Bereits vor einigen Jahren hat das Landgericht Aachen (67 KLs – 901 Js 193/12 – 11/12) klar gestellt, dass die Entscheidung, welche Aktenteile ein Verteidiger für seinen Mandanten kopiert, grundsätzlich in seinem Ermessen liegt:
Aus Sicht eines sorgfältigen und vernünftigen Verteidigers kann es erforderlich sein, dem Mandanten Akten(-bestandteile) in Kopie zur Verfügung zu stellen, wenn dieser die Kopien benötigt, um gemeinsam mit dem Verteidiger die Verteidigung einzurichten. Dabei kann es erforderlich sein, dass der Mandant selbst die Möglichkeit hat, umfassend, sorgfältig und ohne Zeitdruck den Akteninhalt ganz oder teilweise auch durch mehrmaliges Lesen zu erfassen, um sich in die Gestaltung der Verteidigung konstruktiv einzubringen. Hierzu kann gehören, dass der Mandant durch Aushändigung von Kopien in die Lage versetzt wird, den Verteidiger auf Umstände hinzuweisen, deren Erheblichkeit dem Verteidiger entgangen ist oder deren Erheblichkeit sich dem Verteidiger mangels eigener Wahrnehmung von tatsächlichen Geschehensabläufen nicht erschlossen hat oder erschließen konnte. Dies kann auch prozessuale Umstände erfassen, die sich aus den Akten ergeben. Der sorgfältige Verteidiger ist daher nicht gehalten, den Mandanten immer ausschließlich über die Aktenbestandteile zu informieren, die er nach eigener Prüfung für erheblich hält.
Vielmehr muss er auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass der Mandant in Aktenbestandteilen bedeutsame Umstände erkennt, die der Verteidiger zunächst für unerheblich gehalten hat. Es liegt daher in seinem Ermessen, welche Aktenbestandteile er dem Mandanten in Kopie zur Prüfung übergibt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich sowohl dem Staatsanwalt, als auch dem Richter die Akte vollumfänglich jederzeit zur Verfügung steht und beide jede Überlegung sofort mit einer Prüfung jeden Teils der Akte verbinden können. Hinzu kommt, dass sich der zuständige Staatsanwalt durch Führung des Ermittlungsverfahrens schrittweise über einen längeren Zeitraum tiefgehende Aktenkenntnis aneignen kann. Dies ist dem Verteidiger und seinem Mandanten nicht in gleicher Weise möglich. Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet es, dem Verteidiger und seinem Mandanten eine Arbeitseffektivität zu ermöglichen, die strafprozessual als waffengleich zu betrachten ist.
Um sich Diskussionen bei der Erstattung und Festsetzung zu ersparen, sollte der Strafverteidiger wohl besser entsprechend § 46 Abs. 2 S. 3, 1 RVG die Feststellung der Erforderlichkeit der Anfertigung der Aktenkopie durch das Gericht beantragen.
- Dubai Unlocked: Die dunkle Seite der glitzernden Immobilienwelt - 10. November 2024
- LG Münster zu Onecoin - 10. November 2024
- Aktuelle Hinweise zur Gestaltung „sicherer“ Software - 10. November 2024