Das Amtsgericht Bremen (9 C 412/09) musste sich mit der Frage beschäftigen, ob eine negative eBay-Bewertung rechtwidrig war – was einen Beseitigungsanspruch ausgelöst hätte. Der Kläger (der von der negativen Bewertung betroffen war) berief sich darauf, dass die Kaufabwicklung „formal korrekt“ war. Hintergrund: Der Käufer hatte etwas gekauft, später von seinem Widerrufsrecht gebrauch gemacht. Dabei hatte der Verkäufer in seinen AGB geregelt, dass die Versandkosten bei einem Warenwert bis 40 Euro vom Käufer zu tragen sind, was rechtlich einwandfrei war. Der davon frustrierte Käufer quittierte diese Praxis mit folgender Bewertung:
Vorsicht bei Reklamation! Übelste Abzocke bei Versandkosten!!!“
Das Amtsgericht sieht schon einmal kein grundsätzliches Problem, trotz formal korrektem Ablauf eine negative Bewertung zu vergeben. So handelt es sich hierbei nicht nur um ein – der Bewertung als wahr/falsch verschlossenes – Werturteil. Auch ist es bei ebay (laut unbestrittenem Sachvortrag) durchaus üblich, dass viele Verkäufer auf die Möglichkeit der Aufbürdung der Versandkosten verzichten, wodurch der Käufer durchaus (zumindest aus seiner persönlichen Sicht) überrascht sein durfte von der Regelung.
Hinzu kommt für das Amtsgericht die Tatsache, dass die gesetzliche Möglichkeit der Umwälzung der Versandkosten gegen europäisches Recht verstossen könnte, was dann zum Fazit führt:
Der Bundesgerichtshof hält jedenfalls die für den Verbraucher günstigere Auslegung zumindest für möglich und stützt damit auch die Ansicht des OLG Karlsruhe als Berufungsinstanz und hat diese Rechtsfrage dem EuGH vorgelegt (s. EuZW 2008, S. 768; OLG Karlruhe MMR 2008, S. 46). Die in den AGB der Klägerin enthaltene Regelung könnte somit gegen europäisches Recht verstoßen. Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte daher einen berechtigten Grund, seine Unzufriedenheit über die diesbezügliche Praxis der Klägerin in Form einer negativen Bewertung öffentlich kundzutun. Die negative Bewertung war zulässig und rechtmäßig.
Auch die Grenze zur Schmähkritik sah das Amtsgericht nicht erreicht: Im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH zur Haftung der Stiftung Warentest ( BGH, NJW 1976, 620 [622]) bietet es sich laut Amtsgericht Bremen an, die Grenze der „Sachlichkeit“ erst dann als überschritten anzusehen, wenn bewusste Fehlurteile und Verzerrungen vorgenommen werden oder die abschließende Bewertung als sachlich nicht mehr vertretbar, das heißt indiskutabel, erscheint. Diese Grenze sah das Amtsgericht hier nicht als überschritten an. Denn:
Der Bewertungskommentar enthält konkrete Angaben dazu, welches (Fehl-)Verhalten bei der Transaktion der Beklagte der Klägerin vorwirft. Der Kommentar zielt eindeutig auf die Versandkostenpraxis der Klägerin. Er ist damit sachlich gerechtfertig. Dass diese Versandkostenpraxis zumindest unüblich, möglicherweise rechtswidrig ist, wurde oben bereits dargelegt. Die Kommentierung der Rückabwicklungspraxis als „Übelste Abzocke“ ist (auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhanges) keine unzulässige Schmähkritik sondern eine Meinungsäußerung, die von Art. 5 I GG gedeckt ist (s. OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.12.1997, Az. 1 W 27/97 ). Hier steht nicht eine Diffamierung oder Beleidigung der Klägerin im Vordergrund, sondern der sachliche Bezug zur Erstattungspraxis. Der Vorwurf der „üblen Abzocke“ bezieht sich auf den subjektiven Eindruck des Käufers, dass ihm bei der Klägerin zwar ein Widerrufsrecht eingeräumt wird, er aber hierbei überraschend und zu Unrecht nicht alle Kosten erstattet bekommt. Da das Bewertungssystem von eBay auf kurze und prägnante Kommentare ausgelegt ist, ist auch eine im Tonfall scharf formulierte Kritik zulässig, solange sich, wie hier, ein sachlicher Bezug noch eindeutig erkennen lässt. Hierbei muss die Klägerin angesichts der ungewöhnlichen, vom Käufer als überraschend empfundenen, und möglicherweise rechtswidrigen Praxis auch scharf formulierte Kritik als noch gerechtfertigt und zulässig hinnehmen.
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