Entschädigung nach § 58 Abs. 1, 3 TKG bei vollständigem Dienstausfall

Nach § 58 Abs. 1, 3 TKG kann der Verbraucher von einem Anbieter eines öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienstes verlangen, dass dieser eine Störung unverzüglich und unentgeltlich beseitigt, es sei denn, der Verbraucher hat die Störung zu vertreten.

Wird die Störung nicht innerhalb von zwei Kalendertagen nach Zugang der Störungsmeldung beseitigt, kann der Verbraucher ab dem Folgetag für jeden Tag des vollständigen Ausfalls des Dienstes ein Entgelt verlangen, es sei denn, der Verbraucher hat die Störung oder deren Fortdauer zu vertreten oder der vollständige Ausfall des Dienstes beruht auf rechtmäßigen Maßnahmen nach diesem Gesetz, nach der Verordnung (EU) 2015/2120, auf Anordnungen von Sicherheitsbehörden oder auf höherer Gewalt. Liegen diese Voraussetzungen vor, kommt ein erheblicher Schadensersatzanspruch in Betracht (hier: Anspruch auf Zahlung von 2.810,00 € mit LG Göttingen, 4 O 78/23).

Vorliegen einer Störung

Der Begriff der Störung sei weit zu verstehen und meine jede vom Telekommunikationsanbieter nicht gewollte Veränderung der von ihm eingesetzten technischen Einrichtungen. Eine Störung liegt auch dann vor, wenn die eingesetzte Technik die ihr zugedachten Funktionen nicht mehr richtig oder vollständig erfüllen kann. Dies sei hier anzunehmen:

Zwar hat die Beklagte den vom Kläger behaupteten Ausfall des Sendemastes an dessen Wohnort bestritten, gleichwohl aber dargelegt, dass aufgrund wechselnder Störungen anderer Stationen im näheren Umkreis die den Kläger „versorgende“ Basisstation zeitweilig ausgelastet gewesen sei, was vom Kunden als vermeintlich anhaltende Störung empfunden worden sein könne. Letztlich macht dies aber für die Annahme einer Störung keinen Unterschied, da Anspruchsvoraussetzung gerade nicht ein Ausfall eines (bestimmten) Sendemastes ist, sondern nur die technisch bedingte, vom Anbieter nicht gewollte Veränderung im Sinne einer nicht mehr richtigen oder vollständigen Funktion.

Dies ist auch dann anzunehmen, wenn eine Station aufgrund wechselnder Störungen anderer Station ausgelastet ist, da die Basisstation ihrer originären Aufgabe dann nicht mehr hinreichend nachkommen kann. Da die insoweit mindestens sekundär darlegungspflichtige Beklagte keine weiteren Angaben dazu gemacht, aus welchem Grund und in welchem Zeitraum die Störungen der anderen Station im näheren Umkreis bestanden haben, ist davon auszugehen, dass diese Störung über den gesamten Zeitraum bestanden hat, zumal die Beklagte gerade nicht bestritten hat, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht habe telefonieren können.

Vollständiger Dienstausfall

Dienst ist der mit dem Verbraucher vertraglich vereinbarte Telekommunikationsdienst. Vollständiger Dienstausfall bedeutet die vollständige Nichtverfügbarkeit des Dienstes. Den Telekommunikationsanbietern steht es frei, zur Vermeidung eines längeren Ausfalls des Dienstes und der damit verbundenen Haftungsfolgen dem Verbraucher eine zumutbare Ersatzlösung zur Verfügung zu stellen, um die Nutzung des Dienstes ganz oder zumindest teilweise zu ermöglichen (das Landgericht verweist auf BT-Drs. 19/26108, 291):

Der Telekommunikationsdienst muss vollständig ausgefallen sein (BT-Drs. 19/26108, 291). Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um einen Ausfall bei einem einzelnen Verbraucher oder um einen großflächigen Ausfall handelt (BT-Drs. 19/26108, 290). Ferner kann der Telekommunikationsdienst zwar aus einem Bündel von Leistungen bestehen, wie bspw. dem Anschluss, Telefonie, Datenübertragung und bei Mobilfunk noch SMS (BeckOK InfoMedienR/Kiparski, 40. Ed. 1.2.2022, TKG2021 § 58 Rn. 33, 34).

Dies bedeutet aber nicht, dass der vollständige Ausfall im Sinne der Vorschrift nur dann anzunehmen wäre, wenn alle in einem Vertrag geschuldeten Leistungen nicht mehr möglich wären. Nach § 3 Nr. 61 TKG sind Telekommunikationsdienste in der Regel gegen Entgelt über Telekommunikationsnetze erbrachte Dienste, die – mit der Ausnahme von Diensten, die Inhalte über Telekommunikationsnetze und -dienste anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über sie ausüben – Internetzugangsdienste, interpersonelle Telekommunikationsdienste und Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen bestehen, wie Übertragungsdienste, die für Maschine-Maschine-Kommunikation und für den Rundfunk genutzt werden, umfassen.

Gemessen an dieser Definition ist mit „Telekommunikationsdienst“ nicht die Gesamtheit der vertraglich geschuldeten Leistungen gemeint, sondern die jeweilige einzelne Leistung, die vertraglich vereinbart ist, im Falle eines klassischen Mobilfunkvertrages also die Möglichkeit, im Mobilfunknetz Telefonate zu tätigen. Allein die Möglichkeit, dass im Rahmen des Abschlusses von Mobilfunkverträgen die Möglichkeit besteht, Datenoptionen und Telefonie separat zu buchen zeigt, dass es sich dabei um verschiedene Dienste handelt, die ihrerseits zwar in einem Vertrag vereinbart werden können, deshalb aber nicht zu einem einzigen Dienst im Sinne der Norm werden. Ein Ausfall des Dienstes „Telefonie über Mobilfunk“ im Sinne der Vorschrift ist hier gegeben. Denn der Kläger konnte unstreitig im streitgegenständlichen Zeitraum in seiner Wohnung mit den genannten Telefonnummern aufgrund der o. g. Störung nicht telefonieren.

Ja, aber…

Der vollständige Dienstausfall wurde auch nicht dadurch kompensiert, dass Kläger und seine Familienangehörigen außerhalb der klägerischen Wohnung telefonieren konnten:

Das Wesen der Mobiltelefonie ist die Möglichkeit, zu jeder Zeit und an jedem Ort telefonieren zu können, ohne dafür den Ort wechseln zu müssen. Gerade wenn ein Mobiltelefon, was heutzutage keinesfalls mehr unüblich ist, als Ersatz für ein Festnetztelefon genutzt wird, ist die Nutzbarkeit innerhalb der eigenen Wohnung – beispielsweise auch im Falle eines Notfalles – ein wesentlicher Umstand und führt gerade nicht dazu, dass der Dienst damit nicht vollständig ausgefallen wäre. Es ist in diesem Zusammenhang nicht erforderlich, dass der Dienst in einem bestimmten „Mindestradius“ vollständig ausgefallen ist, denn aufgrund des von der Beklagten geschilderten Umstandes, dass Mobilfunkzellen sich überlappen und damit auch bei Ausfall einer Station Randbereiche des Versorgungsgebietes der Station noch versorgt werden könnten, verbliebe dann kein nennenswerter Anwendungsbereich der Norm mehr. Ein vollständiger Dienstausfall ist daher anzunehmen, wenn dem Mobilfunknutzer der Dienst Telefonie innerhalb seiner Wohnung für einen nicht nur vorübergehenden Zeitraum insgesamt nicht mehr möglich ist (…)

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, eine Telefonie sei über WLAN möglich gewesen, so stellt die Telefonie über das Internet einen eigenen Dienst dar, der aber keinen Entfall des Anspruches auf eine Entschädigung nach sich zieht. Denn wie oben bereits ausgeführt, soll die Entschädigung den Anbieter dazu anhalten, die dem Ausfall zu Grunde liegende Störung kurzfristig zu beseitigen. Ein Entfall dieser Entschädigung ist daher nur denkbar, wenn der Nutzer vom Anbieter eine im Wesentlichen gleichwertige Ersatzmöglichkeit für die Nutzung des ausgefallenen Dienstes bereitstellt. Es ist insoweit gerichtsbekannt, dass die Versorgung einer Wohnung oder eines Haues mit WLAN nicht immer gleichmäßig und in zufriedenstellendem Maße erfolgt und daher eine Telefonie über WLAN, die zudem von der verfügbaren Bandbreite abhängt, keine im Wesentlichen gleichwertige Alternative zur Mobilfunktelefonie darstellt. Zudem sind Notrufe beim Telefonieren über WLAN nicht bei allen Internetanbietern gleichermaßen technisch überhaupt möglich, sodass auch insoweit eine wesentliche Einschränkung gegenüber der Mobilfunktelefonie verbleibt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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