Aktenübersendung an die Staatsanwaltschaft durch Betreuungsgericht

Es ist keine Seltenheit, dass Akten eines Betreuungsgerichts von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht angefordert werden – die Frage ist nur oft, wie hiermit umzugehen ist, zumal Betreuungsgerichte sich manchmal weigern, die Akten zu übersenden. Das BayOLG (1 VA 33/20) konnte hierzu einige Eckpunkte klarstellen.

So macht das Gericht deutlich, dass eine solche Anfrage bzw. Übermittlung letztlich eine schlichte darstellt:

Datenübermittlung zur staatlichen Aufgabenwahrnehmung stellt eine Form der Amtshilfe dar, Art. 35 Abs. 1 GG. Der Datenaustausch vollzieht sich, wenn – wie hier – kein besonders geregelter Ausnahmefall der Mitteilung von Amts wegen vorliegt, durch das Ersuchen einerseits und die Übermittlung andererseits, die jeweils einer eigenen Rechtsgrundlage bedürfen, denn als Grundlage für den mit dem Datenaustausch verbundenen Grundrechtseingriff kommt 

Damit einhergehend stellt das BayOLG klar, dass eine Übermittlung dann möglich ist, wenn man sich an den Rahmen bestehender Datenschutzrechtlicher Regelungen hält:

Eine Befugnis der Justizverwaltung zur Übermittlung der Betreuungsakte an die Staatsanwaltschaft im Rahmen der Amtshilfe besteht somit, wenn – wie hier – keine spezialgesetzlichen Bestimmungen einschlägig sind, im Rahmen der durch die datenschutzrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes gezogenen Grenzen (vgl. auch OLG Hamburg, FamRZ 2019, 1730 [juris Rn. 16]; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Oktober 2015, 3 VA 2/09, juris Rn. 23 ff.; OLG Bamberg, FamRZ 2018, 846 [juris Rn. 16 und 24] noch zu Art. 18 Abs. 2 BayDSG a. F. m. Anm. Gietl in NZFam 2018, 238; Bahrenfuss, FamFG, § 13 Rn. 26; Gietl, NZFam 2017, 681 [682]; Schulte-Bunert, BtPrax 2010, 7 [9 f.]).


Unter Berücksichtigung des bayrischen Datenschutzgesetzes kommt das BayOLG dann zu dem Ergebnis, dass sowohl ersuchende als auch ersuchte Behörde einen Prüfungsspielraum haben und diesen auch ausschöpfen müssen:

  • Zwar trägt gemäß Art. 5 Abs. 4 Sätze 1 und 2 BayDSG die ersuchende öffentliche Stelle die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung, während der ersuchten Stelle regelmäßig lediglich die Prüfung obliegt, ob – was hier ohne weiteres zu bejahen wäre – das Ersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt. Deshalb berührt es die Zulässigkeit des Ersuchens in der Regel auch nicht, wenn darin die Erforderlichkeit nicht näher dargelegt wird.
  • Allerdings ist die um Aktenübersendung ersuchte Stelle gemäß Art. 5 Abs. 4 Satz 3 BayDSG berechtigt und verpflichtet, in die Prüfung der materiellen Zulässigkeit der Datenübermittlung einzutreten, wenn ein besonderer Prüfungsanlass gegeben ist, denn in diesem Fall trägt die ersuchte Stelle die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung.

Wenn dann Zweifel bestehen, ob etwa die Staatsanwaltschaft wirklich geprüft hat, ob die Übersendung zwingend notwendig ist, kann das Ansinnen zurückgewiesen werden, so führt das Gericht aus:

Ein besonderer Anlass zur Prüfung im Sinne dieser Vorschrift besteht hier aus zwei Gründen. Bereits das Ersuchen um Übersendung der gesamten Betreuungsakte und die dafür gegebene Begründung lassen erkennen, dass die ersuchende Behörde der zunächst ihr gemäß Art. 5 Abs. 4 Sätze 1 und 2 BayDSG zugewiesenen Verantwortung zur Prüfung der Zulässigkeit der Datenübermittlung (vgl. Kölbel in Münchener Kommentar zur , § 161 Rn. 42) nicht Rechnung getragen hat (zu dieser Konstellation bereits Gietl, NZFam 2017, 681 [683] noch zur alten Rechtslage). Unabhängig davon begründet die besondere Schutzwürdigkeit der in der Betreuungsakte enthaltenen sensiblen Daten einen besonderen Prüfungsanlass und deshalb eine eigene Prüfpflicht der um Übersendung der gesamten Akte ersuchten Stelle (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Oktober 2015, 3 VA 2/09, juris Rn. 23 zu einer vergleichbaren Regelung in § 14 Abs. 2 DSG NRW a.F.; zu einem gegenständlich beschränkten Auskunftsersuchen des Gerichtsvollziehers: OLG Bamberg, FamRZ 2018, 846 [juris Rn. 24 f.]).

Im Ergebnis muss also vom Betreuungsgericht geprüft werden, ob die Akte zu übersenden ist – dies in Form einer Grundrechtsabwägung.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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