Präventive Anschlusssicherstellung von Datenträgern

Beim Verwaltungsgericht Frankfurt a.M. (5 K 641/19.F) ging es um die Sicherstellung von Datenträgern durch die Polizei im Zuge der Gefahrenabwehr. Hintergrund war §40 HSOG, der laut Gericht „eine Sonderheit der Länder Hessen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt“ darstellen soll. Mit dieser Norm können (auch) Polizeibehörden eine Sache sicherstellen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie zur Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebraucht oder verwertet werden soll.

Tatsächlich ist dies keineswegs besonders, immer mehr Polizeigesetze kennen diese Regelung, in NRW etwa ist dies in §43 PoLG NW vorgesehen – und wird zunehmend extensiv genutzt, etwa bei BTM-Delikten zur von Geld (m.E. grob Rechtswidrig, die Betroffenen können sich aber mangels Hilfe selten wehren). Beim VG Frankfurt ging es nun um die Frage, wie man damit umgeht, wenn nach Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft die Herausgabe von Datenträgern zu erwarten ist, die Polizei diese dann aber gefahrenabwehrrechtlich sicherstellt.

Jedenfalls ich in meiner Praxis beobachte seit längerem, dass mit einer an Willkür grenzenden Arbeitsweise ständig – quasi sanktionierend – Dinge beschlagnahmt wurden, wo man sich in schlichten Vermutungen verliert. Das Verwaltungsgericht macht nun deutlich, dass man aus dem strafrechtlichen Verfahren durchaus rückschliessen kann: Wenn Ermittlungsgegenstand Offizialdelikte waren, ist mit dem VG nicht davon auszugehen, dass im strafrechtlichen gegen den Kläger seitens der Staatsanwaltschaft und ihrer Ermittlungspersonen ganze Bereiche nicht mit der Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit auf ihre strafrechtliche Relevanz überprüft wurden, die ein bestehender Anfangsverdacht im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO erforderte.

Weiter noch führt das Verwaltungsgericht aus, dass wenn man mit dem annimmt, dass weder ein allgemeiner Vorrang der Strafprozessordnung gegenüber dem Gefahrenabwehrrecht noch umgekehrt ein solcher des Gefahrenabwehrrechts gegenüber der Strafprozessordnung besteht, Beweismittel nicht von vornherein nicht in die Ermittlungen einbezogen und ihre rechtliche Würdigung einer präventiven Anschlusssicherstellung überlassen bleiben dürfen.

Wenn dann mangels vorhandener Anschlusskriterien ein Verfahren mangels Tatverdacht eingestellt wurde, sind „tatsächliche Anhaltspunkte“, die eine weitere Sicherstellung der streitgegenständlichen asservierten Sachen rechtfertigen könnten, kaum denkbar. So fasst das VG zusammen:

An sich rechtfertigen „tatsächliche Anhaltspunkte“ die Annahme, wenn es nach polizeilicher Erfahrung als möglich erscheint, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und hierfür bestimmte Indizien sprechen (vgl. Nr. 13.1.1 Satz 3 der Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Meixner/Fredrich, HSOG, 12. Aufl. – 2016, § 40 Rn. 11), denn nur im Zusammenwirken der subjektiven Komponente polizeilicher Erfahrung mit der objektiven bestimmter Indizien ist in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise zu gewährleisten, dass nicht im Wesentlichen Vermutungen, sondern konkrete und im gewissen Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis für den Verdacht vorliegen (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 14. Juli 1999 – 1 BvR 2226/94, 2420, 2437/95 –, BVerfGE 100, 313 Hornmann, HSOG, § 40 Rn. 23 ff.).

Wegen der Vorverlegung der Eingriffsschwelle durch § 40 Abs. 1 Nr. 4 HSOG (vgl. Graulich/Rachor, PolR-HdB E 670) müssen an die zu verlangenden Indizien also eher hohe Anforderungen gestellt werden, um nicht die Grenzen der Eigentumsgewährleistung zu überschreiten.

Verwaltungsgericht Frankfurt a.M., 5 K 641/19.F

Die Entscheidung ist wichtig und gut, sie zeigt auf, dass Potential für Gegenwehr besteht – auf Grund der regelmässig per Verwaltungsakt erklärten Sicherstellung samt Fristlauf für eine zwingend zu erhebende (jedenfalls in NRW) sollte hier frühzeitig geeigneter Rat gesucht werden, bevor alleine wegen des Fristablaufs Gegenwehr nicht mehr möglich ist.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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