Wird der gegenüber dem Arbeitnehmer erhobene Kündigungsvorwurf in der Betriebsöffentlichkeit grob übertrieben und inhaltlich falsch dargestellt, kann der Arbeitnehmer die Unterlassung genau dieser Äußerung in der Betriebsöffentlichkeit verlangen.
Hierauf wies das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (12 SaGa 15/20) hin. Im betreffenden Fall hatte der Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern gegenüber behauptet, der Kläger habe alle Kundendaten in seiner Filiale gefälscht. Tatsächlich sah der Kündigungsvorwurf aber lediglich vor, dass von 10.000 Kundendaten „nur“ 107 gefälscht seien:
Wird der gegenüber dem Arbeitnehmer erhobene Kündigungsvorwurf in tatsächlicher Hinsicht in der Betriebsöffentlichkeit grob übertrieben und inhaltlich falsch dargestellt – Vorwurf der Fälschung aller Kundendaten, von denen ca. 10.000 existieren, wenn „nur“ 107 Fälschungen behauptet werden – kann der Arbeitnehmer die Unterlassung genau dieser Äußerung, d.h. der Fälschung aller Kundendaten, in der Betriebsöffentlichkeit verlangen.
Interessant hier war, dass der Arbeitnehmer nicht namentlich genannt wurde – was im Ergebnis aber nichts ändert: Eine Äußerung, die weder bestimmte Personen benennt noch erkennbar auf bestimmte Personen bezogen ist, sondern ohne individuelle Aufschlüsselung ein Kollektiv erfasst, kann unter bestimmten Umständen auch ein Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs sein. Hierzu führt das LAG weiter aus:
Je größer das Kollektiv ist, auf das sich die herabsetzende Äußerung bezieht, desto schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder geht. Auf der imaginären Skala, deren eines Ende die individuelle Kränkung einer namentlich bezeichneten oder erkennbaren Einzelperson bildet, steht am anderen Ende die abwertende Äußerung über menschliche Eigenschaften schlechthin oder die Kritik an sozialen Einrichtungen oder Phänomenen, die nicht mehr geeignet sind, auf die persönliche Ehre des Individuums durchzuschlagen (BVerfG 16.01.2017 – 1 BvR 1593/17, juris Rn. 16). Maßgeblich dafür, ob eine einzelne Person – auch – als Teil des Kollektives von der Äußerung betroffen ist, ist der Einzelfall (vgl. BGH 08.07.1980 – VI ZR 177/78, juris Rn. 45; BeckOKBGB/Hau/Poseck, 55. Edition 01.08.2020, § 12 BGB Rn. 174).
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