Bei der Beitragsvorenthaltung erlangt der Täter einen Vorteil in Höhe der ersparten Aufwendungen, also grundsätzlich in Höhe der Beitragsschuld – sodass sich die Frage stellt, wie hier die Einziehung zu funktionieren hat. Bei einer Nettolohnabrede ist es dann rechtsfehlerhaft, wenn der ermittelte Nettolohn nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV auf einen Bruttolohn hochgerechnet wird, um den so ermittelten Betrag der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge als den Betrag anzunehmen und dessen Einziehung gemäß § 73 StGB anzuordnen.
Dies hat das OLG Brandenburg (1 OLG 53 Ss 33/21) klargestellt und dabei hervorgehoben, dass nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass § 14 Abs. 2 SGB IV sanktionsähnlichen Charakter hat, da die Annahme einer Nettolohnvereinbarung zu einem – fiktiven – Bruttoarbeitsentgelt führen kann, das den Wert der Arbeitsleistung und damit den Wert der ersparten Leistungen übersteigt:
Damit kann sich die Höhe der auf diese Weise hochgerechneten Beitragsansprüche auch unter dem Gesichtspunkt ersparter Aufwendungen nicht im Vermögen des Arbeitgebers widerspiegeln (vgl. Pananis, StraFo 2020, 439). In diesem Fall können die nach § 14 Abs. 2 SGB IV ermittelten Sozialabgaben die Summe der ersparten Aufwendungen übersteigen und eine Vermögensabschöpfung Strafcharakter entfalten.
Ein solcher Fall liegt hier vor. Deutlich wird dies aufgrund des Zahlenwerkes der Tabelle Seite 21 der Urteilsgründe. Nimmt man beispielsweise die Zahlen aus dem Januar 2010, beträgt der maximale Gewinn des Angeklagten 8.997,15 € (Nettoumsatz abzüglich Barlohn), der nach § 14 Abs. 2 SGB IV errechnete (fiktive) Bruttolohn beträgt 20.761,02 €, die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge liegen bei insgesamt 8.210,98 €. Hinzuzurechnen sind 14,77 % Steuern (= 3.066,40 €, vgl. S. 20 UA), so dass die einziehungsfähigen fiktiven Steuern und Sozialabgaben mit insgesamt 11.277,38 € über dem maximal denkbaren Gewinn von 8.997,15 € liegen. Damit hätte eine Vermögensabschöpfung auch sanktionsähnlichen Charakter. Für die anderen in der Tabelle ausgewiesenen Monate würde das Gleiche gelten.
Die Vermögensabschöpfung ist jedoch – wie oben ausgeführt – eine Maßnahme eigener Art mit ausschließlich kondiktionsähnlichem Charakter. Ziel ist nicht die Zufügung eines Übels, sondern die Beseitigung eines Vorteils, dessen Verbleib den Täter zu weiteren Taten hätte verlocken können (vgl. BVerfG – Beschluss vom 5. März 2021 -2 BvL 8/19).
OLG Brandenburg, 1 OLG 53 Ss 33/21
Diesem Grundsatz würde es widersprechen, wenn der Einziehungsentscheidung die Sozialversicherungsbeiträge zugrunde gelegt werden, die sich aus den unter Anwendung des § 14 Abs. 2 SGB IV errechneten Bruttolöhnen ergeben!
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