Richterliche Unabhängigkeit

Zum Schutzbereich der sachlichen richterlichen Unabhängigkeit gehört in erster Linie die eigentliche Rechtsfindung sowie die ihr mittelbar dienenden Sach- und Verfahrensentscheidungen einschließlich der dem Interesse der Rechtsuchenden dienenden richterlichen Handlungen, die in einem konkreten Verfahren mit der Aufgabe des Richters, Recht zu finden und den Rechtsfrieden zu sichern, in Zusammenhang stehen (sogenannter Kernbereich richterlicher Unabhängigkeit). Diese sind dienstaufsichtlichen Maßnahmen grundsätzlich entzogen, es sei denn, es liegt ein offensichtlicher, jedem Zweifel entrückter Fehlgriff vor.

Dagegen unterliegt die richterliche Amtsführung insoweit der Dienstaufsicht, als es um die Sicherung eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs, die äußere Form der Erledigung eines Dienstgeschäfts oder um solche Fragen geht, die dem Kernbereich der Rechtsprechungstätigkeit so weit entrückt sind, dass sie nur noch als zur äußeren Ordnung gehörig angesehen werden können (BGH, RiZ (R) 4/20).

Dazu auch: Was gehört in ein strafrechtliches Urteil?

Formulierungen in Entscheidungsgründen

Mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist eine den Inhalt einer richterlichen Entscheidung betreffende dienstaufsichtliche Maßnahme grundsätzlich unzulässig, soweit es nicht ausnahmsweise lediglich um Fragen geht, die dem Bereich der äußeren Ordnung angehören, das heißt dem Kernbereich der Rechtsfindung so weit entrückt sind, dass für sie die Unabhängigkeitsgarantie des Art. 97 Abs. 1 GG vernünftigerweise nicht mehr in Anspruch genommen werden kann:

Insoweit ist es zwar nicht unmöglich, auch bei richterlichen Entscheidungen in der Ausdruckweise ein Formelement zu sehen, das sich vielfach vom Inhalt abheben lässt, und auf der Grundlage dieser Unterscheidung „verbale Exzesse“ dem äußeren Ordnungsbereich mit der Folge zuzuweisen, dass sie der Dienstaufsicht unterfallen (…) Ihre Grenze findet eine solche Differenzierung aber, wo die Ausdrucksweise oder eine Formulierung Eingang in den sachlichen Inhalt der Entscheidung gefunden hat.

BGH, RiZ (R) 4/20

Diese Voraussetzung liegt mit dem BGH dabei nicht erst dann vor, wenn die fragliche Passage der Entscheidung zur Rechtfertigung ihres Ergebnisses unerlässlich ist, es genügt, dass sie die Entscheidung mitbestimmt. In einem solchen Fall sind Maßnahmen der Dienstaufsicht nur bei einer offensichtlich fehlerhaften Amtsausübung möglich. Im Zweifelsfall ist die richterliche Unabhängigkeit zu respektieren.

Angreifbare richterliche Maßnahmen

So sind etwa etwa richterliche Äußerungen, die sich in der Herabwürdigung von Verfahrensbeteiligten oder Kollegen erschöpfen und mit der eigentlichen Rechtsfindung in keinem Zusammenhang stehen, der Dienstaufsicht zugänglich. Dies gilt auch in Fällen, in denen die Urteilsgründe politische Statements oder Meinungsäußerungen des Richters enthalten, die mit der Urteilsbegründung inhaltlich nichts zu tun haben; der Richter verlässt den Kernbereich der richterlichen Tätigkeit mit dem BGH auch immer dann, wenn ein Richter ein Urteil gleichsam zur Verbreitung seiner politischen Auffassung zweckentfremdet.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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