Nochmals konnte sich das Bundesarbeitsgericht (2 AZR 395/15) zur Zulässigkeit der Videoüberwachung zur Aufdeckung von Straftaten äussern und klarstellen, dass die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung von personenbezogenen Daten zur Aufdeckung von Straftaten (§ 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG) lediglich einen „einfachen“ Verdacht im Sinne eines Anfangsverdachts voraussetzt, der jedoch über vage Anhaltspunkte und bloße Mutmaßungen hinausreichen muss:
Eingriffe in das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung sind dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (grundlegend BAG 27. März 2003 – 2 AZR 51/02 – zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten.
Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 22. September 2016 – 2 AZR 848/15 – Rn. 28). Diese Rechtsprechung steht mit Art. 8 Abs. 1 EMRK im Einklang (EGMR 5. Oktober 2010 – 420/07 – EuGRZ 2011, 471). Mit Wirkung ab dem 1. September 2009 hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG einen entsprechenden Erlaubnistatbestand „zur Aufdeckung von Straftaten“ normiert. Nach der Gesetzesbegründung soll die Regelung die Rechtsprechungsgrundsätze nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses BT-Drs. 16/13657 S. 20; BAG 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – Rn. 52, BAGE 146, 303).
Zum Verwertungsverbot bei Persönlichkeitsrechtsverletzung siehe auch hier bei uns:
- Beweisverwertungsverbote im Zivilprozess
- Überprüfung von Arbeitnehmer-Mails
- Zugriff auf Dateien des Dienst-PCs
- Zulässigkeit von Überwachungsmaßnahmen im Arbeitsverhältnis
- Zugriff auf Datei-Zeitstempel zur Arbeitszeitkontrolle
- Arbeitszeiterfassung: Allgemeines zu biometrischen Daten und zum Fingerscan
- Fotos des Arbeitnehmers
- Videoüberwachung von Lagerraum kann zulässig sein
- Justizminister wünschen allgemeine Autoschlüssel-Kopie für Ermittler - 7. Dezember 2024
- KCanG: BGH zur Zusammenrechnung von Freimengen - 5. Dezember 2024
- BVerfG zu Encrochat: Keine generellen Beweisverwertungsverbote - 5. Dezember 2024