Verhältnismäßigkeit einer arbeitsrechtlichen Abmahnung

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist im Rahmen der gerichtlichen Abmahnungskontrolle nur insoweit von Bedeutung, als es um die Form und die Umstände der geht, nicht aber um die Frage, ob die Abmahnung als solche eine Überreaktion darstellt (LAG Köln, 13 Sa 137/95; Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, 2 Sa 350/05; BAG, 7 AZR 893/93). Auch für den Gleichbehandlungsgrundsatz ist im Abmahnungsrecht kein Raum (LAG Sachsen, 9 Sa 250/21).

Bei Abmahnungen im Arbeitsverhältnis ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (BAG, 5 AZR 962/77 und 5 AZR 74/91). Danach ist die Ausübung eines einseitigen Bestimmungsrechts unzulässig, wenn sie zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des anderen Teils führt und andere, weniger einschneidende Maßnahmen möglich gewesen wären, die den Interessen des Berechtigten ebenso gut Rechnung getragen hätten oder ihm zumindest zumutbar gewesen wären. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip wird als Übermaßverbot zur Vermeidung schwerwiegender Rechtsfolgen bei nur geringfügigen Rechtsverstößen verstanden (BGH, VIII ZR 46/79).

Bei der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch den hat der Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung zunächst selbst zu entscheiden, ob er ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers missbilligt und deshalb eine mündliche oder schriftliche Abmahnung erteilen will (BAG, 5 AZR 340/85 und 5 AZR 801/76).

Eine Abmahnung ist allerdings nicht schon deshalb unzulässig, weil der Arbeitgeber über den erhobenen Vorwurf auch hinwegsehen könnte (BAG, 5 AZR 74/91), etwa weil dem Arbeitnehmer ein bewusster Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten fern lag.

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Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten ist und nicht etwa dazu führt, dass – ohne weitere Anhaltspunkte – einer Abmahnung grundsätzlich immer eine Ermahnung vorauszugehen hat. Auch bei erstmaligen und nur geringfügigen Pflichtverletzungen kann eine Abmahnung verhältnismäßig sein. Soweit bei Pflichtverletzungen mehrere Reaktionen möglich sind, kann § 242 BGB insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen allerdings dazu verpflichten, die mildere Reaktion zu wählen.

Als mildere Reaktion zur Abmahnung kommt grundsätzlich eine Ermahnung in Betracht, also ein unterhalb der Schwelle der Abmahnung liegender Hinweis darauf, dass nach Auffassung des Arbeitgebers eine Pflichtverletzung vorliegt, ohne dass damit eine Warnung für die Zukunft hinsichtlich einer Bestandsgefährdung verbunden ist. Im Gegensatz zur Abmahnung dient die Ermahnung nicht der Vorbereitung einer Kündigung, da es an der erforderlichen Warnfunktion fehlt. Der Arbeitgeber kann verpflichtet sein, den Arbeitnehmer auf sein Fehlverhalten hinzuweisen, ohne ihm für den Wiederholungsfall sofort Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis anzudrohen. Unverhältnismäßig ist eine Maßnahme dann, wenn sie bei einer Kollision von Interessen und Freiheiten die eine Seite stärker beeinträchtigt, als es zu dem angestrebten Ausgleich erforderlich ist (Sächsisches Landesarbeitsgericht, 2 Sa 453/20).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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