Seit langem ist in der Rechtsprechung höchst umstritten, ob ein Mietwagen-Unternehmen an sich abgetretene Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall beitreiben darf. Hintergrund ist die Frage, ob ein derartiges Vorgehen gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstößt oder nicht. Hier hatte sich bereits, recht unbemerkt, eine kleine Wendung in der Rechtsprechung ergeben. Nun hat sich auch der Bundesgerichtshof geäußert.
In der bisherigen Rechtsprechung waren u.a. diese Gerichte der Meinung, es handele sich um einen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz:
- Landgericht Stuttgart (4 S 154/10; 4 S 278/10, 5 S 207/10)
- Landgericht Saarbrücken (7 O 222/09)
- Landgericht Konstanz (61 S 40/10 c)
- AG Kehl (4 C 69/11)
Anders dagegen:
- Landgericht Baden-Baden (3 S 78/09)
- Landgericht Darmstadt (25 S 230/09)
- Landgericht Frankenthal (2 S 163/10)
- Landgericht Köln (9 S 252/10, 4 S 278/10)
- Landgericht Mönchengladbach (5 S 110/08)
- Landgericht Stade (1 S 37/10)
- LG Düsseldorf (21 S 418/10)
- AG Waiblingen (8 C 1039/10)
- AG Köln (266 C 63/10)
- AG Düsseldorf (54 C 1675/10)
Die Rechtsprechung ist also zwar uneinheitlich, aber eher der Auffassung, dass kein Verstoß gegen das RDG vorliegt. Dieser Tendenz hat sich nun das OLG Stuttgart (7 U 109/11) angeschlossen und damit erstmalig als OLG Position bezogen. Des Weiteren dürfte Bedeutung haben, dass der Rechtsprechung des LG Stuttgart damit der Boden entzogen wurde und zugleich die Sache von Stuttgart aus, im Zuge der Revision, dem BGH (VI ZR 245/11) vorgelegt wurde. Eine Höchstrichterliche Entscheidung wird dazu vielleicht also auch noch kommen.
Das OLG Stuttgart hat sich dem Argument der bisherigen Rechtsprechung angeschlossen, dass jedenfalls dann, wenn sich die Autovermietung die Ansprüche sicherungshalber abtreten lässt, keine Bedenken bestehen. Diese Abtretung ist einerseits nicht zu beanstanden, da ein Sicherungsbedürfnis der Autovermieter anzuerkennen ist. Tritt dann der Sicherungsfall ein, so verfolgt die Autovermietung mit der Geltendmachung der abgetretenen Forderung kein fremdes Geschäft: Gerade im Sicherungsfall ist die Verwertung der Sicherheit vielmehr ein eigenes Geschäft der Klägerin. Damit ist das RDG nicht mehr berührt. Offen gelassen hat das OLG, ob sich die Tätigkeit der Autovermietung in diesen Fällen als – erlaubtes Nebengeschäft i. S. v. § 5 Abs. 1 RDG darstellt (so aber AG Düsseldorf, 54 C 1675/10 und LG Köln, 9 S 334/10).
Im Ergebnis war damit schon derzeit eher davon auszugehen, dass das bisherige Geschäftsmodell vertretbar sein dürfte. Nun hat sich der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 31. Januar 2012, Aktenzeichen VI ZR 143/11, wie folgt geäußert:
Die Einziehung der an die Klägerin erfüllungshalber abgetretenen Schadensersatzforderung der Geschädigten sei auch dann, wenn man vom Vorliegen einer Rechtsdienstleistung ausgehe, jedenfalls nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG erlaubt. Nach dieser Vorschrift sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Handelnden gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind (§ 5 Abs. 1 Satz 2 RDG). Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG sind erfüllt, wenn – wie im Streitfall – allein die Höhe der Mietwagenkosten streitig ist. Etwas anderes gilt dagegen, wenn die Haftung dem Grunde nach bzw. die Haftungsquote streitig ist oder Schäden geltend gemacht werden, die in keinem Zusammenhang mit der Haupttätigkeit stehen, wie z.B. Schmerzensgeldansprüche.
Interessanter Weise ging es auch hier um eine Entscheidung des LG Stuttgart, die in der Folge aufgehoben wurde. Im Jahr 2017 hat das OLG Düsseldorf (15 U 37/16) die Frage nochmals so zusammengefasst:
Die Inkassodienstleistungen der Beklagten sind auch aufgrund folgender Erwägungen nicht durch § 5 Abs. 1 RDG gedeckt:
Die Einziehung einer an ein Mietwagenunternehmen abgetretenen Schadensersatzforderung des durch einen Verkehrsunfall Geschädigten auf Erstattung von Mietwagenkosten ist (unabhängig von einer Registrierung nach § 10 Abs. 1 RDG) gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 RDG nur dann erlaubt, wenn allein die Höhe der Mietwagenkosten und nicht auch die Frage einer Haftung dem Grunde nach streitig ist (BGH, BeckRS 2013, 05864 Rn. 8 m.w.N. zu diversen einschlägigen BGH-Entscheidungen). Überträgt man die vorstehenden Grundsätze auf die hier streitgegenständliche Fallkonstellation, ergibt sich, dass die Beklagte sich nicht mit Erfolg auf § 5 Abs. 1 RDG berufen kann. Denn es war – siehe die Ausführungen unter 4.1 – auch bereits im maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen Abtretungsvereinbarungen keineswegs eindeutig, dass den Havaristen dem Grunde nach keine Ansprüche auf Pannenhilfe gegen den F zuständen, so dass gerade nicht allein die Höhe der abgetretenen (etwaigen) Ansprüche gegen die Klägerin streitig war. Unstreitig hatten sich die Havaristen zunächst jeweils telefonisch an den F gewandt und diesen unter Berufung auf ihre Mitgliedschaft um Pannenhilfe gebeten. Die Einstandspflicht der Klägerin war und ist demnach gerade nicht unstreitig. Anders als ein Unfallgeschädigter in den Mietwagen-Fällen gingen die Havaristen aus Sicht der Beklagten demnach nicht erkennbar davon aus, dass in jedem Falle (nur) die Klägerin als Schutzbriefversicherer die Pannenhilfe schulde bzw. die dafür anfallenden Kosten zu tragen habe.
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