Pflichtverteidigung: Vertretung im Adhäsionsverfahren

Der Streit ist alt, nun postiert sich der 6. Senat und vertritt die Auffassung, dass die Bestellung eines Pflichtverteidigers auch die Vertretung im umfasst:

Ist die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig im Sinne von § 140
, so erstreckt sich diese Notwendigkeit auf das gesamte Verfahren (§ 143 Abs. 1 StPO), mithin auch auf die Verteidigung gegen Adhäsionsanträge …

Dies ergibt sich bereits aus der engen tatsächlichen und rechtlichen – in der Regel untrennbaren – Verbindung zwischen der Verteidigung gegen den Tatvorwurf und der Abwehr des aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruchs des Verletzten im Sinne von § 403 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 2001 – 3 StR 25/01, BGHR StPO § 397a Abs. 1 Beistand 4). Die sich aus der strafprozessualen Verknüpfung von Tat und Anspruch resultierende Effizienz ist gerade Zweck des Adhäsionsverfahrens (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 31. Mai 2001 – 2 [s] Sbd. 6 – 87/01). Auch der Gesetzgeber ist mit der Regelung der Nr. 4143 RVG-VV davon ausgegangen, dass die das Adhäsionsverfahren betreffende Gebühr ohne Weiteres dem „“ zusteht (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 228; siehe außerdem Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., Nr. 4143 VV, Rn. 21).

Die in zeitlicher und sachlicher Hinsicht umfassende Wirkung der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist überdies der durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I, S. 2128) neugefassten Vorschrift des § 143 Abs. 1 StPO zu entnehmen. Denn der Gesetzgeber hat die 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren (ABl. L 297 vom 4.11.2016, S. 1, „PKH-Richtlinie“) unter Beibehaltung des Systems der notwendigen Verteidigung in nationales Recht umgesetzt (vgl. BT-Drucks. 19/13829, S. 2). Er hat eine Entscheidung gegen die „antragsbasierte Prozesskostenhilfe für Beschuldigte anstelle oder neben der notwendigen Verteidigung“ getroffen (vgl. BT-Drucks. 19/13829, S. 4, 27), weil es „keine Vorteile mit sich bringen würde“. Daraus wird deutlich, dass es nach dem Willen des Gesetzgebers im Strafverfahren kein Nebeneinander von Prozesskostenhilfe und notwendiger Verteidigung geben soll.

BGH, 6 StR 307/21
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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