Fazit: Geringer Streitwert bei geringer Nutzung
Es hat sich inzwischen entwickelt, dass der Streitwert/Gegenstandswert je nach Nutzungsumfang zu reduzieren ist, wobei erst einmal von einem Unterlassungswert in Höhe von 6.000 Euro auszugehen ist. Bei privater Nutzung ist mit dem Gesetz der erheblich reduzierte Streitwert/Gegenstandswert von 1.000 Euro heran zu ziehen – bei gewerblicher Nutzung jedoch nicht, wobei die OLG-Rechtsprechung für Kleinstgewerbetreibende vielleicht bereit ist, Ausnahmen zu machen. Sofern aber eine normale Nutzung durch Geschäftsleute im Raum steht, wird man durchaus einen Streitwert von 6000 Euro vertreten können, solange es nicht um Produktfotografien geht.
Auswahl von weiterer Rechtsprechung zum Streitwert bei unberechtigter Bildnutzung
Im Übrigen bietet die frühere Rechtsprechung ein insgesamt relativ geschlossenes Bild:
- LG Hamburg (308 O 814/05): 1000 Euro pro Bild bei aufwändig erstellten Fotografien von Essen
- LG Hamburg (308 O 245/07): 6000 Euro für ein Bild bei aufwändig erstellter Fotografie von Essen
- OLG Zweibrücken (4 U 139/08): Aufwendig erstelltes Foto eines Models auf gut besuchter Webseite gezeigt, 3000 Euro
- LG Hamburg (308 O 101/08): 8000 Euro bei von einem Fotografen im Studio erzeugtem Bild
- LG Hamburg (308 O 580/08) 10.000 Euro bei 7 Fotos aus Gutachten
- LG München (21 T 21546/09): 10.000 Euro bei 6 Fotos und einer Lageskizze
- LG Düsseldorf (12 O 416/06): 10.000 Euro bei 5 Bildern, die bei eBay kopiert wurden für eigene Auktionen
- AG Köln (137 C 691/10): 2.500 Euro bei 6 Bildern in privater eBay-Auktion
- LG Düsseldorf (23 S 386/11): 6.000 Euro für ein Lichtbild
- OLG Hamburg (5 W 5/13): 2.000 Euro für ein Lichtbild bei eBay bei privater Nutzung
- LG Köln (28 O 551/06): 6.000 Euro bei einem Lichtbild
Jedenfalls die OLG Braunschweig (2 W 92/11), OLG Hamburg (5 W 5/13) und OLG Hamm (I-22 W 58/12) sahen schon damals bei privaten ebay-Auktionen andere Argumente und kommen mitunter gar auf einen 900 Euro Streitwert. Das OLG Brandenburg (6 W 31/13) dagegen ging einen ganz anderen Weg und setzt als Streitwert das 10fache des Lizenzschadens an – wenn es dann (wie in dieser Entscheidung) um 45 Euro pro Bild geht, macht das 450 Euro Streitwert pro Bild bei Fotoklau. Diese Rechtsprechung hat sich aber nicht durchgesetzt und dürfte bei privaten Nutzern inzwischen ohnehin obsolet sein.
Fazit zum Streitwert bei unberechtigter Bildnutzung
Im Regelfall wird man von einem Streitwert um die 6.000 Euro ausgehen können, im Einzelfall gibt es durchaus Luft nach unten die man aber mit Argumenten erarbeiten muss.
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