Wer einen Bewerber auf eine offene Arbeitsstelle wegen seines Geschlechts ablehnt, muss bisweilen tief in die Tasche greifen. Das musste ein Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Krefeld erfahren.
Er hatte die folgende Stellenausschreibung veröffentlicht:
„Zur Verstärkung unseres Teams suchen wir kurzfristig eine Kaufm. Angestellte Empfang und allgemeine Bürotätigkeit Nachmittags 4 bis 5 Std. täglich von Montag bis Freitag. Wir erbitten Ihre schriftliche Bewerbung mit Foto per Post oder E-Mail“.
Es bewarb sich ein arbeitsloser Mann mit einer Ausbildung zum Industriekaufmann, der über eine mehrjährige Berufserfahrung in allen kaufmännischen Bereichen sowie über PC-Erfahrung verfügte. Der Arbeitgeber teilte ihm mit, dass eine Anstellung leider nicht in Frage käme. Er wolle die Stelle ausschließlich mit einer Frau besetzen. Daraufhin verklagte ihn der Bewerber und verlangte eine Entschädigung in Höhe von 3.000 EUR.
Das Gericht wies auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hin. Ziel dieses Gesetzes sei es, Benachteiligungen unter anderem wegen des Geschlechts zu verhindern oder zu beseitigen. Bei einem Verstoß gegen dieses Verbot könne der Benachteiligte Schadenersatz oder eine angemessene Entschädigung verlangen. Werde ein Stellenbewerber unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot abgelehnt, könne eine Entschädigung in Höhe von bis zu drei Monatsgehältern durch das Gericht zugesprochen werden. Das gelte auch, wenn der abgelehnte Bewerber nicht der am besten Qualifizierteste war:
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 GG ist der Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Beschäftigte gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Diese darf jedoch bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG.
Arbeitsgericht Bonn, 5 Ca 1201/19
Für eine Diskriminierung kann es dabei schon reichen, wenn man gar nicht erst zu einem Gespräch eingeladen wird: Der Bewerber wird auch – dadurch, dass er nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen und nicht eingestellt wird – unmittelbar iSv. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt, denn er hat eine ungünstigere Behandlung erfahren als der oder die letztlich eingestellten Person/en (vgl. dazu BAG 16. Mai 2019 – 8 AZR 315/18 – Rn. 15).
§ 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (BAG 25. Oktober 2018 – 8 AZR 501/14 – Rn. 51). Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Dabei sind alle Umstände des Rechtsstreits in einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (BAG 16. Mai 2019 – 8 AZR 315/18 – Rn. 15)
Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (vgl. EuGH 16. Juli 2015 – C-83/14 – Rn. 85; BAG 16. Mai 2019 – 8 AZR 315/18 – Rn. 15). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises. Der Arbeitgeber muss Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (vgl. dazu BAG 16. Mai 2019 – 8 AZR 315/18 – Rn. 15).
Im vorliegenden Fall kam dem Arbeitgeber nur zugute, dass zwischen den Parteien streitig war, ob es sich um eine ernst gemeinte Bewerbung gehandelt habe. Der Bewerber hatte in den vergangenen Monaten bereits in mehr als zehn vergleichbaren Fällen verschiedene Arbeitgeber auf Entschädigung verklagt, die in ihren Stellenausschreibungen nur nach einer weiblichen Angestellten gesucht hatten. Die Parteien schlossen daher einen Vergleich. Darin verpflichtete sich der Arbeitgeber zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 200 EUR brutto (ArbG Krefeld, 3 Ca 2615/07).
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