Aus Sicht des Bundesamtes für Verfassungsschutz hat die Führung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) in den letzten Jahren ihre Bemühungen verstärkt, im Ausland hochwertige politische Informationen zu sammeln und Entscheidungen zu beeinflussen. Dieses globale Netzwerk wird hauptsächlich von der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (IDCPC) koordiniert.
Daher wurde eine Warnung mit konkreten Handlungsempfehlungen herausgegeben, die auch Auswirkungen auf die Compliance von Unternehmen haben:
- Lassen Sie bei Kontakten mit dem IDCPC oder IDCPC-Mitgliedern besondere Vorsicht und Zurückhaltung walten.
- Vermeiden Sie im Umgang mit IDCPC-Angehörigen alle Handlungen, die den Tatbestand des § 99 StGB erfüllen könnten.
Sachverhalt aus der Sicht des Bundesamtes
Das IDCPC, das dem Zentralkomitee der KPCh untersteht, hat das erklärte Ziel, die chinesische „Reform- und Öffnungspolitik“ und den „Sozialismus mit chinesischen Merkmalen“ umzusetzen. Seine Mitglieder sind weltweit tätig, um Kontakte zu Politiker:innen, Parteien und parteinahen Organisationen zu knüpfen. Darüber hinaus versteht sich das IDCPC als Forschungseinrichtung, die im Austausch mit akademischen Einrichtungen im In- und Ausland Studien zur weltpolitischen Lage, zu Parteien, sozialistischen Bewegungen und wichtigen internationalen Fragen durchführt.
In Deutschland konzentriert sich das IDCPC auf den Aufbau und die Pflege von Kontakten zu Parteien und Abgeordneten. Sie versuchen, Parlamentarier:innen aller Parteien für „chinesische Werte“ zu gewinnen. Dazu gehört auch die Einladung deutscher Abgeordneter nach China, um deren Chinabild im Sinne der KPCh-Agenda zu „korrigieren“.
Laut Bundesamt für Verfassungsschutz hat sich das Aufgabenspektrum des IDCPC in den letzten Jahren unter der Führung von Xi Jinping deutlich erweitert. Was ursprünglich als Kontaktvermittlung zu ideologisch gleichgesinnten Parteien und Organisationen weltweit gedacht war, hat sich zu einer alternativen Form zwischenstaatlicher Diplomatie entwickelt. Ziel ist es, ausländische Entscheidungsträger:innen und Einrichtungen im Sinne der Agenda der KPCh zu beeinflussen und bestehende Kontaktnetzwerke zur Informationsbeschaffung zu nutzen.
Viele deutsche Politiker:innen, Parteien und politische Organisationen betrachten das IDCPC aufgrund von historisch gewachsenen Beziehungen als vertrauensvollen und wichtigen Kooperationspartner. Dies ermöglicht es den IDCPC-Mitgliedern, mit einer Vielzahl einflussreicher Persönlichkeiten in Deutschland in Kontakt zu treten und diese für chinesische Interessen zu gewinnen.
Die Funktion des IDCPC hat sich gewandelt und übernimmt zunehmend Aufgaben der Informationsbeschaffung und Einflussnahme, die ursprünglich von zivilen und militärischen Nachrichtendiensten wahrgenommen wurden. Nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz agiert das IDCPC de facto wie ein Nachrichtendienst der Volksrepublik China und ist damit dem chinesischen Nachrichtendienstapparat zuzurechnen.
Rechtliche Problematik: geheimdienstliche Agententätigkeit
Nach juristischer Auslegung wird ein Nachrichten- oder Geheimdienst im Kontext des § 99 StGB als eine auf Dauer angelegte staatliche Organisation verstanden, die systematisch, zum Teil mit verdeckten Methoden, Informationen aus dem Ausland sammelt. Hauptziel ist es, die eigene Regierung über politische Entwicklungen sowie militärische und wirtschaftliche Möglichkeiten anderer Staaten zu informieren. In der Rechtsprechung hat sich jedoch eine funktionsbezogene Sichtweise durchgesetzt, insbesondere wenn es um Fragen der Proliferation oder des Staatsterrorismus geht und die Organisation als „Geheimdienst einer fremden Macht“ eingestuft werden kann.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wendet diesen funktionalen Ansatz bei der Bewertung des IDCPC an und berücksichtigt dabei das gesamte Aufgabenspektrum und die tatsächlichen Aktivitäten seiner Mitglieder. Auf der Grundlage dieser Bewertung kommt das BfV zu dem Ergebnis, dass der IDCPC in der Praxis wie ein Nachrichtendienst der Volksrepublik China agiert und somit dem chinesischen Nachrichtendienstapparat zugerechnet werden kann.
Aus Sicht des Strafverteidigers ist hier dringend zu warnen, da der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung insbesondere in den 90er-Jahren den Tatbestand sehr weit gefasst hat. Nicht nur, dass – trotz des klaren Wortlauts des Gesetzes – bereits ein Eventualvorsatz ausreicht und gerade kein zielgerichteter Vorsatz erforderlich ist, sondern es kann auch ausreichen, dass man sich einer solchen Tätigkeit gleichgültig hingibt, um eigene andere Ziele zu erreichen – so kann schon die Tätigkeit als „Möchtegern-Agent“ unter die Norm fallen. Unternehmen mit China-Bezug sind gut beraten, Management und Mitarbeiter, speziell im Vertrieb, entsprechend zu sensibilisieren und zu schulen.
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