Der Katzenkönig-Fall ist ein echter Klassiker und muss bekannt sein. Der Sachverhalt ist abstrus, aber gut zu lesen, auch wenn man nicht glaubt, dass es dem echten Leben entsprungen ist.
Wesentlich ist diese Entscheidung wenn es um die Abgrenzug vin Anstiftung zur mittelbaren Täterschaft geht. Der BGH stellt hier auf die objektive Tatherrschaft ab und sieht den eigentlich Handelnden in einem vermeidbaren Verbotsirrtum, der aber Werkzeug der Hinterleute ist, die ihn zielgerichtet ausnutzen. Das Besondere hierbei ist, dass der Vordermann voll verantwortlich ist und es sich trotzdem um eine mittelbare Täterschaft handelt.
Urteil
vom 15. September 1988 g.R.u.a.
– 4 StR 352/88 –
Landgericht Bochum
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten H. und P. wegen versuchten Mordes zu lebenslanger, den Angeklagten R. zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts; die Angeklagte H. hat ihre Revision auf den Strafausspruch beschränkt. Die Rechtsmittel führen jeweils zur Aufhebung des Strafausspruchs; im übrigen haben die Revisionen der Angeklagten R. und P. keinen Erfolg.
I. (Sachverhalt)
Nach den Feststellungen lebten die Angeklagten in einem von „Mystizismus, Scheinerkenntnis und Irrglauben“ geprägten „neurotischen Beziehungsgeflecht“ zusammen. Der Angeklagten H. gelang es im bewußten Zusammenwirken mit P., dem leicht beeinflußbaren Angeklagten R. zunächst die Bedrohung ihrer Person durch Zuhälter und Gangster mit Erfolg vorzugaukeln und ihn in eine Beschützerrolle zu drängen. Später brachten beide ihn durch schauspielerische Tricks, Vorspiegeln hypnotischer und hellseherischer Fähigkeiten und die Vornahme mystischer Kulthandlungen dazu, an die Existenz des „Katzenkönigs“, der seit Jahrtausenden das Böse verkörpere und die Welt bedrohe, zu glauben; R. – in seiner Kritikfähigkeit eingeschränkt, aber auch aus Liebe zu Barbara H. darum bemüht, ihr zu glauben – wähnte sich schließlich auserkoren, gemeinsam mit den beiden anderen den Kampf gegen den „Katzenkönig“ aufzunehmen. Auf Geheiß mußte er Mutproben bestehen, sich katholisch taufen lassen, Barbara H. ewige Treue schwören; so wurde er von ihr und P. zunächst als Werkzeug für den eigenen Spaß benutzt. Als die Angeklagte H. Mitte des Jahres 1986 von der Heirat ihres früheren Freundes Udo N. erfuhr, entschloß sie sich aus Haß und Eifersucht, dessen Frau (Annemarie N.) von R. – unter Ausnutzung seines Aberglaubens – töten zu lassen. In stillschweigendem Einverständnis mit P., der – wie sie wußte – seinen Nebenbuhler loswerden wollte, spiegelte die Angeklagte H. dem R. vor, wegen der vielen von ihm begangenen Fehler verlange der „Katzenkönig“ ein Menschenopfer in der Gestalt der Frau N.; falls er die Tat nicht binnen einer kurzen Frist vollende, müsse er sie verlassen, und die Menschheit oder Millionen von Menschen würden vom „Katzenkönig“ vernichtet. R., der erkannte, daß das Mord sei, suchte auch unter Berufung auf das fünfte Gebot vergeblich nach einem Ausweg. H. und P. wiesen stets darauf hin, daß das Tötungsverbot für sie nicht gelte, „da es ein göttlicher Auftrag sei und sie die Menschheit zu retten hätten“. Nachdem er Barbara H. „unter Berufung auf Jesus“ hatte schwören müssen, einen Menschen zu töten, und sie ihn darauf hingewiesen hatte, daß bei Bruch des Schwurs seine „unsterbliche Seele auf Ewigkeit verflucht“ sei, war er schließlich zur Tat entschlossen. Ihn plagten Gewissensbisse, er wog jedoch die „Gefahr für Millionen Menschen ab“, die er „durch das Opfern von Frau N.“ retten könne. Am späten Abend des 30. Juli 1986 suchte R. Frau N. in ihrem Blumenladen unter dem Vorwand auf, Rosen kaufen zu wollen. Entsprechend dem ihm von P. – im Einverständnis mit Barbara H. – gegebenen Rat stach R. mit einem ihm zu diesem Zweck von P. überlassenen Fahrtenmesser hinterrücks der ahnungs- und wehrlosen Frau N. in den Hals, das Gesicht und den Körper, um sie zu töten. Als dritte Personen der sich nun verzweifelt wehrenden Frau zu Hilfe eilten, ließ R. von weiterer Tatausführung ab, um entsprechend seinem „Auftrag“ unerkannt fliehen zu können; dabei rechnete er mit dem Tod seines Opfers, der jedoch ausblieb.
II.
Das Landgericht hat alle Angeklagten zu Recht als Täter eines versuchten Mordes verurteilt.
1. Der Angeklagte R.:
Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer bei diesem Angeklagten die Voraussetzungen des versuchten heimtückischen Mordes bejaht. R. hat „eigenhändig in Tötungsabsicht auf Frau N. eingestochen, um seinen Auftrag zu erfüllen“; dabei nutzte er ihre Arg- und Wehrlosigkeit bewußt aus. Der Mordversuch war beendet, da der Angeklagte nach Abschluß der letzten Ausführungshandlung glaubte, der Erfolg werde eintreten (BGHSt 35, 90 [92] m. Nachw.). Von diesem Versuch ist er nicht strafbefreiend zurückgetreten, weil er keinerlei Bemühungen um Erfolgsabwendung unternommen hat (§ 24 Abs. 1 S. 2 StGB).
Zutreffend hat das Landgericht auch angenommen, daß der Angeklagte für sein Tun verantwortlich gewesen ist. Die sachverständig beratene Strafkammer hat sich die Überzeugung verschafft, daß der Angeklagte nicht schwachsinnig ist und nicht an einer krankhaften seelischen Störung leidet. Wohl handelt es sich bei ihm um eine „hoch abnorme Persönlichkeit“, die „neurotisch tiefgreifend gestört und deformiert“ ist. Dieser Zustand, so ist den weiteren Ausführungen der Strafkammer zu entnehmen, und die „erfolgreiche Überzeugungsarbeit der Angeklagten H. und P.“ führten dazu, daß R. zur Tatzeit in „Wahngewißheiten“ lebte. Das Landgericht hat dieses Persönlichkeitsbild nicht ausdrücklich einem der Merkmale des § 20 StGB zugeordnet. Seinen Ausführungen ist aber mit ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß es als schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne der genannten Vorschriften zu kennzeichnen ist. Diese beeinträchtigte die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten nicht, denn er wußte um das Verbotensein der Tötung eines Menschen und er kannte sämtliche Tatumstände. Auch die Steuerungsfähigkeit war nicht aufgehoben, da der Angeklagte sich dem Tatauftrag hätte entziehen können. Daß die Wahnideen und die „daraus resultierenden pathologischen Gefühle“ den Angeklagten nach den Ausführungen der Strafkammer erheblich entsteuerten, hat diese durch Anwendung des § 21 StGB berücksichtigt.
Der Angeklagte R. kann sich nicht auf Notwehr oder Nothilfe (§ 32 StGB) berufen, da weder er noch andere, wie er wußte, einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff durch das Opfer ausgesetzt waren. Rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB liegt schon deshalb nicht vor, weil es an einer tatsächlichen gegenwärtigen Gefahr fehlte. Allerdings glaubte der Angeklagte an eine solche Gefahr. Dieser Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen des § 34 StGB kommt dem Angeklagten aber nicht als Tatbestandsirrtum zugute, weil das in § 34 StGB außerdem vorausgesetzte Überwiegen der Gewichtigkeit des zu schützenden Interesses vor dem zu opfernden eine Abwägung „Leben gegen Leben“ nicht gestattet (BGHSt 1, 321 [334]; 2, 117 ,[121]; Dreher/Tröndle, StGB 44. Aufl. § 34 Rn. 10). Daß der Angeklagte diesen Interessenkonflikt fehlerhaft abgewogen hat, führt als Bewertungsirrtum auch nicht zum Vorsatzausschluß, sondern zu einem – nach den Feststellungen vermeidbaren – Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 34 Rn. 51; Dreher/Tröndle a.a.O. § 34 Rn. 18). Danach hätte er als Polizeibeamter unter Berücksichtigung seiner individuellen Fähigkeiten und auch seiner Wahnideen bei gebührender Gewissensanspannung und der ihm zumutbaren Befragung einer Vertrauensperson, zum Beispiel eines Geistlichen, die rechtliche Unzulässigkeit einer quantitativen Abschätzung menschlichen Lebens als des absoluten Höchstwertes erkennen können.
Ebenso zutreffend hat die Strafkammer einen Schuldausschluß nach § 35 StGB bereits deswegen verneint, weil der Täter nicht den Willen hatte, die vermeintliche Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden (vgl. Hirsch in LK 10. Aufl. § 35 Rn. 38 m.w.N.). Er selbst fürchtete seinen Tod nicht, weil ihm von H. und P. vorgegaukelt worden war, daß er schon mehrfach gelebt habe und seine Seele sicher wiederkehren werde; an Angehörige und nahestehende Personen dachte er nicht.
Nicht geprüft hat das Landgericht, ob dem Angeklagten ein übergesetzlicher, den Anwendungsbereich des § 35 StGB überschreitender entschuldigender Notstand zugute kommt (vgl. Lackner, StGB 17. Aufl. vor § 32 Anm. III 3 m. Nachw.). Das führt aber nicht zur Aufhebung des Schuldspruchs. Ein solcher Entschuldigungs- oder Strafausschließungsgrund (vgl. Lackner a.a.O.) kann, wenn er überhaupt besteht, dem Täter allenfalls unter der Voraussetzung zugebilligt werden, daß eine gewissenhafte Prüfung des Vorliegens einer Notstandssituation stattgefunden hat (vgl. die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des § 35 n.F. StGB: BGHR StGB § 35 Abs. 2 Satz 1 Gefahr, abwendbare 1; Hirsch in LK a.a.O. § 34 Rn. 77 m.w.N.). Schon daran hat es der Angeklagte, wie die Ausführungen des Landgerichts zur Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums bei § 34 StGB belegen, fehlen lassen.
2. Der Angeklagte P.
Zu Recht hat das Landgericht auch den Angeklagten P. als Täter verurteilt. Dieser hat gemeinschaftlich mit der Angeklagten H., die den Schuldspruch nicht angegriffen hat, die Tat „durch einen anderen“ im Sinne des § 25 Abs. 1 StGB begangen. Sie handelten aus niedrigen Beweggründen. Beide sind nicht etwa deswegen nur Anstifter, weil auch der Mitangeklagte R. als Täter einzustufen war.a) Die Frage, ob der Hintermann eines schuldhaft handelnden Täters mittelbarer Täter sein kann, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Der Bundesgerichtshof hat zwar in BGHSt 2, 169 [170]; 30, 363 [364] ausgeführt, daß der mittelbare Täter die Tat durch einen anderen ausführe, der nicht selbst Täter sei. Diese Definition, die für den Regelfall der mittelbaren Täterschaft zutrifft, ist in den genannten Entscheidungen aber nicht tragend. Im vorliegenden Fall kommt es auf die Beantwortung der Frage an, weil den Angeklagten H. und P. – jedenfalls nach Überzeugung des Landgerichts – die für eine Verurteilung wegen Anstiftung zum versuchten Mord erforderliche Kenntnis des tatbezogenen Merkmals der Heimtücke nicht nachzuweisen war (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1969, 193; BGH, Beschl. vom 6. Juli 1982 – 1 StR 281/82; Jähnke in LK 10. Aufl. § 211 Rn. 62, 64). Als Täter sind sie wegen versuchten Mordes zu bestrafen, da sie das täterbezogene Merkmal des niedrigen Beweggrundes erfüllt haben.
Im Schrifttum ist die Frage der Abgrenzung der Anstiftung zur mittelbaren Täterschaft umstritten (vgl. Lackner, StGB 17. Aufl. § 25 Anm. 1 b mit Nachw.). Nach verbreiteter Meinung wird aus dem Verantwortungsprinzip hergeleitet, daß die Möglichkeit mittelbarer Täterschaft dort endet, wo das Werkzeug selbst verantwortlicher Täter ist (Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts AT 3. Aufl. S. 540, 544; Stratenwerth, Strafrecht AT I 3. Aufl. S. 224). Das wird auch für den – hier gegebenen – Fall angenommen, daß der Tatmittler in einem vermeidbaren Verbotsirrtum handelt; anders als in den Fällen der Schuldunfähigkeit oder des unvermeidbaren Verbotsirrtums, in denen dem Täter die Möglichkeit normgerechten Verhaltens verschlossen sei, bleibe dem in einem vermeidbaren Verbotsirrtum Handelnden die Möglichkeit der Entscheidung erhalten. Herzberg (Täterschaft und Teilnahme S. 22, 23) tritt dem mit der Erwägung entgegen, daß das Verantwortungsprinzip nicht der Annahme entgegenstehe, den in vermeidbarem Verbotsirrtum Handelnden als Tatmittler anzusehen; seine Verantwortlichkeit als Vorsatztäter gründe sich allein auf den Vorwurf „fahrlässiger“ Verbotsunkenntnis; ein Fahrlässigkeitsdelikt des Tatmittlers schließe aber mittelbare Täterschaft des Hintermannes nicht aus. Bedenklich an dieser Auffassung ist, worauf Bloy (Die Beteiligungsform als Zurechnungstypus im Strafrecht S. 344, 348) zutreffend hinweist, die Gleichsetzung des Fahrlässigkeitstäters mit dem wegen vorsätzlicher Tatbegehung zu verurteilenden Täter, der sich in einem vermeidbaren Verbotsirrtum befindet (§ 17 Satz 2 StGB). Roxin (in Festschrift für Lange S. 173, 178 ff.; derselbe in LK 10. Aufl. § 25 Rn. 66 ff.) ist der Auffassung, daß das Verantwortungsprinzip nicht unbesehen auf die Irrtumsfälle übertragen werden dürfe. Er bejaht wegen des überdeterminierenden Einflusses des Hintermannes kraft größerer Bedeutungskenntnis die Möglichkeit mittelbarer Täterschaft in Fällen, in denen sich der Tatmittler in einem vermeidbaren Verbotsirrtum befindet, unterscheidet aber (insoweit enger als Cramer in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 25 Rn. 38) zwischen den Fällen, in denen dieser infolge des Irrtums das materielle Unrecht seines Tuns nicht kennt (mittelbare Täterschaft möglich) und den anderen Fällen (mittelbare Täterschaft nicht möglich), in denen ihm bei fehlendem Bewußtsein der formellen Rechtswidrigkeit das materielle Unrecht seines Verhaltens klar ist (dazu Bloy a.a.O. S. 349 mit Nachw.).b) Die unterschiedliche Gewichtung in den Lösungsansätzen, die auf der einen Seite ausschließlich auf die Handlungsherrschaft des Abhängigen abstellen und auf der anderen Seite den bestimmenden Einfluß des Hintermannes betonen, macht deutlich, daß es sich um ein offenes Wertungsproblem handelt (vgl. Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT Teilband 2, 6. Aufl. S. 220, 222, 237), bei dem die Übergänge fließend sind (vgl. Stratenwerth a.a.O. S. 224). Aus dem Gesetzeswortlaut wie auch aus der systematischen Stellung der Rechtsfigur der mittelbaren Täterschaft zwischen unmittelbarer Täterschaft und Anstiftung läßt sich nicht zwingend der prinzipielle Vorrang einer der beiden Lösungsmaßstäbe herleiten. § 25 Abs. 1 StGB erfordert jedenfalls nicht ein derart enges Verständnis des Begriffs der mittelbaren Täterschaft, wie es aus dem Verantwortungsprinzip hergeleitet wird. Angesichts der Vielgestaltigkeit der Täterschaftsformen hat der Gesetzgeber bewußt auf die Festlegung ihrer Voraussetzungen im einzelnen verzichtet (vgl. Cramer in Schönke/Schröder a.a.O. § 25 Rn. 6; BTDrucks. IV/650 S. 149; V/4095 S. 12). Daß mit Hilfe des Verantwortungsprinzips allein nicht stets eine scharfe Grenzziehung möglich ist, wird von Vertretern dieser Lehre selbst eingeräumt, indem sie für die Fälle des durch einen Machtapparat organisierten Verbrechens ohne Rücksicht auf die volle rechtliche Verantwortbarkeit des Handelnden eine „Täterschaft hinter dem Täter“ anerkennen (vgl. Stratenwerth a.a.O. S. 226; Bockelmann/Volk, Strafrecht AT 4. Aufl. S. 182). Ein wertender Vergleich der Fälle des unvermeidbaren Verbotsirrtums – hier ist unbestritten mittelbare Täterschaft möglich – mit denen des vermeidbaren Verbotsirrtums zeigt, daß allein die Vermeidbarkeit des Irrtums kein taugliches Abgrenzungskriterium ist. Auch dem in einem solchen Irrtum handelnden Täter fehlt zur Tatzeit die Unrechtseinsicht. Daß er Kenntnisse hätte haben können, die er im konkreten Fall nicht hatte, braucht an der Tatherrschaft des die Erlaubtheit vorspiegelnden Hintermannes nichts zu ändern; ebensowenig wird dadurch notwendigerweise dem Vordermann die Eigenschaft eines Werkzeuges genommen. In Fällen des vermeidbaren Verbotsirrtums des Vordermannes als dem unmittelbar Handelnden ist deshalb bei der Prüfung, ob der Hintermann mittelbarer Täter ist, auf das Kriterium der vom Täterwillen getragenen objektiven Tatherrschaft abzustellen (vgl. Maurach/Gössel/Zipf a.a.O. S. 225). Ob sie vor liegt, richtet sich nicht nach starren Regeln, sondern kann nur je nach der konkreten Fallgestaltung im Einzelfall wertend ermittelt werden. Eine solche Abgrenzung entspricht den Grundsätzen, die auch für die Beurteilung zwischen unmittelbarer Täterschaft und Teilnahme maßgeblich sind.
Die Abgrenzung hängt im Einzelfall von Art und Tragweite des Irrtums und der Intensität der Einwirkung des Hintermannes ab (vgl. BGHSt 32, 38 [42]). Mittelbarer Täter eines Tötungs- oder versuchten Tötungsdelikts ist jedenfalls derjenige, der mit Hilfe des von ihm bewußt hervorgerufenen Irrtums das Geschehen gewollt auslöst und steuert, so daß der Irrende bei wertender Betrachtung als ein – wenn auch (noch) schuldhaft handelndes – Werkzeug anzusehen ist.c) So liegt es nach den Feststellungen hier. Einerseits haben die Angeklagten H. und P. beim Angeklagten R. die Wahnideen hervorgerufen und diese später bewußt ausgenutzt, um seine rechtlichen Bedenken wie seine Gewissensbisse auszuschalten und ihn zu veranlassen, die von ihnen beabsichtigte Tat ihren Plänen und Vorstellungen entsprechend auszuführen. Auf diese psychologische Weise steuerten sie die Tatplanung. Darüber hinaus bestimmten sie wesentliche Teile der Tatausführung. P. übergab dem Angeklagten R. die Tatwaffe und erklärte auf dessen Frage, wie er die Tat ausführen solle, er solle von hinten so zustechen, wie es „Japaner und Ledernacken im 2. Weltkrieg“ getan hätten, da das Opfer dann gleich tot sei; Zeugen dürften keine vorhanden sein. An diese wie auch an sonstige Anweisungen hat sich R. gehalten. Andererseits irrte R. bei der Tat nicht nur über das Verbotensein seines Tuns, er war vielmehr darüber hinaus in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeengt. Er befand sich in einem engen Beziehungs- und Einwirkungsgeflecht, das die Angeklagten H. und P. zum Zwecke seiner Steuerung ausgenutzt und so eingesetzt haben, daß er sich ihrem bestimmenden Einfluß nur schwer entziehen konnte.
Damit haben die Angeklagten H. und P. ihn zur Tat bestimmt und die Tatausführung kraft ihrer Einwirkung und ihres überlegenen Wissens beherrscht. Sie hatten damit die Tatherrschaft, ohne Mittäter zu sein, weil sie entsprechend ihrem Plan wissentlich und willentlich die objektive Tatbestandsverwirklichung R. allein überlassen haben und dieser seine Tathandlung auch keinem von ihnen zurechnen lassen wollte.
III.
Demgegenüber haben die Strafaussprüche keinen Bestand.
Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet insoweit die Ablehnung einer Strafrahmenmilderung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB bei allen Angeklagten. Zwar kann eine solche Strafrahmenverschiebung versagt werden. Dies setzt aber eine Gesamtschau der Tatumstände und der Persönlichkeit des Täters voraus, bei der den wesentlich versuchsbezogenen Umständen, nämlich Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und aufgewandte kriminelle Energie, besonderes Gewicht zukommt (BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 1, 2 und 4). Die Strafkammer hat zwar eine solche Würdigung vorgenommen. Diese läßt aber besorgen, daß sie nicht alle wesentlichen der zugunsten der Angeklagten sprechenden Gründe erwogen hat.
Ausweislich der Urteilsgründe hat die Strafkammer die Möglichkeit der Strafrahmenverschiebung für H. und P. gemeinschaftlich abgehandelt und insoweit nicht zwischen diesen beiden Angeklagten unterschieden. Dadurch ist ihr möglicherweise entgangen, daß die Tatbeiträge dieser beiden Angeklagten entgegen den Ausführungen im Urteil nicht gleichgewichtig sind. Sie handelten zwar gemeinschaftlich, sie sind auch beide Täter. Die treibende Kraft war aber Barbara H.; P. ordnete sich, wenn auch im eigenen Interesse, unter. Bedenklich ist auch, daß das Landgericht im Rahmen der Prüfung der Strafmilderung nach § 23 Abs. 2 StGB die Persönlichkeitsabnormitäten der Angeklagten H. und P., ihr eigenartiges Beziehungsgeflecht, nicht ausreichend erwogen hat. Barbara H. kann als „gestörte Persönlichkeit“ bezeichnet werden. P. ist der „intelligenteste der drei Angeklagten“, hat sich aber „nirgendwo einen eigenen Lebensraum mit stabilen und verläßlichen Wertbezügen“ geschaffen. Die Persönlichkeitsmängel beider Angeklagten führen zwar nicht zur Anwendung des § 21 StGB, sie sind jedoch im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. Die Möglichkeit dazu hat sich die Strafkammer dadurch versperrt, daß sie die Persönlichkeitsstruktur der Angeklagten bei der Prüfung der Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2 StGB nicht mit bedacht hat. Der pauschale Hinweis auf die „Täterpersönlichkeit beider Angeklagten“ reicht jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden nicht aus. Denn nach Ablehnung der Strafrahmenverschiebung war dem Tatrichter eine Berücksichtigung der zugunsten der Angeklagten sprechenden Umstände wegen der dann in § 211 StGB angedrohten lebenslangen Strafe nicht mehr möglich.
Diese Mängel führen zur Aufhebung der lebenslangen Freiheitsstrafen. Mit ihnen ist aber auch die gegen den Angeklagten R. verhängte zeitige Freiheitsstrafe aufzuheben, weil nicht auszuschließen ist, daß das Landgericht auch seine Persönlichkeitsstruktur bei der Möglichkeit der Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2 StGB nicht ausreichend erwogen hat; dafür spricht, daß es in diesem Zusammenhang nicht auch die ungewöhnlichen Entstehungsbedingungen des Verbotsirrtums neben dem Umstand, daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erheblich vermindert war, in Betracht gezogen hat.
Da der Senat nicht auszuschließen vermag, daß das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB hinsichtlich aller Angeklagten zu einem milderen Strafrahmen gelangt wäre, können die Strafaussprüche nicht bestehenbleiben.
IV.
Von der Aufhebung des Strafausspruchs wird die – rechtsfehlerfreie – Anordnung der Unterbringung des Angeklagten R. nach § 63 StGB (vgl. BGHSt 34, 22) nicht berührt.
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