Abmahnung: Kosten für Abmahnung auch nach einstweiliger Verfügung – Anrechnung von Gebühren

Dass eine ignorierte berechtigte teuer werden kann, hatte ich bereits mehrfach beschrieben. Dabei wird aber meistens nur an die gedacht, die erhebliche Mehrkosten verursacht: Ohne  Berechnungen im Einzelfall würde ich immer erst einmal von ca. 1000 Euro zusätzlich ausgehen bei typischen Abmahnungen im Wettbewerbsrecht.

Dann aber ist es noch lange nicht vorbei: Die ursprüngliche Abmahnung ist weiterhin zu vergüten, wobei sich hier regelmäßig Fragen einer Anrechnung stellen. Hinzu kommen die Kosten für ein eventuelles Abschlussschreiben.

Übersicht über die Kostenpositionen nach einer Abmahnung

  1. Hinsichtlich der ursprünglichen Abmahnung ist zu sehen, dass diese aus nachträglichem Blick zum gedachten Zeitpunkt (einstweilige Verfügung erlassen) berechtigt war. Damit ist sie weiterhin zu vergüten, wobei gebührenrechtlich eine Anrechnung hinsichtlich des einstweiligen Verfügungsverfahrens stattfindet. Letztlich ist wegen der Abmahnung eine 0,65 Gebühr aus dem angezeigten Gegenstandswert angebracht. Das bedeutet, der gegnerische Rechtsanwalt kann nach Erlass der einstweiligen Verfügung tatsächlich noch eine zusätzliche Erstattung verlangen. eingängig dazu ist eine ältere Entscheidung des LG Hamburg (312 O 913/07), in der man eine beispielhafte Berechnung nachlesen kann.Letztlich hat der BGH (I ZB 30/08) inzwischen klargestellt, dass bei den Kosten der Abmahnung und des einstweiligen Verfügungsverfahren eine Anrechnung vorzunehmen ist, wobei dies allerdings nicht im Kostenfestsetzungsverfahren Berücksichtigung findet. Das bedeutet, der abmahnende Rechtsanwalt lässt die Kosten aus dem einstweiligen Rechtsschutz festsetzen und kann danach dann eine 0,65 Gebühr für die Abmahnung verlangen.
  2. Hinzu kommt die Frage, was mit dem Hauptsacheverfahren ist. Wer sich hier streiten möchte, hat das übliche Prozesskostenrisiko in der Hauptsache. Nicht selten wird man in der geschilderten Situation aber erkennen müssen, dass das Hauptsacheverfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet – man wird es vermeiden wollen. Hierbei hilft eine – wenn der Gegner eine solche aufsetzt und/oder zur Abgabe einer solchen Auffordert, ist dies gebührenrechtlich eine weitere Angelegenheit, die ebenfalls zu Vergüten ist (BGH, VI ZR 176/07 und IX ZR 10/08 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Allerdings kann der Abgemahnte hier schnell reagieren und vielleicht den Vergütungsanspruch mit einer frühzeitigen Reaktion, vor Aufforderung durch die Gegenseite, verhindern. Allerdings hat der eigene Rechtsanwalt hier dann gegen den Abgemahnten die Möglichkeit nochmals gesondert abzurechnen, sofern keine pauschale Abrede getroffen wurde.

Anrechnung von Gebühren bei einstweiliger Anordnung nach Abmahnung

Das Kammergericht (5 U 169/11) konnte sich der Frage der Anrechnung verständlich und umfassend wie Folgt widmen:

Das Landgericht hat hier in korrekter Umsetzung von § 15a RVG eine Anrechnung vorgenommen. Zwar hat die Berufung recht, dass nach RVG-Anlage 1 Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr angerechnet wird und nicht umgekehrt, sodass im Ausgangspunkt die Verfahrensgebühr und nicht die Geschäftsgebühr, deren Erstattung hier eingeklagt wird, zu kürzen ist. Anders verhält es sich aber, wenn die Verfahrensgebühr schon vollumfänglich (also ohne Anrechnung der Geschäftsgebühr) festgesetzt ist. Das ergibt sich aus § 15a Abs. 1 und 2 RVG. Da die Abmahnung – wovon gerade auch die Berufung (insoweit zu Recht) ausgeht – das Eilverfahren und nicht die Hauptsachenklage vorbereitet, und hier nach den Feststellungen des Landgerichts die Verfahrensgebühr zum Eilverfahren gleichwohl vollumfänglich festgesetzt worden ist, kann sich vorliegend die Beklagte gemäß § 15a Abs. 2 RVG als diesbezügliche Titelschuldnerin darauf berufen, dass gemäß § 15a Abs. 1 RVG nicht mehr als der um den Anrechnungsbetrag verminderte Gesamtbetrag der beiden Gebühren gefordert werden darf. Zu Recht hat das Landgericht also von der an sich den Prozessbevollmächtigten der Klägerin geschuldeten Geschäftsgebühr i.H. von (insgesamt) 1.580 € die Hälfte der im Eilverfahren festgesetzten Verfahrensgebühr in Abzug gebracht, was dann 900,10 € ergibt.

Kostenerstattung für Abschlussschreiben

Ebenfalls konnte sich das Kammergericht zu der Kostenerstattung für ein Abschlussschreiben äußern:

Nach dieser Anspruchsgrundlage können die Kosten eines Abschlussschreibens – als „erforderliche Aufwendungen“ (so sie denn, was hier nur unterstellt wird, überhaupt entstanden sind) – nur dann geltend gemacht werden, wenn das Schreiben nicht verfrüht abgeschickt wurde (Hess in: Ullmann, jurisPK-UWG, 2. Aufl., § 12 Rdn. 140). Die Rechtsprechung hierzu ist nicht einheitlich. Jedenfalls sollte sonach der Schuldner nach Zustellung der einstweiligen Verfügung in der Regel eine Überlegungsfrist von zwei Wochen erhalten, um von sich aus reagieren und eine Abschlusserklärung abgeben zu können (vgl. OLG Celle WRP 1996, 757, 758; OLG Hamm GRUR-RR 2010, 267, 268), wobei jedoch zu betonen ist, dass es sich um „keine starre Zeitvorgabe“ handelt (OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 294). Anderweitig wird sogar ein Monat Wartefrist gefordert (vgl. OLG Stuttgart WRP 2007, 688), wohingegen BGH WRP 2008, 805, Tz. 1, 4, wiederum einen Erstattungsanspruch für ein drei Wochen nach Zustellung der einstweiligen Verfügung abgeschicktes Abschlussschreiben zugesprochen hat, das freilich ohne Erörterung dieses Themas in den Entscheidungsgründen.

Fazit zu den Kosten nach einer Abmahnung

Bis der Streitfall beendet ist, fallen immer weitere Gebühren. Der Rat kann daher nur sein: Nicht selber mauscheln, sondern mit der Abmahnung sofort zum Rechtsanwalt. Häufig erhält man hier dann eine pauschale Vergütung als Angebot, die auf den ersten Blick hoch erscheint, aber meistens spürbar unter den gesetzlich liegenden Ansprüchen liegt. Auf der anderen Seite, auf Grund der endlosen Diskussionen, wird auch ein erfahrener Abmahner ein Interesse haben, einen insgesamten Vergleich zu schliessen, mit dem eine angemessene Summe angesetzt wird, mit deren Zahlung die Sache dann aber ihr abschliessendes Ende gefunden hat. Erfahrung zahlt sich hier auf beiden Seiten, im Interesse der jeweiligen Mandanten, schlichtweg aus.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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