Eine kurze Freiheitsstrafe soll mit dem Gesetz – siehe §47 StGB – die Ausnahme sein. Die Festsetzung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten hat dabei regelmäßig nur Bestand, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist (§ 47 Abs. 1 StGB) und dies in den Urteilsgründen dargestellt wird (BGH, 3 StR 135/20, 3 StR 133/96, 3 StR 465/03).
Die kurze Freiheitsstrafe ist immer wieder ein „Problemfall“: Seit Jahren ist zu beobachten, dass die Amtsgerichte für eine Anhäufung laufender Bewährungen sorgen, weil man nicht proaktiv von der Möglichkeit von Geldstrafen gebrauch macht. Teilweise reicht bereits eine Vorverurteilung zu einer Geldstrafe und das Gericht will zielstrebig in die Bewährungsstrafe – das aber ist in jedem Fall falsch. Verteidigungspotential ergibt sich in diesem Bereich sehr schnell, wenn Sie eine kurze Freiheitsstrafe erhalten haben oder dies befürchten, sollte – unter Beachtung der kurzen Rechtsmittelfrist – immer ein Strafverteidiger gefragt werden.
Jens Ferner
StrafverteidigerAuch eine eventuell erfolgte gleichzeitige Verurteilung des Angeklagten zu einer hohen Freiheitsstrafe macht die Erörterung nicht entbehrlich; die Prüfung ist vielmehr für jede einzelne Tat vorzunehmen (BGH, 3 StR 453/89). Das Oberlandesgericht Köln (III-1 RVs 51/18) ruft in Erinnerung, dass eine Verhängung kurzer Freiheitsstrafen nur im Ausnahmefall in Betracht kommen kann:
Nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 47 StGB soll die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen weitestgehend zurückgedrängt werden und nur noch ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen in Betracht kommen. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter 6 Monaten hat danach regelmäßig nur dann Bestand, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist. Damit die Anwendung des § 47 StGB auf Rechtsfehler geprüft werden kann, bedarf es einer eingehenden und nachprüfbaren Begründung. Das Urteil muss dazu eine auf den Einzelfall bezogene, die Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit umfassende Begründung dafür enthalten, warum eine kurze Freiheitsstrafe unerlässlich ist. Formelhafte Wendungen genügen nicht. Der Tatrichter hat vielmehr für das Revisionsgericht nachvollziehbar darzulegen, welche besonderen Umstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Angeklagten die Verhängung der kurzzeitigen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Angeklagten oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich gemacht haben (st. Senatsrechtsprechung: SenE v. 28.02.2003 – Ss 71/03 -; SenE v. 11.04.2003 – Ss 269/02 -; SenE v. 02.04.2013 – III-1 RVs 57/13 -; SenE v. 17.02.2016 – III-1 RVs 20/16 -; SenE v. 03.05.2017 – III-1 RVs 68/17 -). Unerlässlich zur Einwirkung auf den Täter ist die Freiheitsstrafe nur, wenn eine – selbst hohe – Geldstrafe voraussichtlich nicht ausreichen wird, ihre spezialpräventive Funktion zu erfüllen und in der kriminalpolitisch notwendigen Weise auf den Täter einzuwirken.
OLG Köln
Daher bedarf es im Urteil mit dem immer einer eingehenden Würdigung der Tat und der Täterpersönlichkeit, wobei die maßgebenden Erwägungen gemäß § 267 Abs. 3 Satz 2 StPO im Urteil darzulegen sind. Bei einem Ersttäter bedarf die Annahme von Unerlässlichkeit besonderer Begründung (OLG Köln, III-1 RVs 83/14).
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